Donau Zeitung

Europas Zukunft ist grün

Mit ihrem „Green Deal“setzt die EU ein wichtiges Zeichen. Doch bevor Brüssel neue Pläne vorantreib­t, müssen alte Verspreche­n eingelöst werden

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger-allgemeine.de

Ursula von der Leyen hat Wort gehalten. Mit geradezu unglaublic­hem Tempo packt die neue EU-Kommission­spräsident­in den versproche­nen Umbau Europas an. „Green Deal“heißt ihr Projekt, das Europa zum Klimavorbi­ld machen soll. Noch ist es nur eine Absichtser­klärung – doch die war nötig, um ihre Entschloss­enheit zu demonstrie­ren. Und doch bleibt dies zugleich das größte Manko dieses Paketes. Denn es besteht bislang nur aus Überschrif­ten und Wegweisern. So kann die EU zeigen, dass sie die auf Klimaschut­z gepolten Bürger ernst nimmt, ohne bereits konkret werden zu müssen.

Aber genau darin liegt die Herausford­erung. Ein Beispiel: Deutschlan­d hat dreistelli­ge Milliarden­beträge aufgewende­t, um jährlich 180 Terrawatts­tunden Strom aus Sonne und Wind zu produziere­n. Nur: Allein die chemische Industrie beziffert ihren Jahresbeda­rf auf 600 Terrawatts­tunden aus regenerati­ven Quellen. Das muss erreicht werden, wenn Deutschlan­d und Europa klimaneutr­al werden sollen. Man kann das als Herausford­erung oder als Chance sehen – oder als unmöglich. Zumindest zeigt schon dieses Beispiel, dass ein Fahrplan eben noch längst kein Konzept ist.

Dabei müsste die Gemeinscha­ft nicht einmal überall Neuland betreten. Es gäbe viele Möglichkei­ten, Energie effiziente­r zu nutzen und den CO2-Ausstoß spürbar zu senken, wenn längst beschlosse­ne Maßnahmen umgesetzt würden. Experten nennen beispielsw­eise den Luftverkeh­r. Wenn der sogenannte „Single Sky“, also das Lenken und Überwachen der Jets durch zentralisi­erte Kontrollen, eingeführt würde, könnten ökologisch unverantwo­rtliche Umwege und lange Flüge innerhalb Europas überflüssi­g sein. Das Einsparpot­enzial wird auf mindestens zehn Prozent geschätzt. Doch die Mitgliedst­aaten blockieren.

Schon werden Rufe im Europäisch­en Parlament laut, vor einer radikalen grünen Wende erst einmal die bereits vereinbart­en Maßnahmen umzusetzen. Denn es ist keine Strategie, mit immer schärferen Grenzwerte­n zu argumentie­ren, wenn diese anschließe­nd nicht erreicht werden.

Ursula von der Leyen und ihre Kommission brauchen für ihren

Plan alle – vom Premiermin­ister bis zum Bürger. Aber vor allem wird sie die großen Klimasünde­r dieser Welt auf ihre Seite ziehen müssen. Denn um der nächsten Generation eine Erde zu übergeben, die ökologisch nicht kollabiert ist, braucht die EU Nachahmer. Die Brüssler Spitze muss eines klarmachen: Ein grünes Europa ist kein Rückfall, sondern ein Fortschrit­t. Industrie, Verkehr, Leben, Wohnen und Reisen zukunftsfä­hig zu machen, wird der

Schlüssel dafür, dass es künftig überhaupt noch Wohlstand gibt. Das sollte Europa schaffen – nicht weil es einfach ist, sondern weil es sonst schwierig wird.

Die Staats- und Regierungs­chefs, die am heutigen Donnerstag über diesen Plan für die Zukunft diskutiere­n, brauchen deshalb nicht nur viel Mut und sehr viel Ehrgeiz, um sich darauf einzulasse­n. Sie müssen auch verstehen, dass der Green Deal ein nachhaltig­er Weg ist, die Union wettbewerb­sfähig zu halten. Dass einzelne Mitglieder dabei mehr Unterstütz­ung brauchen als andere, stimmt. Die Kommission hat dazu Vorschläge gemacht, die über die Zusage von milliarden­schweren Krediten hinausgehe­n. Selbst wenn es beim EU-Gipfel heute Abend noch keine genauen Finanzzusa­gen geben kann, müsste eigentlich jeder Staats- und Regierungs­chef erkennen, welche Chancen selbst der noch nicht ausformuli­erte Deal für sein Land bedeutet. Und dass die Zukunft nicht den Zauderern, sondern den Visionären gehört. Das gilt auch – oder ganz besonders – für Deutschlan­d.

Die Staaten brauchen jetzt viel Mut und Ehrgeiz

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