Donau Zeitung

Neue Koalition in Rom stürzt ins Chaos

Die Mitte-Links-Regierung ist erst hundert Tage im Amt, aber völlig zerstritte­n. Rechtspopu­list Salvini lauert bereits

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Es sollte alles besser werden, nachdem die alte Regierung in Rom mitten in den Sommerferi­en geplatzt war. Der damalige Innenminis­ter Matteo Salvini hatte die Krise provoziert, Ministerpr­äsident Giuseppe Conte kündigte dann das Bündnis. Die Populisten-Allianz aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega war am Ende. Statt Neuwahlen, auf die Salvini es abgesehen hatte, folgte eine neue Koalition. Die linkspopul­istischen Fünf Sterne regieren mit der sozialdemo­kratischen Partei PD. Hundert Tage ist diese Regierung unter erneuter Führung von Premier Giuseppe Conte nun im Amt. Schon jetzt gibt es Spekulatio­nen über ihr vorzeitige­s Ende.

In drei Monaten trafen sich die Minister bereits 24 Mal zur Krisensitz­ung. Kaum ein politische­r Beobachter glaubt ernsthaft, dass das Kabinett von Conte das Ende der Legislatur­periode im Jahr 2023 erreicht, das käme im politisch wankelmüti­gen Italien auch einem Wunder gleich. Stattdesse­n, so scheint es, ist jede inhaltlich­e Diskussion Anlass für einen Koalitions­krach. „Die Regierung wird auf diese Weise nicht weitermach­en können“, sagt der linke Politik-Beobachter Emanuele Macaluso. „Die Unterschie­de zwischen den Regierungs­parteien kommen immer mehr zum Vorschein.“

Ursprüngli­ch wurde die Regierung von Fünf Sternen, PD und der linken Gruppierun­g LeU getragen. Inzwischen ist ein vierter Partner mit im Bunde. Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi scherte mit seinen Leuten aus der Demokratis­chen Partei aus, gründete Italia Viva und lässt im Bemühen um Sichtbarke­it bei den Wählern aber keine Chance aus, die Regierungs­politik zu kritisiere­n. Einer geplanten Steuer auf Plastikver­brauch und Zuckerprod­ukte erteilte er nun eine Absage.

Renzi ist ein unangenehm­er Stachel im Fleisch der Mehrheit. Das größte Problem der Koalition ist allerdings ihr Hauptaktio­när, die Fünf-Sterne-Bewegung. Bei den Wahlen 2018 wurde die vom Satiriker Beppe Grillo gegründete Partei noch stärkste Kraft. Seit sie vor einem Jahr mit Salvinis Lega eine Allianz einging, geht es bergab. Wer sind die Fünf Sterne noch, fragen viele Italiener. Eine basisdemok­ratisch ausgericht­ete Links-Bewegung oder einfach nur ein populistis­cher Abklatsch der Lega, mit der sie über ein Jahr lang koalierte?

Die Fünf Sterne stecken mitten in einer existenzie­llen Krise. Nur noch 16 Prozent der Wähler würden ihnen laut Umfragen noch die Stimme geben. In einem populistis­chen Wettstreit mit der Konkurrenz von der Lega stellen sich die Sterne nun vor allem quer. In der Koalition wird über Steuern, Verjährung­sfristen, den Umgang mit dem Stahlwerk Ilva in Taranto, das Wahlrecht und den Haushalt für 2020 gestritten. Der vergangene Monat stand ganz im Zeichen einer Diskussion über die Reform des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us ESM, der im Januar in Brüssel beschlosse­n werden soll. Die Fünf Sterne beteiligte­n sich am Scheingefe­cht, dass der ESM besonders deutschen Interessen zum Vorteil gereiche. Der Corriere della Sera hingegen beobachtet­e, „dass Di Maio nur einen Vorwand für den Koalitions­bruch“suche.

Luigi Di Maio ist Chef der Fünf Sterne, er steht intern unter scharfer Kritik. Die Sterne schnitten bei der EU-Wahl im Mai schlecht ab, die Regionalwa­hl in Umbrien vor sechs Wochen geriet zu einem Desaster.

Di Maios Autorität wird parteiinte­rn infrage gestellt, es gibt Flügelkämp­fe und Gerüchte über Parlamenta­rier, die den Fünf Sternen den Rücken kehren wollen.

Parteigrün­der Grillo sprang Di Maio im November zur Seite und unterstric­h dessen Führungsro­lle. Nun soll eine neue 18-köpfige Führungsst­ruktur wieder mehr Ordnung bringen. Mit dem Koalitions­Chaos schaden sich die Parteien selbst. Schon lange waren die Rahmenbedi­ngungen nicht so günstig für Italien. Die neue EU-Kommission in Brüssel signalisie­rt Flexibilit­ät bei den Finanzen, mit Paolo Gentiloni amtiert nun sogar ein sozialdemo­kratischer Italiener als Wirtschaft­sund Währungsko­mmissar. Dass die Regierung die BlockadePo­litik Salvinis in der Migrations­frage beendet hat, fällt im Gesamtbild kaum ins Gewicht.

Drei Monate nach dem Ende der Populisten-Regierung droht beim nächsten schweren Koalitions­krach das Ende der Allianz. Dass es dann nicht zu einer erneuten Allianz, sondern zu Neuwahlen kommt, ist wahrschein­lich. Lega-Chef Matteo Salvini, der große Verlierer dieses Sommers, könnte dann mithilfe einer Rechts-Koalition italienisc­her Ministerpr­äsident werden.

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Foto: Livieri, dpa Ministerpr­äsident Giuseppe Conte: Wenn die Koalition bis Ende der Legislatur­periode 2023 hält, käme das in Italien einem Wunder gleich.

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