Donau Zeitung

Wenn auch ein Sieg nicht mehr genug ist

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Carlo Ancelotti ist kein Mann für den schnöden Liga-Alltag. Der Italiener, der die ganze Palette menschlich­er Gefühlsreg­ungen mit einem Zucken seiner Augenbraue abdecken kann, ist einer für die großen Spiele. Gleich drei Mal gewann er in seiner Karriere die Champions League. Dieser Wettbewerb scheint auch im negativen Sinne das Schicksal des Trainers zu sein: Im September 2017 musste er nach einem 0:3 gegen Paris seinen Stuhl als Trainer des FC Bayern räumen. Er nahm seine Demission mit einem Augenbraue­nzucken hin, um wenig später beim SSC Neapel anzuheuern.

Dort machte der 60-Jährige am Dienstagab­end sein letztes Spiel. Das Kuriose daran: Neapel hatte die Partie gegen den KRC Genk mit 4:0 gewonnen und damit das Ticket fürs Achtelfina­le gelöst. In der K.-o-Runde wird jedoch ein anderer Trainer an der Seitenlini­e des SSC stehen: Direkt nach dem Spiel gab der Klub die Trennung bekannt.

Trainer werden für gewöhnlich eher nach Niederlage­n entlassen – manchmal reichen aber selbst Siege nicht, um den Job zu retten. Beim 1. FC Nürnberg wurde Willi Entenmann 1993 trotz eines 2:0-Erfolges gegen Bayern München entlassen. Jupp Heynckes gewann 1998 mit Real Madrid die Champions League und wurde anschließe­nd vor die königliche Tür gesetzt.

Ancelotti nahm die Posse um seinen Abschied gelassen, zuckte mit der Augenbraue und erklärte ungerührt, dass das Team sein Leistungsv­ermögen nicht dauerhaft hatte abrufen können. Tatsächlic­h war der Liga-Alltag in dieser Saison nicht die Stärke Neapels gewesen, in den vergangene­n sieben Spielen in der Serie A gab es keinen Sieg. Über das Zerwürfnis mit Präsident Aurelio de Laurentiis verlor Ancelotti ebenso wenig ein Wort wie über den Umstand, dass mit Gennaro Gattuso sein Nachfolger schon seit einer Woche in den Startlöche­rn stand. Nur wer genau hingesehen hat, dürfte ein leichtes Zucken der Augenbraue vernommen haben. Auch im Abschied ist Ancelotti ein Großer.

Das lässt sich nicht für alle Vereinsfun­ktionäre dieser Welt sagen.

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Foto: dpa Eine Augenbraue, die vieles verrät: Carlo Ancelotti.
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