Unwetter treffen Österreich schwer
Ungewöhnlich große Schneemengen, heftige Temperaturschwankungen und Regenfälle lassen das Land nicht zur Ruhe kommen. Auch in Südtirol herrscht noch Lawinenchaos
Wien/Bozen „Vom Brenner bis nach Oberkärnten setzt Schneefall, in tiefen Lagen Regen ein“– so lautet auch am Montag wieder der Wetterbericht. Nach drei Tagen Regen und Schnee müssen Bewohner und Rettungskräfte in Österreich weiter auf alles gefasst sein. In vielen Regionen Österreichs hat es in den vergangenen Tagen stark geregnet. Der Boden ist mit Feuchtigkeit gesättigt und Berghänge rutschen ab. In Bad Kleinkirchheim in Kärnten wurde ein 80-jähriger Mann getötet, als eine Mure sein Haus völlig zerstörte. Nach mehrstündiger Suche wurde er am Montag gefunden. Er hatte nach seiner Quelle sehen wollen, als sich die Mure löste.
In Bad Gastein schob eine Mure ein Haus in ein anderes. In jedem der Häuser wurde eine Frau verletzt. Sie hatten es nicht schnell genug nach draußen geschafft. Eine der beiden musste zwei Stunden auf ihre Befreiung warten; denn auch für die Helfer bestand wegen des rutschenden Hangs Lebensgefahr.
In Osttirol ist dabei Schnee im November keine Seltenheit. In die
Jahr gingen bereits jetzt Neuschneelawinen ab. Heiligenblut am Großglockner war seit Freitag nicht mehr zu erreichen. Unter dem nassen und schweren Schnee brachen Bäume zusammen, das Hochspannungsnetz hielt nicht und Stromkabel rissen, sodass mehrere tausend Menschen keinen Strom erhielten.
Ein Sprecher des Stromversorgers Tinetz sprach von „einer Situation, wie wir sie noch nie hatten“. Den Bauern, die mit Notstromaggregaten ausgerüstet sind, fehlt über kurz oder lang der Diesel. Ganze Ortsteile mussten evakuiert werden. 70 Bewohner des Osttiroler Ortes Prägaten mussten mit Hubschraubern ausgeflogen werden, als sich eine Lawine in den Ortskern ergoss.
Auch die Straße zum Stubaier Gletscher musste gesperrt werden. 250 Menschen im Gletschergebiet wurden eingeschlossen. Eine riesige Lawine verschüttete die Straße und erfasste dabei einen Kleinbus. Die sechs Passagiere blieben unverletzt. Im südlichen Salzburg, in Bruck, Fusch und Rauris wurde Zivilschutzalarm ausgelöst, für 200 Menschen gab es keine Straßenverbindung. Doch nicht nur Straßen, darunter die Tauernautobahn, auch zahlreiche Bahnlinien wurden gesperrt. Muren rissen die Gleise aus dem Boden. Die betroffenen Täler waren nicht mehr zu erreichen. Auch Fernverkehrszüge sind davon betroffen, besonders in Richtung Süden, aber auch auf der West-OstAchse.
An diesem Dienstag sollen einige Schulen in Kärnten und Osttirol wieder geöffnet werden. Bis dahin wurde die Bevölkerung aufgefordert, ihre Häuser möglichst nicht zu verlassen. Eltern, die sich Sorgen machen, dass ihren Kindern auf dem Schulweg etwas passieren könnte, dürfen sie weiter zu Hause behalten. Besonders in Kärnten wird damit gerechnet, dass Seen über die Ufer treten. Zuletzt hatten ähnliche Wetterlagen in den 60er und 70er Jahren Schaden angerichtet.
Auch in weiten Teilen Südtirols war die Situation am Montag noch angespannt. Besonders kritisch ist die Lage im Martelltal, einem Seitental des Vinschgaus. Dort war es am Sonntag zu mehreren Lawinenabgängen gekommen, zeitweise war das Tal nicht mehr zu erreichen. Nachdem eine Nassschneelawine am Sonntagmorgen das Dorf Martell erreicht hatte, liefen dort am Monsem tag die Aufräumarbeiten auf Hochtouren. Mit Baggern wurden Tonnen von Nassschnee weggeräumt. Die Lawine hatte mehrere Häuser beschädigt, verletzt wurde niemand. In weiten Teilen Südtirols herrscht nach wie vor die zweithöchste Lawinenwarnstufe vier.
„Eine spezielle Wetterkonstellation sorgte in den letzten Wochen immer wieder für Kaltluftausbrüche aus Norden bis ins Mittelmeer“, erklärt Chef-Meteorologe Joachim Schug von Meteogroup in der Schweiz. Im Mittelmeerraum aber sei das Wasser nach dem warmen Sommer immer noch sehr warm. „Es entstand ein Tief nach dem anderen, die sehr feuchte Luft zur Alpensüdseite schaufelten.“Daher sei in höheren Lagen mit einer Südströmung viel Schnee gefallen. Auf der Alpennordseite gab es kaum Regen oder Schnee. Meteorologe Schug sagt: „Am Mittwoch kommen wir endlich aus der Tiefdrucklage heraus, dann stellt sich die Wetterlage um.“Es werde auch auf der Alpennordseite wieder freundlicher und milder. In den Hochlagen der Allgäuer Alpen liegt derzeit ein guter halber Meter Schnee, auf der Zugspitze sind es 85 Zentimeter.