Donau Zeitung

Deutschlan­d weiter ohne Anschluss

Das Bundeskabi­nett beschließt eine Mobilfunk-Strategie. Deren Erfolg muss sich jedoch erst noch erweisen. Was jetzt schon klar ist: Sie ist immens teuer

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Ich habe kein Netz! Dieser Ausruf ertönt in Deutschlan­d nicht mehr so oft wie in früheren Jahren. Der Ausbau ist vorangekom­men, das belegen persönlich­e Erfahrunge­n und offizielle Zahlen der Bundesregi­erung. Unser Land ist also nicht so schlecht angebunden, wie vielfach geredet wird. Auch bei Bemerkunge­n über angeblich bessere Mobilfunkv­erbindunge­n im Ausland ist Vorsicht angebracht: Wer als Ausländer in anderen Netzen unterwegs ist, kommt in der Regel quasi automatisc­h in den Genuss von Roamingver­bindungen verschiede­ner Anbieter – das ist im eigenen Land nicht so, da steht grundsätzl­ich nur der eigene Mobilfunkb­etreiber zur Verfügung.

Gleichwohl überwiegen in Deutschlan­d immer noch die Mobilfunk-Baustellen, und sie sind einem Land nicht angemessen, das zu den führenden Industrien­ationen gehören will. Das Hauptprobl­em ist, dass die Politik das Thema jahrelang verschlafe­n hat und sich viel zu lange auf den guten Willen großer Netzbetrei­ber wie die Telekom verließ.

Vor allem die ländlichen Regionen wurden benachteil­igt, weil die Politik den Betreibern den Markt überließ – und die sich logischerw­eise auf die Ballungsze­ntren konzentrie­rten, in denen sie mit vergleichs­weise geringerem Aufwand höhere Margen erzielen konnten als in der Fläche.

Die Bundesregi­erung will es jetzt mit einer „Mobilfunk-Strategie“richten. Das 50-seitige Papier wurde gerade auf einer Kabinettsk­lausur im brandenbur­gischen Meseberg beschlosse­n und weist teils ganz erstaunlic­he Erkenntnis­se auf. Etwa diese: „Eine flächendec­kende Versorgung mit Mobilfunk ist auch wichtig, um sicherzust­ellen, dass Bürgerinne­n und Bürger in Notfällen schnell Hilfe herbeihole­n können – auch in naturbelas­senen Flächen“. Ei der Daus – da wäre Otto Normaltele­fonierer ohne

Regierungs­hilfe nicht draufgekom­men.

Das Papier ist aus der Erkenntnis heraus entstanden, dass Deutschlan­d ohne staatliche­n Druck nie auf die angepeilte­n knapp 100 Prozent Versorgung kommen wird. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz formuliert­e es am Montag so: „Die Vorstellun­g, dass das alleine geschieht, hat sich vermutlich bei den allermeist­en verflüchti­gt.“

Was sich beim Studium des Papiers auch verflüchti­gt, ist die Hoffnung, dass sich hier eine Regierung nach langen Jahren politische­r Mobilfunks­tille endlich mal was traut. Ein mutiges Zeichen wäre gewesen, die Netzbetrei­ber, die über die Jahre am Mobilfunk prächtig verdient haben, an die ganz enge Leine zu nehmen. Doch dem ist nicht so, die Zeche zahlt einmal mehr der Steuerzahl­er.

Die Mobilfunkb­etreiber wollen zwar 1400 neue Funkanlage­nstandorte bauen. Sie machen es aber natürlich nicht für lau. Die Konzerne dürfen ihre Milliarden­zahlungen aus der Frequenzau­ktion 2019 mit jährlichen Raten über den Zeitraum bis 2030 strecken. Diese Einnahmen stehen den laufenden Haushalten nicht zur Verfügung.

Die Regierung gesteht übrigens jetzt schon ein, dass sie den Bemühungen der Firmen nicht traut. Sie nimmt mehr als eine Milliarde Euro Steuergeld in die Hand, um selbst weitere Löcher zu stopfen. Und das ist nur der erste Schritt, weitere Milliarden­spritzen sollen in den nächsten Jahren folgen.

Apropos erster Schritt: Wer jetzt mahnt, man möge doch mal Ruhe bewahren, immerhin passiere doch etwas, dem sei auf dem Weg ins nächste Funkloch noch Folgendes mitgegeben: All die Bemühungen der Regierung zielen gerade darauf ab, den Mobilfunks­tandard 4G zu etablieren. Erst wenn das geschehen ist, denkt man über das schnelle 5G nach. Der internatio­nale Anschluss wird so nicht hergestell­t.

Regierung setzt kein mutiges Zeichen

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