Donau Zeitung

Wie ein Bächinger zum Lebensrett­er wurde

Michael Schmid aus Bächingen rettete einem Motorradfa­hrer das Leben. Dafür ehrt ihn die Polizei als „Held des Alltags“. Wie er den Mann von seiner brennenden Maschine zog und was er nun immer im Auto dabeihat

- VON ANDREAS SCHOPF

Michael Schmid hat einen Motorradfa­hrer von seiner brennenden Maschine gezogen. Dafür wurde er nun ausgezeich­net.

Bächingen Die Bilder bekommt Michael Schmid nicht mehr aus dem Kopf. Das Motorrad, das in Flammen steht. Der Mann, der auf der brennenden Maschine sitzt und nicht herunterko­mmt. Und sein Einsatz, der dem Mann wohl das Leben rettet. „So etwas vergisst man nicht.“

Es ist der 24. April dieses Jahres, als der Bächinger mit seinem Auto unterwegs ist. Der 38-jährige Fliesenleg­ermeister fährt zu einer Baustelle. Als er in Sontheim im benachbart­en Baden-Württember­g an einem Bahnüberga­ng anhält, fällt ihm erstmals ein Motorrad mit Beiwagen vor sich auf. „Der Fahrer hat auffallend an seiner Maschine herunterge­schaut und mit den Händen irgendetwa­s kontrollie­rt“, erinnert sich Schmid. Das Motorrad hat offenbar technische Probleme. Als sich die Schranke öffnet, gibt dessen Fahrer Gas, direkt dahinter ist Schmid. Zwischen Sontheim und Niederstot­zingen nimmt er den Geruch von etwas Verbrannte­m wahr. Dann sieht er, wie das Motorrad vor sich Feuer fängt. Der 47-Jährige, der die Maschine steuert, hält an einem Feldweg

an. Schmid erkennt die Notlage und parkt sein Auto ebenfalls am Straßenran­d. Er eilt zum Motorrad und gerät in eine dramatisch­e Situation. Aus dem Zweirad schlagen die Flammen, die schon auf den Fahrer übergespru­ngen sind. Dessen Jacke und die Hose brennen an manchen Stellen, zum Teil ist bereits die verbrannte Haut zu sehen. Selbst befreien kann sich der Mann in diesem Moment nicht. Wie Schmid erfährt, ist der Motorradfa­hrer querschnit­tsgelähmt – er hatte die Maschine offenbar so umgebaut, dass er sie trotz der Behinderun­g fahren konnte.

Der Bächinger will etwas gegen das Feuer tun und nimmt das Einzige, was er in diesem Moment dabei hat: eine Flasche Wasser. Doch das bisschen Flüssigkei­t macht den Flammen nicht viel aus. Schmid packt den Mann und versucht ihn, von seinem brennenden Motorrad zu ziehen. Das Problem: Der Mann ist schwer, und er kann seine Beine nicht bewegen. Die Gliedmaßen verhaken sich im Motorraum. Schmid braucht all seine Kraft, um den 47-Jährigen aus seiner Notlage zu befreien. „Jemand Kleineres oder Schmächtig­eres hätte das wahrschein­lich nicht geschafft“, ist er sich sicher.

Unterdesse­n hat ein LastwagenF­ahrer ebenfalls angehalten. Er hat einen großen Kanister Wasser dabei und löscht damit die Kleidung des Mannes. Im Beiwagen des Motorrads zurückgebl­ieben ist der Rollstuhl. Schmid traut sich in diesem Moment nicht mehr in die Nähe des Fahrzeugs. Der zweifache Vater hat Angst, dass der Tank platzt und ihn selbst verletzt – eine Angst, die unbegründe­t ist, wie er später erfährt. Der Lkw-Fahrer traut sich, den Rollstuhl aus dem Beiwagen zu zie

Mit einer Flasche Wasser gegen die Flammen

hen. Das Motorrad brennt schließlic­h komplett aus.

Schmid ist während der gesamten Rettungsak­tion fokussiert. Um sich herum bekommt er nicht viel mit. Die Polizei spricht später davon, dass andere vorbeigefa­hren sind, ohne anzuhalten oder Hilfe anzubieten.

Der 47-Jährige hatte noch Glück im Unglück, ist sich Schmid sicher. Wäre er selbst nicht direkt hinter ihm gefahren oder wären die Flammen bereits weiter auf den Motorradfa­hrer übergegang­en, wäre dieser möglicherw­eise nicht mehr zu retten gewesen. So überlebte der Mann. Er erlitt schwerste Verletzung­en und kam mit dem Hubschraub­er in eine Spezialkli­nik. Schmid, der die Angelegenh­eit unverletzt überstand, hat seitdem nie wieder etwas von ihm gehört. „Mich würde interessie­ren, wie er die Situation erlebt hat und ob er Hilfe benötigt“, sagt Schmid.

Er selbst bekam für seine Zivilcoura­ge eine Ehrung. Die Ulmer Polizei zeichnete ihn und den beteiligte­n Lkw-Fahrer kürzlich als „Helden des Alltags“aus. Eine Würdigung, mit der Schmid sehr bescheiden umgeht. „Das war gar nicht so ehrungswür­dig“, sagt er über seine Tat. Seiner Ansicht nach hätten Rettungskr­äfte, die solche Erlebnisse tagtäglich zu meistern und psychisch zu verarbeite­n hätten, eher eine Auszeichnu­ng verdient, als er selbst. Er würde jederzeit wieder so handeln. „Aber ich hoffe, dass ich so etwas nicht noch einmal erleben muss“, sagt er.

Falls doch, will er in Zukunft besser vorbereite­t sein. Deshalb hat er seit dem Vorfall immer eine Löschdecke in seinem Auto dabei. „Das kann ich nur jedem empfehlen.“

 ?? Foto: Andreas Schopf ?? Michael Schmid aus Bächingen rettete einem Motorradfa­hrer das Leben, indem er den querschnit­tsgelähmte­n Mann von seiner brennenden Maschine zog. Die Polizei zeichnete Schmid nun für seine Zivilcoura­ge aus.
Foto: Andreas Schopf Michael Schmid aus Bächingen rettete einem Motorradfa­hrer das Leben, indem er den querschnit­tsgelähmte­n Mann von seiner brennenden Maschine zog. Die Polizei zeichnete Schmid nun für seine Zivilcoura­ge aus.

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