Funklöcher zum Anfassen
Die Bundesregierung trifft sich zur „Digitalklausur“in ihrem Gästehaus weitab von Berlin. Die Koalition will Aufbruchstimmung in Sachen Mobilfunkausbau verbreiten. Doch die Probleme sind nach wie vor groß
Meseberg Die Reporterin der Tagesschau berichtet gerade in einer LiveSchalte, was die Bundesregierung für einen schnelleren Mobilfunkausbau tun will. Plötzlich steht das Bild, nichts geht mehr. „Ich fürchte, wir haben ein Funkloch nach Meseberg gehabt, leider ist die Verbindung damit abgebrochen“, sagt Tagesschau-Sprecher Claus-Erich Boetzkes in der 12-Uhr-Sendung. Die Panne hat Symbolkraft: Immer noch gibt es vor allem in ländlichen Regionen viele Funklöcher – Deutschland hat einen großen Nachholbedarf.
Dabei klappt es eigentlich ganz gut mit dem Funknetz im Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg, rund 60 Kilometer nördlich von Berlin. Und so war Andreas Scheuer, zuständiger Bundesminister für digitale Infrastruktur, bei der „Digitalklausur“des Kabinetts mit seinem Handy jederzeit erreichbar. Doch bei komplexen Bild- und Tonübertragungen mit großen Datenmengen wie bei der Tageschau sieht es dann schon anders aus.
Die vielen Funklöcher in Deutschland sind ein großes Ärgernis nicht nur für viele Verbraucher, sondern auch für Unternehmen vor
Ort. Die Strategie der Regierung dagegen sieht im Kern vor: Die Mobilfunkbetreiber sollen mehr tun. So seien bereits im Zuge der 5G-Auktion härtere Auflagen gemacht worden. Bis Ende 2021 sollen in jedem Bundesland 99 Prozent der Haushalte mit LTE – auch 4G genannt – versorgt werden. Dies sind umgerechnet mehr als 90 Prozent der Fläche. Auch die Verbindungen in Zügen sollen besser werden. Weil ein Ausbau in abgelegenen, aber besiedelten Gebieten jedoch nicht immer wirtschaftlich ist, soll dort der Staat einspringen – das soll den Steuerzahler mehr als eine Milliarde Euro kosten. 5000 Masten in besonders betroffenen Regionen sollen durch den Staat gefördert werden.
Fast 100 Prozent der Haushalte und 97,5 Prozent der Fläche sollen dann unterm Strich versorgt werden, verspricht CSU-Minister Scheuer. Zu den größten Problemen bisher gehören aber lange Genehmigungsverfahren für neue Mobilfunkmasten – wie dies zum Beispiel auch beim Bau von Windrädern der Fall ist. Dazu kommt: In der Bevölkerung gibt es zum Teil erhebliche Vorbehalte gegen den Bau neuer Mobilfunkmasten, vor Ort haben sich viele Bürgerinitiativen gebildet. Grund ist unter anderem die Sorge vor zusätzlicher Strahlenbelastung. Langzeitstudien für die noch recht neue Technologie gibt es bisher nicht, die meisten Forscher geben Entwarnung. Auch die zuständige Behörde sieht keinen Anlass, sich ernsthaft Sorgen zu machen. „Die gesundheitlichen Auswirkungen des
Mobilfunks sind inzwischen gut erforscht, demnach gibt es keinen Beleg für negative gesundheitliche Auswirkungen unterhalb der Grenzwerte“, sagt die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz, Inge Paulini.
Auch CDU-Kanzlerin Angela Merkel betont, sie könne allen besorgten Bürgern sagen, dass die Regierung
Gesundheitsschutz ganz nach oben stelle. Die Regierung will nun für mehr Verständnis und Akzeptanz werben.
In den nächsten Jahren müssen für eine bessere flächendeckende Versorgung zu den bisherigen 74000 Standorten für den öffentlichen Mobilfunk tausende neue Masten dazukommen – für eine 4G-Infrastruktur
Genehmigungsverfahren dauern bis zu sechs Jahre
und dann für den Aufbau der neuen 5G-Verbindung. Diese ist vor allem für die Industrie, aber auch für die Landwirtschaft wichtig und soll „Echtzeit-Anwendungen“ermöglichen.
Aber warum hinkt Deutschland bisher hinterher? Gründe für den stockenden Ausbau seien die Größe und die demografische Struktur Deutschlands, sagt der Geschäftsführer des Digitalverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder: „Eine solche Fläche ist sehr viel schwieriger komplett zu versorgen.“Zudem zögen sich Genehmigungsverfahren bis zu sechs Jahre hin.