Donau Zeitung

Die Poesie der Pralinen

Dichterenk­el Sebastian Brecht entzückt New York als Chocolatie­r

- VON ALOIS KNOLLER

Ausgerechn­et „Obsessive Chocolate Disorder“nennt er sein Geschäft auf der East 4th Street im Süden Manhattans. Denn Sebastian Brecht kennt den Stoff, dem zwei Millionen Amerikaner verfallen sind: die Schokolade. Neulich warf eine entrüstete Dame ihm vor, er würde sich über die Krankheit – die Sucht nach der braunen Nascherei – lustig machen. Brecht reagierte verständni­svoll: Er selbst lebe seit Jahren mit der Krankheit, sagt er. Humor helfe ihm, damit besser umzugehen.

Hintersinn­iger hätte es auch sein Großvater Bertolt Brecht nicht formuliere­n können. Als dieser im November 1947 aus dem Exil wieder nach Europa zurückkehr­te, blieb sein Sohn Stefan in den USA. Mit der Kostümbild­nerin Mary McDonough hatte er zwei Kinder, Sarah und Sebastian. Der Enkel, der sein Gesicht nicht fotografie­ren lässt, genießt in New York einen legendären Ruf als Chocolatie­r, die New York Times zählt ihn zu den „führenden Konditoren der Stadt“. Seine Poesie besteht vor allem aus Pralinen, Trüffel und Tafeln. Es duftet nach der großen, weiten Welt bei Sebastian Brecht. Gern lässt er sich von landestypi­schen Geschmacks­noten inspiriere­n. Der Bestseller ist die Italien-Tafel mit dunkler Schokolade, Mandeln und Olivenöl, gefolgt von der Türkei mit Kardamon und Kaffee.

Die Liebe zum Süßen hat ihm wohl seine Großmutter Helene Weigel geschenkt. Sie war eine exzellente Schauspiel­erin – und als Wienerin auch eine hervorrage­nde Köchin. Brechts Österreich­Tafel folgt ihrem Rezept für Marillenkn­ödel. An Weigel hat er ohnehin nur gute Erinnerung­en: Als er auf Besuch in Ostberlin war, habe sie ihm den besten Kakao gekocht.

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany