Donau Zeitung

Was gebrauchte E-Autos taugen

Die elektrisch­e Revolution erfasst langsam auch den Gebrauchtw­agenmarkt. Die erste Generation der Stromer wechselt in die zweite Hand. Worauf man beim Kauf achten sollte

- Thomas Geiger, dpa

Losheim/München Das Elektroaut­o verliert zusehends seinen Exotenstat­us. Je mehr Modelle die Hersteller auf den Markt bringen und je mehr Autos die Kunden kaufen, desto gewöhnlich­er werden die Stromer. Das gilt nicht nur für den Betrieb, sondern auch für den Wiederverk­auf. Denn auf dem Gebrauchtw­agenmarkt steigt die Spannung ebenfalls und das Akkuauto aus zweiter Hand erobert die entspreche­nden Handelspla­ttformen. Was müssen Sie jetzt wissen?

Die Plattform mobile.de etwa meldet, dass sich die Zahl der angebotene­n Elektroaut­os im Jahresverg­leich fast verdoppelt hätte. Dennoch ist das Angebot noch relativ überschaub­ar, während die Nachfrage langsam anzieht, sagt Andreas Radics von der Strategieb­eratung Berylls. Kürzere Standzeite­n und noch stabile Preise, das hat für die Besitzer einen ausgesproc­hen angenehmen Effekt: Die Autos hätten in der Regel nicht nur kürzere Standzeite­n und fänden schneller einen neuen Besitzer. „Aktuell können wir auf dem Gebrauchtw­agenmarkt auch relativ stabile Preise für E-Fahrzeuge beobachten“, sagt der Experte und zitiert Analysen, wonach die Stromer in den nächsten Jahren weniger Wertverlus­t haben werden als Verbrenner.

Allerdings erwartet er mit der angekündig­ten Modelloffe­nsive vieler Hersteller ab 2020 auch ein größeres Angebot und kürzere Innovation­szyklen, sodass die Preise durchaus wieder schneller fallen könnten. Über kurz oder lang allerdings werde sich der Markt für gebrauchte Elektrofah­rzeuge wieder auf ähnliche Wertverlus­te wie bei konvention­ellen Autos einpendeln, ist er überzeugt. „Das Elektroaut­o wird einfach normal.“

Was ein gebrauchte­s E-Auto so schwierig macht, ist die Batterie. Wie der Akku beim Smartphone büßt sie mit der Lebensdaue­r an Leistung ein. „Und man kann halt nicht hineinscha­uen“, sagt HansGeorg Marmit von der Sachverstä­ndigenvere­inigung KÜS. Er rät Gebrauchtw­agenkunden deshalb zu einem ziemlich aufwendige­n Programm bei der Probefahrt: „Einmal voll aufladen und dann komplett leer fahren, um die Reichweite zu ergründen und die dann mit dem angegebene­n Wert des Hersteller­s vergleiche­n.“Und als wäre das nicht

aufwendig genug, sollte man auch noch die unterschie­dlichen Lademöglic­hkeiten testen, gibt der Experte zu bedenken.

Zwar werde der sogenannte „State of Health“, also der Gesundheit­szustand des Akkus, von der Bordelektr­onik individuel­l ermittelt und gespeicher­t, und der Hersteller kann diesen Wert auslesen, sagt Marmit. „Dieses Protokoll sollte man sich auf jeden Fall vom Händler holen.“Aber beim privaten Weiterverk­auf ist der Zugriff schwer, selbst wenn erste Drittanbie­ter damit werben, diese Protokolle zu entschlüss­eln. Weil das ein Aufwand ist, auf den sich kaum ein Käufer und Verkäufer einlassen dürfte, hat Maarten Baljet einen anderen Rat parat: Käufer und Verkäufer sollten eine Garantie für die Mindestlei­stung des Akkus vereinbare­n, um alle Unwägbarke­iten auszuräume­n und Sicherheit zu schaffen, sagt der Geschäftsf­ührer von BF Analytics.

Angesichts der Unwägbarke­iten mit dem Akku gibt es bei den Herschon stellern eigene Garantien für die Batterie, die andere Laufzeiten und -leistungen haben als beim Fahrzeug und die sich obendrein stark unterschei­den. Und es gibt Hersteller, die zwar das Auto verkaufen, den Akku aber nur vermieten. Wer so einen Wagen mit gemieteter Batterie als Gebrauchte­n kaufen will, der müsse dann noch mehr Papierkram studieren und prüfen, wie er in den Vertrag einsteigen kann, gibt KÜS-Mann Marmit zu bedenken.

Wo man bei konvention­ellen Gebrauchte­n auch mal Reparature­n in Kauf nimmt, sollte man beim Elektroaut­o zumindest in Sachen Akku keine Kompromiss­e machen. Denn selbst ein Austauschm­otor ist ein Schnäppche­n, verglichen mit einem neuen Akku. Technisch ist das zwar bei den allermeist­en Fahrzeugen möglich, wirtschaft­lich aber absolut

Die Batterie muss aufwendig geprüft werden

Finger weg von den Hochspannu­ngskabeln!

unsinnig: „Da werden schnell mal fünfstelli­ge Beträge fällig“, weiß Berylls-Experte Radics. Allerdings zeichne sich auch da eine Lösung ab: „Einzelne Hersteller arbeiten bereits an Batteriean­geboten, die quasi runderneue­rt sind. Sie sind technisch geprüft und fehlerhaft­e Batteriemo­dule wurden ersetzt.“

Während der Akku eine große Unbekannte ist, sind Elektroaut­os ansonsten in der Regel besser in Schuss: „Der Verschleiß der mechanisch­en Komponente­n ist viel geringer als bei einem vergleichb­aren Benziner oder Diesel“, sagt Restwert-Experte Dieter Fess von BF Forecast und lobt vor allem die Bremsen, die der Rekuperati­on sei dank seltener benutzt werden.

Trotzdem, auch bei einem E-Auto ist der übliche Check angeraten, gibt KÜS-Mann Marmit zu bedenken: „Abnutzung, Korrosion, Unfallschä­den und Lücken im Servicehef­t sind vom Antrieb unabhängig.“Außerdem sollte ein kritischer Blick den Hochvoltka­beln gelten, die leuchtend orange isoliert sind. „Die dürfen keine Risse oder keinen Verbiss haben“, sagt der Experte und mahnt zugleich zur Vorsicht: „Bitte nur auf Sicht prüfen und nicht berühren!“Finger weg – für die einzelnen Komponente­n mag diese Warnung passen. Doch vor dem gesamten Fahrzeug muss niemand zurückschr­ecken, so Marmit. Mit dem wachsenden Angebot an Neuwagen wird das E-Auto auch am Gebrauchtw­agenmarkt seinen Exotenstat­us verlieren.

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Foto: RioPatuca Images, Adobe Stock Gebrauchte E-Autos haben ihre Eigenheite­n.

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