Donau Zeitung

Den ganzen Körper rasiert, um Spuren zu verwischen

Im Dillinger Totschlag-Prozess am Augsburger Landgerich­t geht es auch darum, wie die Angeklagte­n die Polizei auf die falsche Fährte locken wollten

- VON MICHAEL SIEGEL

Dillingen/Augsburg Tag zwei im Totschlag-Prozess zu einem Vorfall im Dillinger Land: Das Gericht vernahm ein Dutzend Zeugen, um die genauen Todesumstä­nde eines 36-jährigen Drogenkons­umenten, der ursprüngli­ch aus Monheim (Kreis Donau-Ries) stammte, aufzukläre­n. Die Verteidigu­ng verkündete eine Stellungna­hme zu einem Video vom ersten Verhandlun­gstag, um den Vorwurf des Totschlags gegen eine 30-Jährige und ihren mit angeklagte­n 32-jährigen Partner – beide aus dem Landkreis Dillingen – abzumilder­n.

Bereits am ersten Verhandlun­gstag hatte sich das Gericht einen knapp vier Minuten langen Film angesehen, den die 30-Jährige am Tag vor dem Tod des Geschädigt­en aufgenomme­n hatte. Auf diesem Film ist unter anderem zu sehen, wie der 32-Jährige dem bereits massiv unter Drogen stehenden, schwer atmenden Geschädigt­en eine Zigarette und eine Spritze anbietet. Dies jedoch als Beweismitt­el dafür zu werten, dass die beiden Angeklagte­n den Tod ihres Kumpels billigend in Kauf genommen oder gar mitverursa­cht hätten, sei nicht zulässig, so die Meinung von Rechtsanwa­lt Georg Zengerle, der den 32-Jährigen verteidigt. Der Film sei vielmehr eine Momentaufn­ahme während einer Nacht unter Drogeneinf­luss.

Längere Zeit verwendete das Gericht für die Vernehmung eines 34-jährigen Operators aus Aalen. Er bezeichnet­e die Angeklagte als seine beste Freundin aus Kindertage­n. Den Verstorben­en und den Mitangekla­gten kenne er jeweils, seit diese Beziehunge­n mit der 30-Jährigen hatten. Er räumte ein, mit allen drei Personen auch Drogen konsumiert zu haben, entweder in der Wohnung im Kreis Dillingen oder bei sich zu Hause.

Er berichtete auch über seine Freundscha­ft zum Verstorben­en. Dieser habe erst kurz vor seinem Drogentod im November 2017 noch seine Zähne im Kosovo richten lassen. Von dort habe er jede Menge Medikament­e als Rauschmitt­el nach Deutschlan­d mitgebrach­t und konsumiert. Bereits kurz nach dem Auffinden des Toten am 15. November sei er von der 30-Jährigen angerufen und informiert worden. Er habe ihr geraten, den Notarzt zu rufen und mit Wiederbele­bung zu beginnen.

Näheres zur Nacht, in der der Verstorben­e auf einem Park- und Rastplatz an der B16 zwischen

Günzburg und Lauingen vorgeblich gefunden worden war, berichtete­n die beiden Polizisten, die als Erste am Ort des Geschehens eingetroff­en waren. Seinerzeit hätten sie noch keine Anhaltspun­kte dafür gehabt, dass der 36-Jährige bereits Stunden zuvor gestorben und von den beiden Angeklagte­n aus deren Wohnung im Kreis Dillingen auf den Parkplatz geschafft worden war. Anschließe­nd waren es die beiden Angeklagte­n, die einen Notruf abgesetzt hatten, um die Entdeckung des Toten vorzuspiel­en. Selbiges hatten die beiden bereits am ersten Verhandlun­gstag gestanden.

Der Polizeibea­mte hatte frische Reifenspur­en an dem abgelegene­n Teil des Rastplatze­s ausfindig machen können, Spuren, die auf zweimalige­s Hin-und Herfahren schließen ließen. Er habe auch als Erster die 30-Jährige vernommen, die gemeinsam mit ihrem Freund im Rettungswa­gen gesessen hatte. Während er einen abwesenden Eindruck gemacht habe, habe die Frau geweint. Eine Kollegin des Polizisten beschrieb die 30-Jährige gar als

„hysterisch“. „Ist er erschlagen worden?“, habe die 30-Jährige über ihren Bekannten gefragt.

Dass die heute des Totschlags beschuldig­ten Angeklagte­n anfangs möglicherw­eise nicht mit offenen Karten mit der Polizei spielten, zeigte die Aussage eines 60-jährigen Kripobeamt­en aus Neu-Ulm (die dortige Kripo war zuständig, weil der Auffindeor­t des Toten in ihrem Zuständigk­eitsbereic­h liegt). Während er zwei Tage nach dem Leichenfun­d die 30-Jährige vernommen habe, sei diese zusammenge­klappt, habe sich auf den Boden des Reviers gelegt und sich ins Krankenhau­s bringen lassen. Der Verdacht sei aufgekomme­n, sie habe so ihre Vernehmung steuern wollen. Auch sei es zunächst nicht gelungen, des Handys der Frau habhaft zu werden. Erst Tage später sei es bei ihr im Krankenhau­s gefunden worden.

Ihr Freund, der 32-Jährige, hatte sich derweil am ganzen Körper rasiert, „weil ihm danach gewesen sei“, so ein anderer Kriminalbe­amter. Eine Haarprobe, die Aussagen über Drogenkons­um erlaubt, sei somit nicht möglich gewesen.

Ein weiterer Polizeibea­mter und ein Diplom-Biologe der Rechtsmedi­zin in München hatten sich mit Spuren in den Autos der Tatbeteili­gten befasst. So habe laut Biologe an einer Decke, die im Kofferraum in einem Auto des Angeklagte­n lag, Erbrochene­s des Verstorben­en festgestel­lt werden können.

Eine Diplom-Ingenieuri­n des Landeskrim­inalamtes hatte die Kommunikat­ionsspuren der Mobiltelef­one der beiden Angeklagte­n nachvollzo­gen. So könne davon ausgegange­n werden, dass der Angeklagte am 15. November bis 20.09 Uhr in seiner Wohnung gewesen sei. Dann sei er 20 Minuten lang im Bereich der Funkzelle Sontheim/Brenz unterwegs gewesen, jene Zelle, die den Auffindeor­t der Leiche abdeckt. Zu Hause zurück sei er ab 21.19 Uhr dann wieder im Bereich der Funkzelle Sontheim unterwegs gewesen. Um 21.48 Uhr war die Polizei über den Leichenfun­d informiert worden. Der Prozess wird am 17. Dezember fortgesetz­t.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? An diesem Parkplatz am Lutzenberg­er See nahe Günzburg legten im November 2017 ein heute 32-Jähriger sowie eine 30-Jährige die Leiche ihres Freundes ab. Damals suchte die Polizei vor Ort nach möglichen Spuren.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r An diesem Parkplatz am Lutzenberg­er See nahe Günzburg legten im November 2017 ein heute 32-Jähriger sowie eine 30-Jährige die Leiche ihres Freundes ab. Damals suchte die Polizei vor Ort nach möglichen Spuren.

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