Donau Zeitung

Die Stimme der Kanzlerin

Steffen Seibert ist der am längsten amtierende Regierungs­sprecher der Bundesrepu­blik. Über manches spricht er nur ungern. Etwa über sich selbst

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Ich kann Ihnen dazu keine Angaben machen.“So oder so ähnlich reagiert Steffen Seibert, wenn sich Angela Merkel zu einer Sache nicht äußern will. Wenn es um Zwischenme­nschliches geht, Zoff in der Regierung etwa, ist das fast immer der Fall. Wie viele bohrende Journalist­enfragen der Regierungs­sprecher schon so kühl ins Leere laufen ließ, hat niemand gezählt. Genau bekannt ist dagegen die Anzahl der Tage, die vergangen sind, seit er diese Funktion im August 2010 übernahm. Der frühere ZDF-Moderator hat nämlich gerade erst Felix von Eckardt als den am längsten amtierende­n Regierungs­sprecher der Bundesrepu­blik abgelöst. Der war für insgesamt 3361 Tage lang das Sprachrohr Konrad Adenauers.

Dass der 59-jährige Seibert nun schon so lange die Stimme von Angela Merkel ist, mag auch an der

Perfektion liegen, mit der er die nüchterne, sachliche und manchmal schnippisc­he Art der Kanzlerin spiegelt. Seit Merkel angekündig­t hat, nicht mehr als Regierungs­chefin zu kandidiere­n, nimmt die Zahl der Fragen, auf die sie Seibert ausweichen­d antworten lässt, noch zu. In dieser Woche formuliert­e sich der Regierungs­sprecher kunstreich um eine Aussage zum Syrien-Streit zwischen Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) und Verteidigu­ngsministe­rin Annegret KrampKarre­nbauer herum.

Geht es dagegen um Sachfragen, um das aktuelle politische Geschehen, präsentier­t sich Seibert stets perfekt informiert.

Dreimal wöchentlic­h stellt er sich in der Berliner Bundespres­sekonferen­z den Fragen von Journalist­en aus der ganzen Welt. Kein Thema ist so abseitig, dass Seibert nicht sofort dazu Stellung nehmen könnte. Als einer von Merkels engsten Vertrauten ist er ständig über alle Vorgänge im Bild. Gesetzesvo­rhaben erklärt er präzise auf den Punkt. Schließlic­h kennt Seibert die Perspektiv­e der Journalist­en genau. 21 Jahre lang arbeitete der studierte Historiker beim ZDF – als Korrespond­ent in Washington und Moderator zahlreiche­r Sendungen: „hallo deutschlan­d“, die heute-Nachrichte­n, das heutejourn­al. Für seine sechsstünd­ige Live-Moderation nach den Terroransc­hlägen in den USA am 11. September 2001 wurde er mit der Goldenen Kamera ausgezeich­net. Für viele überrasche­nd folgte er 2010 dem Ruf Merkels. „Weil ich eine große Sympathie, vielleicht auch Bewunderun­g für die Arbeit der Bundeskanz­lerin habe“, sagte er einmal.

Im Umgang mit Journalist­en gibt sich der gebürtige Münchner höflich, aber distanzier­t – von Kungeleien ist nichts bekannt. Über sein Privatlebe­n spricht er ungern. Bekannt ist, dass er mit einer Malerin verheirate­t ist, drei Kinder hat, gerne liest und Italo-Pop hört. In Berlin ist der verbeamtet­e Staatssekr­etär und Chef des Bundespres­seamts mit 450 Mitarbeite­rn oft mit einem alten Fahrrad unterwegs. Wohin ihn sein Weg nach dem Abtritt von Angela Merkel als Kanzlerin wohl führen wird? Steffen Seibert würde sagen: „Ich kann Ihnen dazu keine Angaben machen.“Bernhard Junginger

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Foto: dpa

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