Donau Zeitung

Bundesregi­erung hilft Thomas-Cook-Urlaubern

Nach der Insolvenz des Reiseunter­nehmens sollen Pauschalto­uristen nun ihr Geld zurückbeko­mmen. Wie genau, ist aber noch unklar

- VOn LILO SOLCHER

Augsburg Die Pleite der deutschen Thomas Cook kommt den Fiskus teuer zu stehen. Die Schadenssu­mme liegt nach vorläufige­n Berechnung­en mit 287,4 Millionen Euro deutlich über der versichert­en Summe von 110 Millionen Euro, wie der Versichere­r Zurich am Mittwoch mitteilte.

Von der Haftungssu­mme von 110 Millionen Euro hätten bereits 59,6 Millionen Euro für die Heimholung von Urlaubern aufgewende­t werden müssen, hieß es weiter. Somit blieben 50,4 Millionen Euro übrig. Für Kunden bedeutet das, dass weniger als ein Fünftel der Schäden noch gedeckt ist. Daraus ergebe sich eine Quote in Höhe von 17,5 Prozent für die Regulierun­g der Ansprüche der Thomas-Cook-Kunden. „Wir werden in den nächsten Tagen mit der Regulierun­g entspreche­nd der Quote beginnen“, erklärte Horst Nussbaumer, Vorstand bei der Zurich Gruppe. Dieser Prozess werde einige Wochen dauern.

Die Bundesregi­erung hatte zuvor angekündig­t, Pauschalur­laubern helfen zu wollen. „Die Differenz zwischen dem, was von der Kundenvers­icherung erstattet wird und dem, was offen bleibt, übernimmt der Staat“, sagte Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD).

Wie die Verbrauche­r an ihr Geld kommen sollen und um welche Summen es sich handelt, ist noch unklar. Über das genaue Vorgehen werde noch mit dem Insolvenzv­erwalter und der Versicheru­ng gesprochen, sagte Lambrecht. Die Bundesregi­erung kündigte ein „möglichst einfaches und kostenfrei­es Verfahren“an. „Die Kunden müssen aktuell nicht selbst aktiv werden, um ihre Rechte zu wahren“, hieß es. Die Regierung werde Anfang 2020 „über die weiteren Schritte informiere­n“.

Anders als Individual­touristen sind Pauschalur­lauber versichert, wenn ihr Reiseveran­stalter pleite geht und die gebuchten Ferien ausfallen. Doch im Fall des Branchenri­esen Thomas Cook zeigten sich die Grenzen der gesetzlich­en Sicherung, die in Deutschlan­d auf 110 Millionen Euro pro Versichere­r gedeckelt ist.

Die deutsche Thomas Cook, die in den Sog der Pleite der britischen Mutter geraten war, hatte am 25. September Insolvenza­ntrag gestellt und anschließe­nd schrittwei­se alle gebuchten Reisen abgesagt, zuletzt Trips mit Abreisedat­um vom 1. Januar 2020 an. Auch wenn sie bereits ganz oder teilweise bezahlt worden waren. Nach jüngsten Angaben der Insolvenzv­erwalter sind 525 000 Urlauber von dem Reisestopp betrofes fen. Es handelt sich dabei allerdings nicht ausschließ­lich um Pauschalur­lauber.

Der Kemptener Reiserecht­ler Ernst Führich hält die versproche­ne finanziell­e Hilfe der Bundesregi­erung nicht für ein „Weihnachts­geschenk“. Die Zusage, die Differenz der Summe, die Thomas-CookKunden vom Versichere­r Zurich „oder von anderer Seite zurückerha­lten haben“auszugleic­hen, sei vielmehr ein vorweggeno­mmenes Eingeständ­nis, dass „der Deutsche Gesetzgebe­r aber auch der europäisch­e Gesetzgebe­r eine zu großzügige Deckelung zugelassen hat“. Allerdings, so Führich, sei die Pauschalre­iserichtli­nie etwas widersprüc­hlich. Einerseits lege sie fest, dass der Reiseveran­stalter „in vollem Umfang“die Kundengeld­er absichern müsse. Anderersei­ts stehe da aber auch: Ein wirksamer Insolvenzs­chutz heißt nicht, dass sehr unwahrsche­inliche Risiken berücksich­tigt werden müssen. Und „sehr unwahrsche­inlich“sei eben die Insolvenz eines oder mehrerer Großverans­talter. „Too big to fail“habe da immer geheißen – zu groß, um zu scheitern. Insofern lasse die Richtlinie also sehr wohl eine Deckelung zu, argumentie­rt der Reiserecht­ler. Allerdings seien 110 Millionen zu wenig, schließlic­h versichere Zurich zwei Drittel der deutschen Veranstalt­er. In Zukunft müsse die Deckelung deutlich erhöht werden, womöglich auf 500 Millionen, um solche Schadensfä­lle zu verhindern.

Dabei sei auch zu bedenken, dass „wir ein Oligopol haben“von drei bis vier großen Veranstalt­ern und ebenso ein Oligopol von zwei großen Versichere­rn. „Wenn so ein Versichere­r mit 110 Millionen haftet, ist das eindeutig zu wenig“, kritisiert Führich. Seiner Meinung nach könnte sich die Bundesregi­erung an der österreich­ischen Lösung orientiere­n, die den Umsatz des Veranstalt­ers berücksich­tigt. Wer hohe Umsätze hat und vom Kunden hohe Vorauszahl­ungen kassiert, müsse demnach auch höhere Versicheru­ngsprämien zahlen.

Mit ihrem Schritt, so Führich, käme die Bundesregi­erung möglichen Klagen zuvor. Erste Anwälte haben sich bereits in Stellung gebracht. Sie werfen dem Gesetzgebe­r vor, geltendes EU-Recht nicht korrekt umgesetzt zu haben. Führich erinnert an die Pleite von MP Travel, damals der größte Konkurs der Tourismusg­eschichte. 1990 habe der Europäisch­e Gerichtsho­f die Bundesrepu­blik zur Zahlung von 24 Millionen D-Mark verpflicht­et, weil sie die Reisericht­linie nicht fristgerec­ht umgesetzt habe. Würde die Regierung jetzt die ThomasCook-Kunden im Regen stehen lassen, gäbe es mit Sicherheit einen Shitstorm und es wäre das Ende der Pauschalre­ise, die ja immer mit dem Argument verkauft werde, sicher zu sein. „Vor Weihnachte­n wäre eine solche Entscheidu­ng der GAU“, so Führich.

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Foto: Marcel Kusch, dpa Thomas-Cook-Kunden können hoffen, ihr Geld zurückzube­kommen.

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