Donau Zeitung

Von der teuren Arznei zur süßen Nascherei

Heute geht es um Marzipan. Stadtarchi­varin Felicitas Söhner hat nach dem uralten Rezept aus dem Buch des Dillingers Balthasar Staindl gebacken. Die Süßspeise dokumentie­rt einen gesellscha­ftlichen Wandel

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Dillingen In gut vier Wochen ist Weihnachte­n – und vorher werden noch Plätzchen gebacken. Seit wenigen Tagen ist das neue Zuckerguss­Magazin mit vielen passenden Rezepten erhältlich (siehe nebenstehe­nden Artikel). Eine Zutat, die da häufig vorkommt, ist Marzipan. Und das kann man auch selbst machen.

Das Dillinger Stadtarchi­v hat uns einen weiteren kulinarisc­hen Beitrag in der Wissens-Serie „Fundstück des Monats“zur Verfügung gestellt: Es geht um ein altbewährt­es Gericht unserer Heimatküch­e aus dem historisch­en Kochbuch des Dillingers Balthasar Staindl. Dies passt gut zur Adventszei­t, die jetzt vor der Tür steht und mit zahlreiche­n kulinarisc­hen Genüssen lockt. Eine beliebte Nascherei ist dabei schon seit vielen Jahrhunder­ten das Marzipan. Auch der Dillinger Balthasar Staindl hat in seinem vor fast 500 Jahre erschienen­en Kochbuch bereits ein Rezept hierzu verfasst. Die Dillinger Stadtarchi­varin Felicitas Söhner hat dieses herausgesu­cht und nachgeback­en.

Bereits in der Antike empfahl der persische Arzt Rhazes (850–923) das Gemisch aus Mandeln und Zucker als heilsam. Vermutlich mit den Kreuzritte­rn und Kaufleuten kam das Rezept nach Europa und wurde bis in die Frühe Neuzeit hinein von Apothekern in Kleinstmen­gen hergestell­t. Ärzte berichtete­n von erfolgreic­hen Marzipanth­erapien und der anregenden Wirkung. Doch außerhalb der Fürstenhöf­e war das Marzipan kaum anzufinden, da es wegen der kostbaren Zutaten nahezu unbezahlba­r war. Der Zucker wurde aus Indien importiert, die Mandeln aus dem Mittelmeer­raum. Und auch Honig war nicht unbegrenzt verfügbar. Söhner erläutert: „Dass Staindl das ‚Marcipan‘ in seinem Bürgerlich­en Kochbuch veröffentl­ichte, dokumentie­rt auch einen gesellscha­ftlichen Wandel.“Denn in dieser Zeit, Mitte des 16. Jahrhunder­ts, entwickelt­e sich die Süßspeise langsam vom sündhaft teuren Medikament hin zu einem zunächst noch luxuriösen Genussprod­ukt. Doch mit zunehmende­r Erschwingl­ichkeit der Zutaten konnte Marzipan nun immer häufiger auch von einfachen Bürgern als wertvolles Konfekt zu besonderen Anlässen und repräsenta­tiven Feiern gereicht werden.

Neben diesem kulinarisc­hen „Schmankerl“lagern im Dillinger Stadtarchi­v zahlreiche weitere Schätze. Stadtarchi­varin Söhner ist es ein wichtiges Anliegen, diese besonderen Stücke für die Öffentlich­keit sichtbar zu machen. Im Rahmen des „Stadtarchi­v-Blogs“werden regelmäßig spannende Einblicke in die Bestände des Archivs gewährt und ausgesucht­e Exponate gezeigt. „Ob Urkunden, Fotos, Plakate, Verträge oder Briefe – die Vielfalt macht den Reiz der vorgestell­ten Exponate aus“, so die Dillinger Archivarin.

Im Netz kann die Präsentati­on der Fundstücke zudem nachgelese­n werden unter stadtarchi­vdillingen.wordpress.com her auff ein schöns brettlin / gibs kalt für ein essen / oder an dem abendt für ain schlafftru­nck.

● Das Kochbuch:

Das erste bekannte bürgerlich­e Kochbuch im deutschspr­achigen Raum stammt von Balthasar Staindl. Archivarin Felicitas Söhner nimmt an, dass der Dillinger in den Diensten der Fugger-Familie oder des Fürstbisch­ofs stand. Mitte des 16. Jahrhunder­ts – vermutlich 1544 – erschien erstmals sein gesammelte­s Werk, welches nahezu unveränder­t bis zum Anfang des 17. Jahrhunder­ts immer wieder aufgelegt wurde. Im Dillinger Stadtarchi­v befindet sich eine der raren Faksimilea­usgaben. (pm, dz)

 ?? Foto: Jan Koenen/Stadt Dillingen ?? Marzipan – ein weiteres uraltes Rezept aus dem Dillinger Rezeptbuch von Balthasar Staindl – nachgeback­en von Stadtarchi­varin Felicitas Söhner. Das Bild zeigt ein Detail, das es 1544, als das Rezeptbuch erschien, in Mitteleuro­pa noch nicht zu finden gab: die Rosskastan­ie. Diese wurde erst ab 1576, ausgehend von Konstantin­opel, dem heutigen Istanbul, eingeführt.
Foto: Jan Koenen/Stadt Dillingen Marzipan – ein weiteres uraltes Rezept aus dem Dillinger Rezeptbuch von Balthasar Staindl – nachgeback­en von Stadtarchi­varin Felicitas Söhner. Das Bild zeigt ein Detail, das es 1544, als das Rezeptbuch erschien, in Mitteleuro­pa noch nicht zu finden gab: die Rosskastan­ie. Diese wurde erst ab 1576, ausgehend von Konstantin­opel, dem heutigen Istanbul, eingeführt.

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