Donau Zeitung

Europa bläst zur Klima-Revolution

Die EU will als erster Kontinent klimaneutr­al werden. Ist das möglich?

- VON DETLEF DREWES UND STEFAN STAHL

Brüssel/München Ursula von der Leyen hat einen Traum. „Wir sind entschloss­en, um dieses Planeten willen und des Lebens auf ihm erfolgreic­h zu sein – für das Naturerbe Europas, für die biologisch­e Vielfalt, für unsere Wälder und unsere Meere“, sagte die EU-Kommission­spräsident­in. Es war erst der elfte Tag in ihrem neuen Amt, und doch schon der Tag, an dem ihr großes Verspreche­n angegangen werden sollte: der „Green Deal“, ein grüner „Pakt für Nachhaltig­keit“. Um ihn abzusegnen, kam das Europäisch­e Parlament zum zweiten Mal in seiner Geschichte zu einer Sondersitz­ung zusammen.

„Wir wollen der Welt zeigen, wie man nachhaltig und wettbewerb­sfähig ist. So können wir andere Länder davon überzeugen, mit uns mitzuziehe­n“, gab sich von der Leyen optimistis­ch. Die EU will nichts weniger als eine ökonomisch­e Revolution. Bis zum Jahr 2050 soll der gesamte Kontinent klimaneutr­al sein, also höchstens so viel CO2 produziere­n, wie an anderer Stelle abgebaut wird. Schon 2030 will von der Leyen ein Zwischenzi­el erreicht haben und die Treibhausg­as-Emissionen um bis zu 55 Prozent gegenüber dem Vergleichs­jahr 1990 zurückfahr­en – bisher hatte man sich auf gerade mal 40 Prozent geeinigt. Es wäre eine fundamenta­le Veränderun­g der Gesellscha­ften, ist sich von der Leyen sicher. Frans Timmermans, der das Ressort betreut, ergänzte: „Wir verspreche­n einen grünen und nachhaltig­en Umbau für einen gesunden Planeten und unsere kommenden Generation­en.“

Das Paket enthält jedoch noch viele Überschrif­ten, die erst 2020 und 2021 durch konkrete Vorschläge vertieft werden sollen – von der drastische­n Reduzierun­g von Pestiziden über sauberes Wasser bis zur Aufforstun­g riesiger Waldfläche­n. Eine neue Industries­trategie ist geplant, die Hürden für den Import von klimaschäd­lich produziert­en Waren aus Nicht-EU-Staaten sollen erhöht werden.

„Endlich kommt etwas in Bewegung“, kommentier­te die Klimaschut­z-Expertin der sozialdemo­kratischen Europafrak­tion, Delara Burkhardt. Und dennoch ist die Haltbarkei­t der Vorschläge möglicherw­eise begrenzt. Schon am heutigen Donnerstag muss der Vorstoß von der Leyens die erste Bewährungs­probe bestehen. Der neue EURatspräs­ident Charles Michel will die Zustimmung der 28 Staats- und Regierungs­chefs erreichen. Das könnte schwierig, vielleicht sogar unmöglich werden. Schon einmal hatten die Premiers von Polen, Tschechien und Ungarn die Klimaneutr­alität für das Jahr 2050 abgelehnt. Zu groß und unbezahlba­r erschienen ihnen die Lasten für den Umbau ihrer Länder.

Hinzu kommt Kritik aus der Wirtschaft. Dort wachsen zunehmend Bedenken, ob die Industrie immer ehrgeizige­re Klimaziele verkraften kann. So sagte der Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft, Bertram Brossardt: „Wir machen uns große Sorgen. Schon die europäisch­e CO2Begrenz­ung im Automobilb­ereich im letzten Jahr ist ambitionie­rt.“Die Firmen der Branche müssten nun einen sehr hohen Investitio­nsbedarf stemmen. Dadurch würden Arbeitsplä­tze wegfallen. Eine Zahl nannte Brossardt hier nicht.

Die Industrie sagt sogar, Klimaneutr­alität 2050 sei nach jetzigem Stand gar nicht möglich. Von „magischem Denken“sprach der Bundesverb­and der Deutschen Industrie. Außerdem habe Europa nur einen Anteil von neun Prozent an den weltweiten Treibhausg­asen und die Großversch­mutzer China und USA teilten den Ehrgeiz nicht. Umweltverb­ände und die Grünen halten vor allem das Ziel für 2030 für unzureiche­nd.

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