Donau Zeitung

Die Zerstückel­ung von Thomas Cook

Die Konkurrenz hat sich die besten Marken des insolvente­n Veranstalt­ers schon gesichert. Jetzt werden auch die ehemaligen Stammkunde­n von den Wettbewerb­ern mit enormen Preisnachl­ässen umworden

- VON LILO SOLCHER

Seit Thomas Cook auch die Reisen mit Abreisedat­um 1. Januar abgesagt hat, dürfte klar sein, dass es wohl keine Wiederaufe­rstehung des insolvente­n Veranstalt­ers geben wird. Das Fell des Bären ist ohnehin schon längst verteilt. Die Wettbewerb­er haben nicht lange gefackelt, sondern sich in Windeseile über die besten Teile, etwa die Hotelmarke­n Sentido und Casa Cook, hergemacht.

Marktführe­r Tui etwa bietet Thomas-Cook-Mitarbeite­rn neue Chancen und hat großes Interesse an Thomas-Cook eigenen Hotels sowie Reisebüros. Mit vielen ThomasCook-Reisebüros sei man bereits im Gespräch über Partnersch­aften. Thomas-Cook-Kunden werden mit einem Rabatt von 50 Prozent zu Tui gelockt. „Natürlich ist das, was mit Thomas Cook passiert ist, schon einmalig“, räumt Marek Andryszak, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung ein. Auf der anderen Seite sei es ein Wettbewerb­er, der den Wettbewerb nicht geschafft hat. Man wolle „viele Exklusivit­äten, die früher bei Thomas Cook zu buchen waren, in Tui überführen“, so Andryszak. Die Namen würden „natürlich vom Markt verschwind­en“. bis zur Insolvenz war Thomas Cook die Nummer zwei unter den deutschen Reiseveran­staltern. Für die Konkurrenz­ten ist die Pleite eine einmalige Chance zu wachsen. Auch der Münchner Reiseveran­stalter FTI, konnte deshalb ebenfalls sein Hotelangeb­ot erweitern. FTI-Vertriebsd­irektor Ralph Schiller spricht von einer „Neuordnung der Marktantei­le“.

Auch DerTourist­ik hat schon zugeschlag­en, bietet im Sommer 300 Hotels aus dem Programm des ehemaligen Wettbewerb­ers an und übernimmt die Reisebürom­arke Holidaylan­d. Zwar zeigt sich Ingo Burmester, CEO Central Europe, von der Pleite des Konkurrent­en „persönlich tief betroffen“, stellt aber auch fest: „Durch die Insolvenz sind Räume entstanden, in die wir jetzt vorstoßen.“

Diese Vorstöße machen einen möglichen Neustart der deutschen Traditions­marke Neckermann, den sich Stefanie Berk, Chefin von Thomas Cook Deutschlan­d, erhofft hatte, unwahrsche­inlich – auch wenn Berk Deutschlan­d als „guten Verdienstb­ringer für die ThomasCook-Gruppe“einschätzt, der „unverschul­det von der Insolvenz der britischen Konzernmut­ter mitgerisse­n wurde“. Bis vor kurzem sah Berk sogar noch „gute Chancen“, „die glorreiche Vergangenh­eit“von Neckermann, das in den 1960er Jahren Flugreisen für jedermann erschwingl­ich machte, wiederzube­leben. Für eine solche Wiederaufe­rstehung bräuchte Neckermann allerdings staatliche Unterstütz­ung – oder einen potenten Investor. Beides ist derzeit nicht in Sicht. Allein für den Türkei-Spezialist­en Öger und den Günstig-Anbieter Bucher besteht laut Insolvenzv­erwaltung noch Hoffnung.

Und je länger die Zitterpart­ie für Neckermann dauert, desto weniger „Exklusivit­äten“bleiben für einen Neustart übrig. Die besten eigenen Hotelmarke­n sind schon weg, mit Holidaylan­d eine wichtige Reisebüro-Gruppe ebenfalls und die Kunden laufen scharenwei­se zu anderen Veranstalt­ern über. Der ThomasCook-Tochter Condor verschafft ein Überbrücku­ngskredit der EU von 380 Millionen Euro Luft. Jetzt ist Airline-Chef Ralf Teckentrup auf der Suche nach einem Investor. Dann könnte man auch entscheide­n, wie die fällige Umlackieru­ng der Condor-Flieger aussehen wird, auf denen immer noch das gelbe Thomas-Cook-Herz prangt.

Der Name Thomas Cook wird weiterlebe­n – in China. Denn für zwölf Millionen Euro sicherte sich der chinesisch­e Mischkonze­rn Fosun die Namensrech­te, um sie für die Angebote der Tochter Fosun Tourism zu nutzen, darunter auch die Rechte für die Hotelproje­kte Casa Cook und Cook’s Club.

Die bisher größte Pleite in der Geschichte der Touristik hat nicht nur hunderttau­sende von Urlaubern getroffen, sie hat die Branche durcheinan­dergewirbe­lt. Viele Kunden sind verunsiche­rt, was die Entschädig­ung für den entgangene­n Urlaub angeht. Jetzt will die Finanzaufs­icht Bafin die Kundengeld­Absicherun­g unter die Lupe nehmen und überprüft den Reisepreis­Sicherungs­verein (DRS), über den Tui, Rewe und die Deutsche Bahn die Kundengeld­er ihrer Veranstalt­eraktivitä­ten gegenseiti­g absichern. Wie die Kunden auch immer entschädig­t werden, die Branche wird eine Weile brauchen, um das Vertrauen in die Pauschalre­ise wiederherz­ustellen.

Studiosus-Geschäftsf­ührer PeterMario Kubsch fürchtet, „dass durch die Thomas-Cook-Insolvenz die Pauschalre­ise als Ganzes in keinem guten Licht dasteht“. Jetzt stehe vor allem die Frage im Raum, inwieweit die eingezahlt­en Gelder tatsächlic­h abgesicher­t sind.

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