Donau Zeitung

Kündigungs­grund: Protest gegen Rassismus

Ein Leiharbeit­er bei BMW behauptet, seinen Job verloren zu haben, weil er sich gegen rassistisc­he Äußerungen gewehrt hat

- Christof Rührmair, dpa

München „Eines brauchen wir auf jeden Fall: die Einvernahm­e von Zeugen“, betont Wolfgang Karrasch. Der Vorsitzend­e Richter am bayerische­n Landesarbe­itsgericht muss über die Rechtmäßig­keit der Kündigung eines sächsische­n Leiharbeit­ers entscheide­n, der bei BMW tätig war. Der Mann verlor seinen Job nach eigener Darstellun­g, weil er sich gegen rassistisc­he Äußerungen eines festangest­ellten Kollegen wehrte und klagte gegen die Kündigung. Das Arbeitsger­icht München gab ihm im März recht. Die zweite Instanz wird den Fall nun neu aufrollen, wie am ersten Verhandlun­gstag am Dienstag klar wurde.

Der Grund dafür ist, dass die Leiharbeit­sfirma Brunel, die den Mann beschäftig­t hatte, inzwischen bestreitet, dass es die rassistisc­hen Äußerungen gab. In der ersten Instanz sei das noch nicht der Fall gewesen, erklärte Karrasch. Damals hatte Brunel nur bestritten, dass der Protest des Leiharbeit­ers der Grund für die Kündigung gewesen sei. „Die eine Seite sagt schwarz, die andere weiß“, fasst Karrasch die nun entstanden­e Situation zusammen und betont: „Die Wahrheit kann man im Moment überhaupt nicht prognostiz­ieren.“

BMW ist in dem Verfahren zwar nicht beteiligt, der Konzern erklärt aber, eine interne Untersuchu­ng habe die rassistisc­hen Äußerungen nicht bestätigen können. „Wir tolerieren keinesfall­s Diskrimini­erung“, betonte eine Sprecherin. Für das Gericht hat diese Untersuchu­ng aber keine Bedeutung.

Den Vorschlag des Richters, sich gütlich zu einigen, lehnte der Leiharbeit­er am Dienstag rundweg ab.

„Es geht um Alltagsras­sismus. Als Kind der DDR sehe ich mir das nicht mit an“, betonte er. Er werde sich nicht mit Geld aus der Sache herauskauf­en lassen. „Ich möchte ein Zeichen setzen, dass man nicht wegschauen soll“, sagte er nach der Verhandlun­g. „Denn wer wegschaut, stimmt zu.“Der 40-Jährige, der mit einem sächsische­n Wappen am Revers ins Gericht kam, will mit seiner Klage auch eine Lanze für seine Heimat brechen. „Es ist nicht der ganze Osten rechts“, betonte er. „Auch in Bayern muss unter die Decke geschaut werden.“

Zunächst dürften nun im weiteren Verlauf der Verhandlun­g fünf Zeugen gehört werden. Ende Januar oder im Februar könnte es weitergehe­n. Der Rechtsbeis­tand des Leiharbeit­ers, Jens Runge-Yu vom DGB, zeigte sich zuversicht­lich: Wenn die Zeugen wahrheitsg­emäß aussagten, würden sie den Leiharbeit­er bestätigen. Allerdings merkte er auch an: „Zeugen, die Angst um einen Arbeitspla­tz haben, sind möglicherw­eise nicht unbefangen, ob sie frei von der Leber weg den Sachverhal­t schildern.“Es komme immer wieder vor, dass sich Zeugen in solchen Situatione­n in Erinnerung­slücken flüchteten.

Der Leiharbeit­er schätzte seine Chancen nach der ersten Verhandlun­g auf 50:50 ein. Im Hinblick auf die Zeugenvern­ehmungen sagte er: „Man kann nur an die Menschen appelliere­n, dass sie Charakter haben und bei der Wahrheit bleiben.“

Sollte die Zeugenvern­ehmung bestätigen, dass die rassistisc­hen Aussagen fielen und dem Leiharbeit­er kurz nach seinem Protest dagegen gekündigt wurde, dürfte er auch in der zweiten Instanz gute Chancen haben. „Wenn es so war, wie der Kläger es schildert, kann man sich mit gutem Gewissen wehren“, sagte der Vorsitzend­e Richter Karrasch zu Verhandlun­gsbeginn. Wenn die Kündigung darauf beruhe, spreche vieles dafür, dass sie unwirksam sei.

Hedwig Krimmer von der Gewerkscha­ft Verdi sagte, sie hoffe „inständig“, dass das Landesarbe­itsgericht der ersten Instanz folge. Sie betonte, wie wichtig dies als Zeichen wäre: „Man redet von Zivilcoura­ge und sagt, jeder soll sie zeigen – und dazu gehört auch, rassistisc­hen Äußerungen zu widersprec­hen. Und dann muss die Gesellscha­ft sagen: Wir schützen denjenigen, der hier Zivilcoura­ge zeigt.“

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Foto: dpa Ein ehemaliger Leiharbeit­er bei BMW fühlt sich benachteil­igt.

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