Donald Trumps Nervosität steigt
Inzwischen befürwortet eine Mehrheit der Amerikaner ein Amtsenthebungsverfahren. Der Präsident reagiert gereizt
Washington Eigentlich gilt die New mit ihren Exklusivgeschichten und Analysen im amerikanischen Politikbetrieb als Pflichtlektüre. Mit mehr als vier Millionen Digital- und Printabos gehört das traditionsreiche Blatt zu den größten Zeitungen der Welt. Doch in dem Pressestapel, der allmorgendlich am Weißen Haus angeliefert wird, fehlt seit Donnerstag die genauso wie die
Post. Kein Geringerer als der Präsident der USA persönlich hat die Kündigung veranlasst.
„Das ist Lügenpresse“, hatte Donald Trump vor wenigen Tagen gewettert: „Wir möchten die nicht mehr im Weißen Haus haben.“Der Groll des Präsidenten auf die beiden Blätter, die täglich über neue Details seiner Ukraine-Affäre berichten, ist damit noch nicht gestillt. Nach einem Bericht des will Trump ernsthaft alle amerikanischen Bundesbehörden anweisen, ihre Abonnements der beiden Zeitungen auslaufen zu lassen. „Das wird den amerikanischen Steuerzahlern hunderttausende Dollar sparen“, erklärte Präsidentensprecherin Stephanie Grisham. Doch ums Geld geht es Trump nicht. Sein Boykott belegt vielmehr, wie panisch sich der Präsident in dem von den Demokraten vorangetriebenen Impeachment genannten Amtsenthebungsverfahren im politschen Schützengraben verschanzt. Seit Wochen wird seine Rhetorik immer ausfallender und maßloser.
Die in der Verfassung verankerte Impeachment-Untersuchung diffamiert er inzwischen als „LynchVerfahren“. Allen Regierungsmitarbeitern hat er die Kooperation mit den Parlamentsausschüssen untersagt. Republikanische Politiker, die es wagen, leise Kritik an ihm zu äußern, verunglimpft er als „Abschaum“. Und offen ruft er zur Gegenwehr auf. „Die Republikaner müssen härter werden und kämpfen“, mahnte er eine aggressivere Verteidigung seiner Person an.
Zwei Dutzend linientreue republikanische Abgeordnete verstanden den Aufruf und stürmten dann am Mittwoch eine Sitzung des Geheimdienstausschusses zur brisanten Koppelung der US-Hilfen für die Ukraine an eine Schmutzkampagne gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden. Die Parlamentarier verschafften sich Zugang zum abhörsicheren Konferenzraum, verzögerten die Befragung einer Zeugin um fünf Stunden.
Formal richtete sich der Protest dagegen, dass die Anhörungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Teilnehmen dürfen nur die demokratischen und republikanischen Mitglieder der drei federführenden Ausschüsse. Das war freilich bei den Verfahren gegen Bill Clinton und Richard Nixon in der Vergangenheit nicht anders. In der ersten Phase geht es der Parlamentsmehrheit darum, Material für die formale Anklage zusammenzutragen.
„Was die Republikaner fordern, ist verrückt“, urteilt Ted Lieu, ein demokratischer Abgeordneter und Ex-Staatsanwalt: „Wir haben niemals Zeugen in der Öffentlichkeit vernommen.“Tatsächlich geht es Trump wohl eher darum, die Untersuchung, die fast täglich neue Indizien für die von ihm bestrittene Erpressung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zutage fördert, mit allen Mitteln zu behindern. Mit dem Einsatz seines parlamentarischen Überfallkommandos war der Präsident jedenfalls zufrieden. „Danke an die Republikaner dafür, dass sie knallhart und pfiffig sind“, twitterte er.
Nach Medienberichten wachsen indes selbst im engeren Umfeld des Präsidenten die Zweifel an dessen Verteidigungsstrategie. In der Times und der Post kann man täglich neue, beunruhigende Details aus den Anhörungen lesen. Ebenso die jüngsten Umfrageergebnisse: Eine klare Mehrheit der Amerikaner befürwortet inzwischen ein Impeachment-Verfahren gegen Trump.
Das muss Trump nun nicht mehr lesen. An den für ihn unerfreulichen Fakten aber werden die Abo-Kündigungen nichts ändern. „Wenn man vorgibt, die Arbeit der Presse zu ignorieren, schafft man die Nachrichten nicht aus der Welt“, sagte der Sprecher der Weißes-Haus-Berichterstatter, der ABC-News-Chefkorrespondent Jonathan Karl.