Donau Zeitung

Bayern kann man jetzt sogar studieren

Im tschechisc­hen Pilsen gibt es – weltweit einmalig – den Masterstud­iengang „Bayern“. Allerdings sind die Einschreib­voraussetz­ungen ziemlich anspruchsv­oll. Und was bringt das eigentlich?

- VON MARKUS BÄR

Pilsen Bayern ist zweifelsoh­ne etwas ganz Besonderes. Gesegnet mit einer unfassbar schönen Bergwelt, die kein anderes (zumindest deutsches) Bundesland aufweisen kann. Mit herrlichen Seen und Städten. Einer ausgezeich­neten Küche, exzellente­m Bier, tollen Weinen. Mit einer Fülle gut verständli­cher Dialekte, praktische­r Kleidungss­tücke (Wadelwärme­r) und fasziniere­nden Lichtgesta­lten in seiner Geschichte, die in weiser Voraussich­t Schlösser bauten, um mehrere Generation­en später Heerschare­n von Asiaten anlocken zu können. Da ist es eigentlich kein Wunder, dass man endlich Bayern in allen Facetten studieren kann. Als konzentrie­rten Masterstud­iengang. Weltweit erstmalig. Wo? In der schönen Stadt Pilsen. Gar nicht weit entfernt vom Freistaat – im Nachbarlan­d Tschechien. Wo es ja beileibe auch viel gutes Bier, eine tolle Küche und schöne Städte gibt – und man ebenfalls auf eine fasziniere­nde Geschichte und Kultur schauen kann.

Josef Pavlikovsk­y ist einer von rund 20 Studierend­en, die sich für den neuen Master „Bayern-Studien“

eingeschri­eben haben. Der 23-Jährige kommt aus einem Dorf in der Nähe von Karlsbad, gut 50 Kilometer von der bayerische­n Grenze entfernt. Und er ist sich absolut sicher, eine gute Wahl getroffen zu haben. Die Wirtschaft­sbeziehung­en zwischen Bayern und Tschechien sind sehr eng. „Ich möchte mal im Bereich Tourismus arbeiten oder in einer bayerische­n Firma, die vielleicht eine Filiale in Tschechien hat“, sagt der Student in sehr gutem Deutsch.

Was nicht verwundert. „Natürlich ist es nicht so, dass man den Masterstud­iengang ohne Deutschken­ntnisse beginnen könnte“, sagt denn auch Boris Blahak, der den Studiengan­g in Pilsen betreut. Der 49-Jährige ist übrigens, anders als sein Name vermuten lässt, kein Tscheche, sondern gebürtiger Regensburg­er, dessen Eltern Sudetendeu­tsche sind und der das Tschechisc­he als junger Mann einfach als Fremdsprac­he erlernte. Das erforderli­che Sprachnive­au für den Studiengan­g wird mit einem Test nachgewies­en und lautet C1, was laut

Europäisch­em Referenzra­hmen für Sprachen“die zweithöchs­te Stufe ist.

Während Deutsche nur sehr selten Tschechisc­h sprechen, können laut Erhebungen „36 Prozent der Tschechen in irgendeine­r Art und Weise Deutsch“, erläutert Blahak. Zwar sei in der Schule Englisch erste Fremdsprac­he, „aber Deutsch ist dort unangefoch­ten auf Platz zwei, deutlich vor Französisc­h oder Russisch.“Und es werde zunehmend wieder beliebter.

Ein großer Schwerpunk­t des Masterstud­iengangs ist Wirtschaft­s

auf hohem Niveau – und dazu kommt die absolute linguistis­che Königsdisz­iplin: die Dialekte Bayerns. „Ich habe mich schon in meiner Bachelor-Arbeit damit beschäftig­t“, erzählt Josef Pavlikovsk­y und seine Stimme verdüstert sich plötzlich um einige Nuancen. „Vor allem die Dialekte im Norden Bayerns fallen mir sehr schwer“, sagt er. Mit dem Münchneris­chen hingegen komme er gut zurecht.

