Stoppt eine Liebesaffäre Johnson?
US-Amerikanerin erhebt schwere Vorwürfe
London Die Vorweihnachtszeit ist angebrochen, aber besinnlich geht es im Vereinigten Königreich keineswegs zu. Die Engel und Mistelzweige müssen mit Wahlkampfpostern konkurrieren. Abends in der kalten Dunkelheit klopfen Kampagnenhelfer an die Türen und werben bei den Menschen dafür, am 12. Dezember für ihre jeweilige Partei zu stimmen. Begeisterung aber will in der abstimmungsmüden Bevölkerung nicht aufkommen.
Für den konservativen Regierungschef liefe es wie gewünscht. Wäre da nicht Jennifer Arcuri. Die US-Unternehmerin tourt seit einigen Tagen durch die Fernsehstudios und Zeitungsredaktionen auf der Insel, um ihre Sicht auf Boris Johnson zu schildern. Laut Medien soll sie eine Affäre mit dem damaligen Bürgermeister Londons gehabt haben. Vollends bestätigt hat sie das nicht. Aber, das wird allzu deutlich, sie fühlt sich tief verletzt. „Ich bin schrecklich untröstlich, weil du mich beiseite geworfen hast, als wäre ich ein kleines Monster“, wandte sich Arcuri in einem Interview direkt an Johnson. Sie fühle sich von dem Politiker behandelt wie „ein flüchtiger One-NightStand“. Er habe sie „mit gebrochenem Herzen“und „gedemütigt“zurückgelassen, sagte sie, nachdem Johnson nach eigenen Angaben seit Wochen ihre Textnachrichten und Anrufe ignoriere.
Könnte Arcuri ihm gefährlich werden? Immerhin, es geht nicht nur um verletzte Gefühle. Die Geschäftsfrau steht im Zentrum eines mutmaßlichen Interessenskonflikts, der in die Zeit von Johnson als Londons Bürgermeister zurückreicht. Er hat Arcuri mehrmals auf offizielle Reisen ins Ausland mitgenommen und soll ihr zehntausende Pfund aus öffentlichen Fördergeldern beschafft haben, obwohl die InternetUnternehmerin nicht die erforderlichen Bedingungen erfüllte.
Derzeit sieht es danach aus, als ob die Wähler sich von solchen Geschichten nicht umstimmen lassen. Aktuellen Umfragen zufolge führen die Tories mit deutlichem Abstand. Sie stehen bei bis zu 42 Prozent, während Labour nur auf 26 bis 29 Prozent der Wählerzustimmung kommt. Die Liberal-Demokraten liegen bei rund 13 Prozent.
Während die Gegner des EUAustritts gehofft hatten, dass sich die Opposition zusammentut und in den engen Wahlkreisen jeweils nur einen Anti-Brexit-Kandidaten aufstellt, machen Labour-Chef Jeremy Corbyn, der ein erneutes Referendum verspricht, und die liberal-demokratische Vorsitzende Jo Swinson bislang keine Anstalten, an einem Strang zu ziehen.
Derweil hat sich der Vorsitzende der Brexit-Partei, Nigel Farage, in einer Kehrtwende entschieden, nun doch nicht in allen Wahlkreisen die Konservativen herauszufordern. Aber ob das Johnson hilft, um die gewünschte absolute Mehrheit zu erreichen, bleibt zweifelhaft. Denn Farage will weiterhin Kandidaten in umkämpften Wahlkreisen antreten lassen, etwa in jenen Gegenden, die als Labour-Hochburgen gelten, wo aber die meisten Menschen den Brexit unterstützen.