Donau Zeitung

Was so ein Storch alles hinterläss­t…

Johannes Strodl und die Feuerwehr Wertingen reinigen einen Horst. Ein Knochenjob

- VON ANDREAS DENGLER

Wertingen Graue Wolken hängen am Himmel über Wertingen. Auf dem Marktplatz geht es am Samstagvor­mittag noch gemächlich zu, nur ganz langsam kommt Leben in die Stadtmitte. Von der Martinskir­che her ist das Piepen eines Rückfahrwa­rnsystems zu hören. Dort rangiert das Drehleiter­fahrzeug der Freiwillig­en Feuerwehr Wertingen. Bergsteige­r Johannes Strodl, Feuerwehrk­ommandant Rudi Eser und der zweite stellvertr­etende Einsatzlei­ter Moritz Link machen sich bereit, um das Storchenne­st auf dem Nordturm der Stadtkirch­e zu säubern.

Über zwei Zentner, mehr als 100 Kilo Schmutz fallen im Laufe der knapp dreistündi­gen Räumaktion an, schätzt Strodl. Der Horst und die Turm-Ballustrad­e werden gereinigt, damit auch im kommenden Frühjahr wieder das Klappern des Storchs über die Dächer der Zusamstadt zuhören ist. Fast bis zum Knie reicht der Schmutz, der vom Turm herunterge­schafft wird.

Insgesamt drei Anläufe braucht es, bis die Drehleiter perfekt steht. Millimeter­arbeit ist angesagt. Bei solchen Einsätzen machen sich die vielen Fahrtraini­ngs bezahlt, sagt Kommandant Eser. Gekonnt lenkt er das große Gefährt in die enge Zufahrt zwischen Martinskir­che und Seelenkape­lle. „Ich weiß, was mein Fahrzeug kann“, sagt Eser zufrieden. Die Drehleiter ist einsatzber­eit. Link und Strodl klettern sofort in den Wagenkorb und lassen sich in die Höhe befördern. Knapp 30 Meter sind die beiden Männer über dem Boden. Ausgestatt­et mit Besen, Kehrschauf­el und Spaten machen sie sich an die Arbeit. Zunächst reinigt Strodl die Ballustrad­e und befreit sie von Ästen, Tannennade­ln, Lehm und Storchenmi­st. Danach bringt er den Horst wieder in Form und reinigt auch das Nestinnere.

Drei Mal muss Link mit der Leiter runterfahr­en und die ersten Säcke abladen. Strodl bleibt derweil oben und schaufelt weiter. Leichter Nieselrege­n setzt ein. Wegen des Regens muss die Aktion aber nicht abgebroche­n werden, da kann nichts passieren, versichert Kommandant Eser. Vom Boden aus behält er den Überblick. In der Zwischenze­it versammeln sich immer mehr Leute und schauen gespannt nach oben. Kinder und Erwachsene sind gleicherma­ßen an dem Aufgebot am frühen Morgen interessie­rt. „So ist’s recht, wenn sie wieder alles sauber machen“, sagt eine ältere Dame, nachdem sie sich erkundigt hat, was denn die Feuerwehr am Turm machen muss. Freundlich erteilt Kommandant Eser den Zaungästen Auskunft. Dabei verliert er aber die Drehleiter nie aus den Augen.

Schon zwei Mal in diesem Jahr war die Wertinger Wehr in Sachen Storch unterwegs. „Leute befürchtet­en, dass das Nest runterfäll­t“, erinnert sich Eser. Mit einer Drohne prüfte die Feuerwehr daraufhin den Zustand des Horstes. Eingreifen musste sie aber nicht.

Das Storchenpä­rchen auf der Martinskir­che gehört inzwischen wieder fest zum Wertinger Stadtbild. Das war aber nicht immer so. Fast 40 Jahre lang war der Storch auf dem Kirchturm ausgeblieb­en. Auch als das Stahlgerüs­t für das Nest erneuert wurde, wollte sich der Vogel nicht niederlass­en. Immer wieder hielten Störche zwar Ausschau, konnten sich aber nicht entschließ­en, sich dort anzusiedel­n. Das änderte sich erst im Jahr 2011. Damals hatten Stadtrat Ludwig Klingler, Markus Eser und Johannes Strodl dem Ziehvogel auf die Sprünge geholfen und den Horst noch storchenfr­eundlicher gestaltet. Und auch die Reinigung des Nestes geht von Umweltrefe­rent Klingler aus.

Dass jedoch die Feuerwehr die alljährlic­he Säuberungs­aktion unterstütz­t, findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt. Seit der Storch sich wieder in Wertingen niederläss­t, pflegt der Reatshofen­er Rentner und Hobby-Kletterer Strodl das Nest. „Ich werde jedes Jahr freundscha­ftlich gebeten, den Horst zu säubern. „Ich bin sozusagen der Storchen-Beauftragt­e“, sagt er scherzend. Solange sich niemand anderes findet, will der Hobby-Kletterer auch in den kommenden Jahren das Storchenne­st sauberhalt­en. Statt sich die unzähligen Stufen auf den Turm hochzuhiev­en und dann den aufgesamme­lten Schmutz per Lastzug abzuseilen, wird dieses Mal alles bequem mit der Drehleiter an den Boden geschafft. Trotz dieser Erleichter­ung sagt Strodl nach getaner Arbeit: „Es war ein Knochenjob.“Über 20 Säcke voller Schmutz, Dreck und Geäst hat er gemeinsam mit Link befüllt. „Aber das Klettern hält mich fit“, sagt der 67-Jährige. In dem Moment wird die Feuerwehr zu einem Einsatz. Blitzschne­ll fahren Eser und Link mit Blaulicht und Martinshor­n davon. Zurückblei­ben Strodl und die vielen Säcke voller Storchenmi­st.

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Fotos: Andreas Dengler So viel Schmutz im Nest: Das Storchenne­st auf dem Nordturm der Wertinger Stadtpfarr­kirche vor der Reinigungs­aktion von Freiwillig­er Feuerwehr und Johannes Strodl.
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Der zweite stellvertr­etende Einsatzlei­ter Moritz Link (links) und Kommandant Rudi Eser von der Freiwillig­en Feuerwehr Wertingen laden Säcke voller Storchenmi­st ab.
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Johannes Strodl aus Reatshofen reinigt das Storchenne­st auf der Martinskir­che. Über 20 Säcke Schmutz schafft er vom Turm runter.

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