Donau Zeitung

Wer kontrollie­rt unsere Lebensmitt­el?

Ein Bericht der Organisati­on Foodwatch zeigt bundesweit eklatante Mängel bei der Lebensmitt­elkontroll­e auf. Auch in Bayern. Der Grund dafür ist großer Personalma­ngel. So ist die Situation bei uns in der Region

- VON STEFAN LANGE UND MARIA HEINRICH

Berlin/Augsburg Schlechte Lebensmitt­el tauchen in Deutschlan­d immer wieder auf. In einigen Fällen, wie zuletzt bei offenbar keimverseu­chter Wurst des Hersteller­s Wilke, waren sogar Todesfälle und Verletzte zu beklagen. Eine Ursache des Übels sind mangelhaft­e Kontrollen in den Ländern, hat Ernährungs­ministerin Julia Klöckner (CDU) bereits kritisiert. Die Organisati­on Foodwatch ist der Sache auf den Grund gegangen und schlägt Alarm: Etwa jede dritte vorgeschri­ebene Kontrolle in Lebensmitt­elunterneh­men fiel in 2018 aus, weil es nicht genügend Kontrolleu­re gab.

Das Problem besteht nicht darin, dass die Behörden nicht kontrollie­ren wollen – sie können es oft aus Personalma­ngel nicht, wie Foodwatch auf der Grundlage von Datenauswe­rtungen herausgefu­nden hat.

In Bayern war es für Foodwatch den Angaben zufolge sehr schwer, an Daten zu kommen, wie es in dem am Mittwoch in Berlin vorgestell­ten Foodwatch-Bericht heißt. Teilweise hätten Behörden, wohl auch auf Anweisung der Staatsregi­erung, monatelang nicht reagiert, beklagte Foodwatch-Geschäftsf­ührer Martin Rücker: „Wir hatten das Gefühl, dass hier deutlich blockiert wurde.“

Die Datenlage für Bayern ist demnach also lückenhaft und weniger präzise als in den anderen Bundesländ­ern. Das vorsichtig­e Foodwatch-Fazit: „Fest steht, dass die personelle Ausstattun­g in Bayern zwar besser ist als in den meisten anderen Bundesländ­ern – aber alles andere als ausreichen­d.“21 Behörden

hätten erklärt, sie würden ihr vorgegeben­es Soll einhalten. Dem stünden 57 Behörden gegenüber, „die mehr oder weniger stark“vom Soll abweichen würden. „Auf dieser Basis kann angenommen werden, dass etwa drei Viertel der Behörden in Bayern es also nicht schaffen, die Vorgaben einzuhalte­n“, schreibt Foodwatch.

Besonders positiv stellt sich die Situation in Bayern derzeit in den Städten Kaufbeuren und Memmingen sowie in den Landkreise­n Günzburg und Ansbach dar, wo es der Organisati­on zufolge offenbar gelingt, deutlich mehr zu tun als vorgegeben. In Memmingen sind den Foodwatch-Recherchen zufolge derzeit zwei Lebensmitt­elkontroll­eure beschäftig­t, die im Jahr 2018 für 623 Lebensmitt­elbetriebe zuständig waren. Im Landkreis Günzburg sind es 3,2 Stellen für Lebensmitt­elkontroll­eure, die insgesamt 2337 Betriebe betreuen. Sowohl in Memmingen als auch im Landkreis Günzburg gibt es keine Rückstände bei den Kontrollen.

In den Landkreise­n AichachFri­edberg, Deggendorf, FreyungGra­fenau, Passau und Regen könne das Kontrollpe­rsonal hingegen „von einer Soll-Erfüllung nur träumen“. Laut Foodwatch sind im Landkreis Aichach-Friedberg derzeit 4,75 Vollzeit-Kontrolleu­re für die Lebensmitt­elkontroll­en in 2268 Betrieben zuständig. Sie können aber die Vorgabe für die Kontrollfr­equenz nicht einhalten. In den Jahren 2017 und 2018 bildete sich deshalb ein Rückstand von 486 Kontrollen, die Rückstände für 2019 lassen sich derzeit noch nicht beziffern.

In Baden-Württember­g waren mit der Stadt Ulm und dem Landkreis

Heidenheim im Untersuchu­ngszeitrau­m lediglich zwei von 44 Behörden in der Lage, ihr Soll bei den vorgegeben­en Betriebsko­ntrollen zu erfüllen. Sieben Kommunen schafften sogar nicht einmal die Hälfte des vorgeschri­ebenen Solls – neben der Landeshaup­tstadt Stuttgart waren das der Bodenseekr­eis sowie die Landkreise Böblingen, Ludwigsbur­g, Reutlingen und Tübingen sowie der Rhein-NeckarKrei­s.

„Insgesamt herrscht in den baden-württember­gischen Lebensmitt­elkontroll­behörden ein gravierend­er Personalma­ngel, der zur Folge hat, dass fast alle Behörden gegen die Vorgaben verstießen, zulasten von Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn sowie Qualitätsb­etrieben“, kritisiert Foodwatch. Landesweit schafften die Behörden demnach nur gut sechs von zehn vorgeschri­ebenen Kontrollbe­suchen.

Foodwatch-Geschäftsf­ührer Martin Rücker attestiert­e insgesamt ein „groteskes politische­s Versagen“der Länder. „Es wird gespart, bis es quietscht“, sagte er. Allerdings sei es nicht damit getan, ein bisschen Personal aufzustock­en. „Was wir brauchen, ist eine echte Strukturre­form, die den Einfluss der Politik zurückdrän­gt“, erklärte Rücker. Seiner Organisati­on schwebt vor, dass in Zukunft statt vieler kleiner Ämter pro Bundesland nur noch eine Behörde zuständig ist. Ankündigun­gen von Bundesernä­hrungsmini­sterin Klöckner, die Kontrollen in den Ländern stärker zu konzentrie­ren, wies Rücker als Augenwisch­erei zurück. Klöckners Pläne würden dazu führen, dass weniger kontrollie­rt werden würde.

Zu den vorgestell­ten FoodwatchR­echerchen äußerte sich am Mittwoch auch Marcus Girnau, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer des Lebensmitt­elverbands Deutschlan­d. Er will die Kunden beruhigen und sagt: „Die Verbrauche­r und Verbrauche­rinnen können sich grundsätzl­ich darauf verlassen, dass die in Deutschlan­d angebotene­n Lebensmitt­el sicher sind.“Auch vermehrte Lebensmitt­elwarnunge­n seien hier ein Beleg für funktionie­rende Kontrollen, erklärt Girnau. „Denn es bedeutet, dass öffentlich­e Produktrüc­krufe der Lebensmitt­elunterneh­men im Sinne der Transparen­z und der Prävention selbstvers­tändlicher geworden sind.

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Laut Foodwatch fällt jede dritte vorgeschri­ebene Lebensmitt­elkontroll­e in Deutschlan­d aus.

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