Was so ein Storch alles hinterlässt…
Johannes Strodl und die Feuerwehr Wertingen reinigen einen Horst. Ein Knochenjob
Wertingen Graue Wolken hängen am Himmel über Wertingen. Auf dem Marktplatz geht es am Samstagvormittag noch gemächlich zu, nur ganz langsam kommt Leben in die Stadtmitte. Von der Martinskirche her ist das Piepen eines Rückfahrwarnsystems zu hören. Dort rangiert das Drehleiterfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Wertingen. Bergsteiger Johannes Strodl, Feuerwehrkommandant Rudi Eser und der zweite stellvertretende Einsatzleiter Moritz Link machen sich bereit, um das Storchennest auf dem Nordturm der Stadtkirche zu säubern.
Über zwei Zentner, mehr als 100 Kilo Schmutz fallen im Laufe der knapp dreistündigen Räumaktion an, schätzt Strodl. Der Horst und die Turm-Ballustrade werden gereinigt, damit auch im kommenden Frühjahr wieder das Klappern des Storchs über die Dächer der Zusamstadt zuhören ist. Fast bis zum Knie reicht der Schmutz, der vom Turm heruntergeschafft wird.
Insgesamt drei Anläufe braucht es, bis die Drehleiter perfekt steht. Millimeterarbeit ist angesagt. Bei solchen Einsätzen machen sich die vielen Fahrtrainings bezahlt, sagt Kommandant Eser. Gekonnt lenkt er das große Gefährt in die enge Zufahrt zwischen Martinskirche und Seelenkapelle. „Ich weiß, was mein Fahrzeug kann“, sagt Eser zufrieden. Die Drehleiter ist einsatzbereit. Link und Strodl klettern sofort in den Wagenkorb und lassen sich in die Höhe befördern. Knapp 30 Meter sind die beiden Männer über dem Boden. Ausgestattet mit Besen, Kehrschaufel und Spaten machen sie sich an die Arbeit. Zunächst reinigt Strodl die Ballustrade und befreit sie von Ästen, Tannennadeln, Lehm und Storchenmist. Danach bringt er den Horst wieder in Form und reinigt auch das Nestinnere.
Drei Mal muss Link mit der Leiter runterfahren und die ersten Säcke abladen. Strodl bleibt derweil oben und schaufelt weiter. Leichter Nieselregen setzt ein. Wegen des Regens muss die Aktion aber nicht abgebrochen werden, da kann nichts passieren, versichert Kommandant Eser. Vom Boden aus behält er den Überblick. In der Zwischenzeit versammeln sich immer mehr Leute und schauen gespannt nach oben. Kinder und Erwachsene sind gleichermaßen an dem Aufgebot am frühen Morgen interessiert. „So ist’s recht, wenn sie wieder alles sauber machen“, sagt eine ältere Dame, nachdem sie sich erkundigt hat, was denn die Feuerwehr am Turm machen muss. Freundlich erteilt Kommandant Eser den Zaungästen Auskunft. Dabei verliert er aber die Drehleiter nie aus den Augen.
Schon zwei Mal in diesem Jahr war die Wertinger Wehr in Sachen Storch unterwegs. „Leute befürchteten, dass das Nest runterfällt“, erinnert sich Eser. Mit einer Drohne prüfte die Feuerwehr daraufhin den Zustand des Horstes. Eingreifen musste sie aber nicht.
Das Storchenpärchen auf der Martinskirche gehört inzwischen wieder fest zum Wertinger Stadtbild. Das war aber nicht immer so. Fast 40 Jahre lang war der Storch auf dem Kirchturm ausgeblieben. Auch als das Stahlgerüst für das Nest erneuert wurde, wollte sich der Vogel nicht niederlassen. Immer wieder hielten Störche zwar Ausschau, konnten sich aber nicht entschließen, sich dort anzusiedeln. Das änderte sich erst im Jahr 2011. Damals hatten Stadtrat Ludwig Klingler, Markus Eser und Johannes Strodl dem Ziehvogel auf die Sprünge geholfen und den Horst noch storchenfreundlicher gestaltet. Und auch die Reinigung des Nestes geht von Umweltreferent Klingler aus.
Dass jedoch die Feuerwehr die alljährliche Säuberungsaktion unterstützt, findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt. Seit der Storch sich wieder in Wertingen niederlässt, pflegt der Reatshofener Rentner und Hobby-Kletterer Strodl das Nest. „Ich werde jedes Jahr freundschaftlich gebeten, den Horst zu säubern. „Ich bin sozusagen der Storchen-Beauftragte“, sagt er scherzend. Solange sich niemand anderes findet, will der Hobby-Kletterer auch in den kommenden Jahren das Storchennest sauberhalten. Statt sich die unzähligen Stufen auf den Turm hochzuhieven und dann den aufgesammelten Schmutz per Lastzug abzuseilen, wird dieses Mal alles bequem mit der Drehleiter an den Boden geschafft. Trotz dieser Erleichterung sagt Strodl nach getaner Arbeit: „Es war ein Knochenjob.“Über 20 Säcke voller Schmutz, Dreck und Geäst hat er gemeinsam mit Link befüllt. „Aber das Klettern hält mich fit“, sagt der 67-Jährige. In dem Moment wird die Feuerwehr zu einem Einsatz. Blitzschnell fahren Eser und Link mit Blaulicht und Martinshorn davon. Zurückbleiben Strodl und die vielen Säcke voller Storchenmist.