Wer kontrolliert unsere Lebensmittel?
Ein Bericht der Organisation Foodwatch zeigt bundesweit eklatante Mängel bei der Lebensmittelkontrolle auf. Auch in Bayern. Der Grund dafür ist großer Personalmangel. So ist die Situation bei uns in der Region
Berlin/Augsburg Schlechte Lebensmittel tauchen in Deutschland immer wieder auf. In einigen Fällen, wie zuletzt bei offenbar keimverseuchter Wurst des Herstellers Wilke, waren sogar Todesfälle und Verletzte zu beklagen. Eine Ursache des Übels sind mangelhafte Kontrollen in den Ländern, hat Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) bereits kritisiert. Die Organisation Foodwatch ist der Sache auf den Grund gegangen und schlägt Alarm: Etwa jede dritte vorgeschriebene Kontrolle in Lebensmittelunternehmen fiel in 2018 aus, weil es nicht genügend Kontrolleure gab.
Das Problem besteht nicht darin, dass die Behörden nicht kontrollieren wollen – sie können es oft aus Personalmangel nicht, wie Foodwatch auf der Grundlage von Datenauswertungen herausgefunden hat.
In Bayern war es für Foodwatch den Angaben zufolge sehr schwer, an Daten zu kommen, wie es in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Foodwatch-Bericht heißt. Teilweise hätten Behörden, wohl auch auf Anweisung der Staatsregierung, monatelang nicht reagiert, beklagte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker: „Wir hatten das Gefühl, dass hier deutlich blockiert wurde.“
Die Datenlage für Bayern ist demnach also lückenhaft und weniger präzise als in den anderen Bundesländern. Das vorsichtige Foodwatch-Fazit: „Fest steht, dass die personelle Ausstattung in Bayern zwar besser ist als in den meisten anderen Bundesländern – aber alles andere als ausreichend.“21 Behörden
hätten erklärt, sie würden ihr vorgegebenes Soll einhalten. Dem stünden 57 Behörden gegenüber, „die mehr oder weniger stark“vom Soll abweichen würden. „Auf dieser Basis kann angenommen werden, dass etwa drei Viertel der Behörden in Bayern es also nicht schaffen, die Vorgaben einzuhalten“, schreibt Foodwatch.
Besonders positiv stellt sich die Situation in Bayern derzeit in den Städten Kaufbeuren und Memmingen sowie in den Landkreisen Günzburg und Ansbach dar, wo es der Organisation zufolge offenbar gelingt, deutlich mehr zu tun als vorgegeben. In Memmingen sind den Foodwatch-Recherchen zufolge derzeit zwei Lebensmittelkontrolleure beschäftigt, die im Jahr 2018 für 623 Lebensmittelbetriebe zuständig waren. Im Landkreis Günzburg sind es 3,2 Stellen für Lebensmittelkontrolleure, die insgesamt 2337 Betriebe betreuen. Sowohl in Memmingen als auch im Landkreis Günzburg gibt es keine Rückstände bei den Kontrollen.
In den Landkreisen AichachFriedberg, Deggendorf, FreyungGrafenau, Passau und Regen könne das Kontrollpersonal hingegen „von einer Soll-Erfüllung nur träumen“. Laut Foodwatch sind im Landkreis Aichach-Friedberg derzeit 4,75 Vollzeit-Kontrolleure für die Lebensmittelkontrollen in 2268 Betrieben zuständig. Sie können aber die Vorgabe für die Kontrollfrequenz nicht einhalten. In den Jahren 2017 und 2018 bildete sich deshalb ein Rückstand von 486 Kontrollen, die Rückstände für 2019 lassen sich derzeit noch nicht beziffern.
In Baden-Württemberg waren mit der Stadt Ulm und dem Landkreis
Heidenheim im Untersuchungszeitraum lediglich zwei von 44 Behörden in der Lage, ihr Soll bei den vorgegebenen Betriebskontrollen zu erfüllen. Sieben Kommunen schafften sogar nicht einmal die Hälfte des vorgeschriebenen Solls – neben der Landeshauptstadt Stuttgart waren das der Bodenseekreis sowie die Landkreise Böblingen, Ludwigsburg, Reutlingen und Tübingen sowie der Rhein-NeckarKreis.
„Insgesamt herrscht in den baden-württembergischen Lebensmittelkontrollbehörden ein gravierender Personalmangel, der zur Folge hat, dass fast alle Behörden gegen die Vorgaben verstießen, zulasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Qualitätsbetrieben“, kritisiert Foodwatch. Landesweit schafften die Behörden demnach nur gut sechs von zehn vorgeschriebenen Kontrollbesuchen.
Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker attestierte insgesamt ein „groteskes politisches Versagen“der Länder. „Es wird gespart, bis es quietscht“, sagte er. Allerdings sei es nicht damit getan, ein bisschen Personal aufzustocken. „Was wir brauchen, ist eine echte Strukturreform, die den Einfluss der Politik zurückdrängt“, erklärte Rücker. Seiner Organisation schwebt vor, dass in Zukunft statt vieler kleiner Ämter pro Bundesland nur noch eine Behörde zuständig ist. Ankündigungen von Bundesernährungsministerin Klöckner, die Kontrollen in den Ländern stärker zu konzentrieren, wies Rücker als Augenwischerei zurück. Klöckners Pläne würden dazu führen, dass weniger kontrolliert werden würde.
Zu den vorgestellten FoodwatchRecherchen äußerte sich am Mittwoch auch Marcus Girnau, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland. Er will die Kunden beruhigen und sagt: „Die Verbraucher und Verbraucherinnen können sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die in Deutschland angebotenen Lebensmittel sicher sind.“Auch vermehrte Lebensmittelwarnungen seien hier ein Beleg für funktionierende Kontrollen, erklärt Girnau. „Denn es bedeutet, dass öffentliche Produktrückrufe der Lebensmittelunternehmen im Sinne der Transparenz und der Prävention selbstverständlicher geworden sind.