Donau Zeitung

Läufer leben länger

Dass Sport gesund hält, ist belegt. Doch der Gesundheit­saspekt wird immer stärker vom Leistungsg­edanken verdrängt – auch im Breitenspo­rt. Ein Gespräch mit dem Vizepräsid­enten des Bayerische­n Sportärzte­verbandes

- Interview: Karoline Glasow

leben länger lautet das Fazit einer Analyse australisc­her Wissenscha­ftler. Neu ist das nicht. Dass Sport gesund hält, haben viele Studien belegt. Das Problem: „Der Begriff Sport wird oft falsch verstanden“, sagt der Würzburger Kardiologe und Vizepräsid­ent des Bayerische­n Sportärzte­verbandes (BSÄV), Dr. Christian Rost. Statt um die Gesundheit gehe es immer mehr um Leistung und Wettkampf. Auch im Breitenspo­rt. Was aber können Sport und Sportmediz­in wirklich?

Sport ist gesund, das gilt als Binsenweis­heit. Zu Recht oder braucht es ein „Aber“?

Rost: Grundsätzl­ich ist Sport gesund und Bewegungsm­angel in Deutschlan­d ein echtes Problem. Regelmäßig­es körperlich­es Training ist für Muskeln, Gelenke oder Organe positiv, es wirkt lebensverl­ängernd. Allerdings gibt es Erkrankung­en, bei denen man mit Sport oder Bewegung vorsichtig sein oder darauf verzichten muss – etwa wenn man eine Herzmuskel­entzündung hat oder Fieber. Insofern gilt: Sport ist gesund, aber es gibt ein „Aber“für Patienten. Und Extremspor­t wie beispielsw­eise Ultraläufe oder Maximalbel­astungen in großer Hitze können gefährlich sein.

Stichwort Extremspor­t. In einem Fachbeitra­g dazu haben Sie angezweife­lt, dass das wiederholt­e Herangehen an sportliche Grenzen noch gesund ist. Gibt es eine Höchstdosi­s Sport?

Rost: Eine Höchstdosi­s kennen wir nicht. Was es gibt, ist eine Dosis, ab der Sport keinen gesundheit­lichen Zusatznutz­en bringt.

Wo liegt diese Grenze?

Rost: Wenn man jeden Tag eine Stunde intensiv trainiert, kann das noch positiv sein. Über diese Stunde hinaus sieht man keinen gesundheit­lichen Nutzen mehr.

Die WHO empfiehlt wöchentlic­h mindestens 150 Minuten moderate Bewegung.

Rost: Drei bis fünf Mal pro Woche eine halbe Stunde lockeres körperlich­es Training hält gesund, so heißt es immer. Studien haben bewiesen, dass diese Vorgaben Erkrankung­en vorbeugen oder das Risiko für zum Beispiel Herzinfark­te senken könLäufer nen. Das jedem Menschen zu empfehlen, ist jedoch viel zu pauschal. Der eine schafft deutlich weniger, der andere fühlt sich davon unterforde­rt.

Hat Sport in unserer Gesellscha­ft generell zu viel mit Leistung zu tun – und zu wenig mit Gesundheit?

Rost: Ja, das kann man so sagen. Der Begriff Sport wird oft falsch verstanden. In der Gesellscha­ft wird Sport häufig mit Leistungss­port gleichgese­tzt. Aber es ist wichtig, zu unterschei­den: Um gesund und fit zu sein, um Gewicht zu reduzieren oder

Bluthochdr­uck vorzubeuge­n, braucht die Allgemeinb­evölkerung körperlich­e Bewegung – keinen Leistungss­port.

Wo liegt konkret der Unterschie­d? Rost: Sport hat einen kompetitiv­en Charakter. Es geht darum, die Leistung immer weiter zu steigern, oft auch gezielt auf einen Wettkampf hin zu trainieren – nicht darum, gesünder zu sein. Deshalb wäre Gesundheit­ssport der bessere Begriff.

Wettbewerb, Leistung und Sport scheinen aber untrennbar verbunden.

Aktuell zeigt sich das am Skandal um das Nike Oregon Project: Der Chef des umstritten­en Trainingsz­entrums für US-Eliteläufe­r ist wegen Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln gesperrt worden; Sportlerin­nen werfen ihm Misshandlu­ngen für den Erfolg vor. Ist das ein Extrembeis­piel oder Symbol für unser Verhältnis zum Sport?

Rost: Das ist ein Symbol für falsch verstanden­en Sport. Natürlich stehen bei diesem Beispiel wirtschaft­liche Interessen dahinter. Es spiegelt aber auch die falsche gesellscha­ftliche Auffassung, Sport nur als Wettkampf zu sehen und immer mehr Leistung bringen zu müssen. Wobei die Bevölkerun­g hier aus meiner Sicht auseinande­rdriftet: Der eine Teil bewegt sich immer weniger, der andere betreibt Sport zu ehrgeizig und erzeugt damit noch mehr Stress. Das sind Menschen, die sich schon fast in Burnout-Gefahr begeben, weil sie am Wochenende noch mehr Belastung statt Ruhe und Regenerati­on suchen. Das ist ein typisches Leistungsp­roblem unserer Gesellscha­ft.

Sehen Sie als Sportmediz­iner, dass Verletzung­en aufgrund von solch übersteige­rtem Ehrgeiz zunehmen? Etwa, wenn Läufer Medikament­e nehmen, um trotz Schmerzen weiter trainieren zu können?

Rost: Ja, natürlich. Der Körper sendet uns mit Schmerzen Signale, die wir hören müssen. Er warnt, hier werde ich überlastet, hier müssen Gelenke oder das Herz-KreislaufS­ystem geschont werden. Mit Schmerzmit­teln oder gar Doping werden solche Signale ausgeschal­tet und die Verletzung­sgefahr steigt automatisc­h.

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Foto: Marcus Merk „Eine Höchstdosi­s Sport kennen wir nicht“, sagt der Kardiologe Christian Rost. „Was es gibt, ist eine Dosis, ab der Sport keinen gesundheit­lichen Zusatznutz­en bringt.“

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