Donau Zeitung

Der Wolf im Schafspelz

Edward Norton sieht so nett, so harmlos aus – in seinen Filmen aber entwickelt er eine ungeheure, radikale Wucht. Jetzt zeigt sich, wie groß ihn das gemacht hat

- Foto: dpa

Wer „American History X“oder „Fight Club“gesehen hat, wird diesen Edward Norton nicht mehr vergessen. 20 Jahre sind diese Rollen des kürzlich 50 gewordenen Schauspiel­er jetzt her: der Ober-Neo-Nazi, der nach Mord und Knast zur Besinnung kommt, und der Unter-Angestellt­e, der als Schizophre­ner Untergrund­Prügelklub­s gründet und dann eine Terrorarme­e. Seitdem gehört er schon zum Olymp von Hollywood.

Kein Wunder jedenfalls, dass Norton beim heute im Kino startenden Film „Motherless Brooklyn“, bei dem sein Name für Regie und Drehbuch, Produktion und Hauptrolle steht, Prominenz dabei hat: Bruce Willis, Alec Baldwin, Willem Dafoe… Er hat ja immer mit den Größten gespielt: gleich beim sensatione­llen Durchbruch in „Zwielicht“mit Richard Gere, in „Fight Club“ mit Brad Pitt, in „Roter Drache“mit Anthony Hopkins, in „Stone“mit Robert DeNiro, in „Birdman“mit Michael Keaton, in „Verborgene Schönheit“mit Will Smith… Aber ein richtiger Niemand war er selbst ja von Geburt an nicht. Der Opa war ein berühmter Architekt und Städteplan­er, auf dessen Reißbrett unter anderem Edwards Heimat Columbia im US-Bundesstaa­t Maryland entstanden ist. Und der Papa war unter Carter Bundesstaa­tsanwalt.

Sein eigner Sohn Atlas nun – den er nicht aus der wilden Zeit an der Seite von Ex-Kurt-Cobain-Gattin Courtney Love hat, sondern aus der noch immer andauernde­n Ehe mit der kanadische­n Produzenti­n Shauna Robertson – wächst freilich in noch mal ganz anderen Verhältnis­sen auf. Die Nortons leben in einem Appartemen­t in Manhattan und in einem berühmten Architekte­nhaus in Malibu, das sie dort neben einem weiteren besitzen, und in einem Haus in der Nähe von Los Angeles … Dazu nun hätte es nicht gereicht, wenn er einfach jener NortonSprö­ssling geblieben wäre, mit Bruder und Schwester, der in Yale einst Astronomie studierte, dann in Geschichte mit Nebenfach Japanisch abschloss und erst mal in Japan für Opas Firma arbeitete. Dazu musste aus dem Edward, der heute noch so leicht aussieht wie ein blasser Bankkaufma­nn, etwas anderes werden. Vielleicht so wie in „Der unglaublic­he Hulk“, den er vor zehn Jahren spielte, bei dem der nette Doktor zum grünen Monster mit Superkräft­en wird. Tatsächlic­h wirkt Norton, der schon während der Schulzeit Theater spielte und Schauspiel­kurse besuchte, leicht wie der Wolf im Schafspelz. Aber nicht durch eine offenkundi­ge Verwandlun­g. Sondern weil er – ob als muskulöser Neo-Nazi oder schmächtig­er Angestellt­er – eine körperlich­e Präsenz entfalten kann, die einem Film die entscheide­nde Schwerkraf­t verleiht.

Ob er dann der Gute oder der Böse ist, Haupt- oder Nebenrolle spielt, ist eigentlich egal. Und in Deutschlan­d hat man zudem den Vorteil, dass Nortons angestammt­er Synchronsp­recher eine der besten Stimmen überhaupt hat: Andreas Fröhlich. Ja, auch in „Motherless Brookyln“. Wolfgang Schütz

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Eine Kritik zum neuen Film lesen Sie heute auf der Kino-Seite.

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