Bayerns Millionengräber
Die Kosten für den Umbau des Augsburger Hauptbahnhofes sind aus dem Ruder gelaufen. Zum dritten Mal wird das Projekt im „Schwarzbuch“des Bundes der Steuerzahler aufgelistet. Nebst einigen anderen Baustellen im Freistaat
Augsburg Der Augsburger Hauptbahnhof. Gleis 9. Es ist ein kühler, grauer Oktobernachmittag, der Wind pfeift unerbittlich, der Zug, der gerade aus München ankommt, spuckt müde Pendler aus. Die meisten von ihnen blicken nicht nach rechts, hinunter in das große Loch, das den Blick freigibt auf Augsburgs berühmteste Baustelle. Wer an dieser Stelle nach unten schaut, der sieht nicht nur, wie in der Erde unter den Bahnsteigen gegraben wird, sondern – wenn man so will – auch ein Grab. Ein gigantisches Millionengrab. Denn die Kosten für den Umbau des Augsburger Hauptbahnhofes sind derart in die Höhe geschnellt, dass viele nur noch den Kopf schütteln können.
Etwa die Mitglieder des Bundes der Steuerzahler, das selbst ernannte Finanzgewissen der Bundesrepublik. Die Organisation hat den Augsburger Hauptbahnhof bereits zum dritten Mal in sein berühmtes „Schwarzbuch“aufgenommen, in dem die absurdesten Verschwendungen von Steuergeldern aufgelistet werden.
Im Fall Augsburg verhält es sich so: Die Kosten für den zweistöckigen Ausbau sind von Jahr zu Jahr immer weiter gestiegen. Der Bund der Steuerzahler befürchtet, dass der Umbau am Ende 300 Millionen Euro kosten könnte. 2006 hatten die Planer noch mit 70 Millionen Euro kalkuliert.
Warum die Kosten nun viel höher sind, lässt sich folgendermaßen erklären: Zum einen sind die Preise in der Baubranche gestiegen, zum anderen macht auch eine Verzögerung das Projekt so teuer. Am Anfang der Planungen habe man noch damit gerechnet, 2016 mit dem Tunnel fertig zu sein.
Derzeit graben die Stadtwerke das Erdreich unter dem Bahnhofsgebäude aus. In den kommenden Monaten werden hunderte Lastwagen-Ladungen Kies und Sand unter dem denkmalgeschützten Gebäude herausgebaggert. In gut zwei Jahren soll der Tunnelrohbau fertig sein, dann ist noch etwa eineinhalb Jahre Zeit für den Innenausbau, bevor der Tunnel samt unterirdischer Straßenbahn-Haltestelle unter den
Bahnsteigen im August 2023 in Betrieb geht.
Die Baustelle am Augsburger Hauptbahnhof ist eines von neun bayerischen Projekten, die im „Schwarzbuch“, das an diesem Dienstag vorgestellt wurde, auftauchen. Steuergelder würden auch für den Erweiterungsbau des NS-Dokumentationszentrums auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden verschwendet, moniert der Bund der Steuerzahler. 14,6 Millionen Euro hatte man dafür einmal geschätzt, nun soll die Erweiterung mit rund 30 Millionen Euro mehr als doppelt so viel kosten. Etwa 170000 Menschen besuchen pro Jahr Hitlers einstiges Urlaubsdomizil – wegen des großen Andrangs wird die Ausstellungsfläche auf rund 1000 Quadratmeter erweitert. Um den Besu
einen Rundgang durch die alten SS-Bunker zu ermöglichen, wird sogar ein 35 Meter langer Stollen gegraben. Die Ursache für die gestiegenen Kosten seien die spezifischen Anforderungen des Erweiterungsbaus, etwa eine besondere Lüftungstechnik, schreibt der Steuerzahlerbund. „Diese Kostensteigerung war offenbar auch dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen im Bayerischen Landtag zu viel“, heißt es in den Ausführungen des Steuerzahlerbundes. Dieser habe die Kosten zunächst auf den Prüfstand gestellt – dann aber dennoch grünes Licht für 21,35 Millionen Euro gegeben. Diese Summe wurde bereits im „Schwarzbuch“2016 angeprangert – und jetzt soll das ganze Unterfangen also noch teurer werden. „Es bleibt zu hoffen, dass die Kosten nicht noch weiter explodieren und dass der anvisierte Fertigstellungstermin Ende 2020 eingehalten werden kann“, teilen die selbst ernannten Steuerschützer mit.
Auch der Kauf eines ehemaligen Sparkassengebäudes im Kreis Ebersberg ist dem Bund der Steuerzahler ein Dorn im Auge. Der Landkreis hatte das 26 Jahre alte Gebäude für rund zwölf Millionen Euro gekauft, um dort Teile des Landratsamtes unterzubringen. Doch die Kosten für die Sanierung liefen aus dem Ruder: Von angedachten 3,3 Millionen stiegen sie auf 15 Millionen. Ähnlich ist die Situation in Lindau. Dort sanierte die Stadt die Inselhalle, ein Veranstaltungs- und Kongresszentrum. 35 Millionen sollte die Sache kosten, jetzt sind es mehr als 45 Milchern lionen. Kostspielig wird wohl auch die Verlagerung des Staatsarchivs Würzburg nach Kitzingen. Mehr als 50 Millionen Euro soll das kosten – und gerade einmal 20 Arbeitsplätze schaffen.
Viel Geld verschlingt auch die Abschiebehafteinrichtung am Münchner Flughafen. Die wurde eingerichtet, um die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern zu beschleunigen. Die monatliche Warmmiete beträgt laut Steuerzahlerbund satte 425000 Euro. Das Problem dabei: Zwischen 16. August 2018 und 12. März 2019 seien dort nur 95 ausreisepflichtige Personen mit einer durchschnittlichen Verweildauer von acht Tagen untergebracht gewesen, teilt der Bund der Steuerzahler mit und beruft sich auf Zahlen des bayerischen Innenministeriums. Bis Juli 2019 seien seit der Inbetriebnahme der Einrichtung 199 Personen zu verzeichnen gewesen. Das entspreche rund 18 Personen pro Monat – und damit mehr als 23 000 Euro an Kosten pro untergebrachtem Asylbewerber. Immerhin: Der Mietvertrag endet am 31. Dezember. Kritik erntet die Landeshauptstadt auch für die sogenannten „Summer Streets“. In einigen Stadtteilen wurden öffentliche Parkplätze temporär umgestaltet – etwa mit Sitzmöbeln und Pflanzen–, damit sich die Bürger dort aufhalten können. Kosten: 160 000 Euro.
Und dann ist da natürlich noch die Sanierung des Deutschen Museums. 400 Millionen waren veranschlagt, nun wird mit 595 Millionen kalkuliert. 1925 wurde das Museum eröffnet, seither wurden nur grobe Schäden behoben. Jetzt wird das Haus, das eines der bedeutendsten Museen für Technik und Naturwissenschaft ist, generalsaniert.
Es sind aber nicht nur die ganz großen Projekte, die der Bund der Steuerzahler in seinem aktuellen „Schwarzbuch“anprangert, manchmal geht es auch um – im wahrsten Sinne des Wortes – Winzigkeiten. In Vilshofen an der Donau wurde für 93000 Euro eine Querungshilfe über die Ortsumgehung gebaut, um den Lebensraum von Haselmäusen zu sichern. Ob die possierlichen Tierchen das Bauwerk überhaupt annehmen, steht noch nicht fest.