Endspiel um Osram
Die Beschäftigten von Osram tragen ihre Ablehnung der Übernahme auf die Straße. Doch ihre Chancen sinken
München Den Nikolaustag erwarten die Osram-Beschäftigten in diesem Jahr mit besonderer Spannung. Um Mitternacht in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember läuft die Annahmefrist für das Übernahme-Angebot des österreichischen Sensortechnik-Entwicklers AMS aus. 41 Euro bietet AMS den Aktionären, wenn das Unternehmen dafür mindestens 55 Prozent aller Osram-Anteile erwerben kann. Arbeitnehmer und Gewerkschaften lehnen die Offerte des viel kleineren Herstellers AMS vehement ab. Der will Osram zum großen Teil auf Pump übernehmen.
Doch die Unternehmensführung um Osram-Chef Olaf Berlien steht wegen schlechter Zahlen mit dem Rücken zur Wand – und hat in den vergangenen Wochen eine 180-Grad-Wende vollzogen: Osram will jetzt doch geschluckt werden und empfiehlt, das Angebot anzunehmen. Für eine der beteiligten Parteien könnte es darum am 6. Dezember ein böses Erwachen geben.
Nach Lage der Dinge deutet viel darauf hin, dass AMS mit seinen Übernahmeplänen Erfolg haben könnte. 19,99 Prozent der Aktien gehörten dem Unternehmen, das Hochleistungssensoren entwickelt, ohnehin schon. Doch Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften nicht bereit, das Feld kampflos zu räumen. Montagmittag haben sie sich zu einer Großkundgebung vor der Münchner Osram-Zentrale versammelt. Rund 800 Beschäftigte von fast allen deutschen Standorten sind nach Angaben der IG Metall gekommen, darunter auch von den Standorten Augsburg, Schwabmünchen und Eichstätt. In Berlin fand zeitgleich eine weitere Protestkundgebung statt.
800 von insgesamt rund 5600 Arbeitsplätzen bei Osram in Deutschland stehen nach Befürchtung der Gewerkschaft durch die geplante Übernahme auf dem Spiel. Außerdem sollten wichtige Zukunftsinvestitionen wegfallen und der Bereich Innovation drastisch verkleinert werden. Sogar die komplette
Zerschlagung von Osram steht laut IG Metall im Raum, sollte AMS zum Zuge kommen.
Klaus Abel, stellvertretender Aufsichtsrat von Osram und bei der IG Metall für das Unternehmen zuständig, sagte unserer Redaktion im Anschluss an die Veranstaltung, allein am Standort München seien 200 Arbeitsplätze in Gefahr. Der Standort Augsburg, an dem einst eine große Lampenfertigung stand und wo heute noch gut 60 Menschen für Osram arbeiten, steht demnach ganz auf der Kippe. Aber auch in Schwabmünchen könnte ein Drittel der rund 300 Arbeitsplätze wegfallen. Die Furcht bei den Beschäftigten ist groß: „Die Stimmung bei uns ist im Keller. Es kursieren die Gerüchte um den Verkauf an die Össind terreicher. Wir haben Angst, dass es uns dann wie den Kollegen in Augsburg geht und wir alle in zwei Jahren ohne Job dastehen“, sagt ein Osram-Mitarbeiter aus Schwabmünchen, der seinen Namen nicht veröffentlicht haben will.
Osram hat für das jüngst abgelaufene Geschäftsjahr 2019 einen Verlust von 467 Millionen Euro in den Büchern stehen. Die Aussichten für die Zukunft sind ebenfalls verhalten. Das mag den Sinneswandel in der Osram-Führungsetage beschleunigt haben. Am vergangenen Donnerstag jedenfalls hat das Unternehmen bekannt gegeben, dass es eine umfangreiche Zusammenschlussvereinbarung mit AMS geschlossen hat. Berlien wird in der Mitteilung mit der Aussage zitiert, die Mitarbeiter an den deutschen Standorten seien bis Ende 2022 vor fusionsbedingten Kündigungen geschützt. Zudem sollte von München aus, als künftiger Co-Konzernzentrale, etwa die Hälfte der Zentralfunktionen geleitet werden.
Aber auch dieses Zugeständnis kann die Arbeitnehmervertreter nicht besänftigen: „Wir wollten eine verbindliche Vereinbarung, wenn möglich etwa mit einer Beweislastumkehrung. Das heißt, bei Kündigungen hätte AMS nachweisen müssen, dass diese marktbedingt, nicht fusionsbedingt sind. Aber das wollte AMS nicht“, erklärt Abel. So sei die Vereinbarung nicht rechtssicher und biete viele Schlupflöcher. „Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass AMS Schlupflöcher ausnützt“, so Abel weiter.
Bis Mittwoch will der KonzernBetriebsrat nun über das weitere Vorgehen beraten. Eine Hoffnung hat sich am Montag aber zerschlagen: Seinen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Finanzaufsicht Bafin hat das Oberlandesgericht Frankfurt abgelehnt. Hintergrund war, dass AMS für sein zweites Übernahmeangebot eine Tochterfirma eingesetzt hat, um die sonst geltende einjährige Sperrfrist zu umgehen. Wie der Rücklauf auf ihr Angebot ist, wollte AMS auf Anfrage nicht kommentieren.