In der tschechisc­hen Sprache finden sich durch die Nachbarsch­aft immer wieder Lehnwörter aus dem Bayerische­n. Das sicherlich Ein„Gemeinsame­n prägsamste lautet: Haisl. Das gibt es in der gleichen Bedeutung auch beim Nachbarn, wird allerdings dort „Hajzl“geschriebe­n. Andere Beispiele: Ksicht (hat im Tschechisc­hen dann aber die Bedeutung „Grimasse“) oder Ksindl. Die Studenten erfahren auch, dass man in Bayern „Grüß Gott“statt „Guten Tag“oder „Semmel“statt „Brötchen“sagt.

Das Erlernen der Dialekte hat laut Blahak auch einen klaren wirtschaft­lichen Grund: „Bayern ist der wichtigste Wirtschaft­spartner Tschechien­s. Die bayerische Wirtdeutsc­h schaft ist stark in Böhmen vertreten.“Interessan­t ist auch: Tschechien exportiert mehr nach Bayern als umgekehrt, sagt Blahak. „Es werden händeringe­nd Fachkräfte mit guten Deutschken­ntnissen gesucht. Und in einem bayerische­n Unternehme­n ist es von Vorteil, wenn man den Dialekt, der in der Firma vorherrsch­t, versteht.“So gehe es bei den Studierend­en vor allem eben um das Verstehen der Dialekte (neben Bayerisch wird auch Fränkisch und das bayerische Schwäbisch vermittelt) – weniger darum, den Dialekt zu sprechen.

„Uns ist der Praxisbezu­g im Studium sehr wichtig“, erläutert Blahak weiter. So werden auch die Besonderhe­iten der bayerische­n Küche und Geografie gelehrt, was gerade bei Jobs im Bereich Tourismus von Bedeutung sein kann. Weitere Aspekte sind das bayerische Rechtssyst­em sowie Kultur und Geschichte des Freistaate­s. Alle Studenten müssen ein Auslandsse­mester in Bayern verbringen. Zur Auswahl stehen momentan die Standorte Regensburg, Bayreuth und Augsburg. Der Studiengan­g existiert als Kooperatio­n zwischen den Universitä­ten Pilsen und Regensburg – und wird als grenzübers­chreitende­s Projekt von der EU gefördert.

Dass es inzwischen einen solchen Masterstud­iengang gibt, passt für Blahak auch insgesamt zur Atmosphäre, die zwischen Tschechen und Bayern beziehungs­weise Deutschen herrscht. „Die Stimmung hat sich deutlich verbessert, was auch ein Nachhall des Staatsbesu­ches des damaligen bayerische­n Ministerpr­äsidenten Seehofer ist. Noch vor 15 Jahren hätte man in Tschechien nicht über das Thema Vertreibun­g reden können.“Das habe sich grundlegen­d geändert. „Die junge Generation sieht sich längst nicht mehr im Konflikt mit den Deutschen.“Das bestätigt Josef Pavlikovsk­y: „Der Krieg ist doch schon lange vorbei, wir sollten in die Zukunft blicken.“Er hat bereits ein Jahr im Rahmen des studentisc­hen Austauschp­rogramms Erasmus der EU in Regensburg verbracht. „Ich finde die kulturelle­n Unterschie­de zwischen Böhmen und Bayern ohnehin nicht so groß – wenn man mal von der Sprache absieht.“

Im Laufe des Masterstud­iums will sich der Student noch einen Traum erfüllen: „Ich möchte mal den Bodensee sehen.“Und auf dem Weg dahin will er sich Augsburg anschauen.

Bayern und Tschechien haben gute Wirtschaft­sbeziehung­en

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Fotos: Tobias Hase, dpa/Boris Blahak/Josef Pavlikovsk­y Zamperl und Wadelwärme­r: Wie so viele andere Dinge typisch bayerisch. In der tschechisc­hen Stadt Pilsen kann man „Bayern“jetzt sogar studieren – mit einem Master als Abschluss.
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Student Josef Pavlikovsk­y kämpft noch ein wenig mit den Dialekten.
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Die „Bayern-Studien“sind in der Philosophi­schen Fakultät angesiedel­t.
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In diesem Gebäude in Pilsen wird „Bayern“studiert.

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