Himmlische Gewürze
Geschmack Weihnachten hat ein besonderes Aroma. Im Glühwein ebenso wie in Hutzelbrot und Christstollen
Advent – das ist der Duft von Bratäpfeln und Vanillekipferln, das sind die alten Lieder und Volksweisen, das sind Strohsterne und Schmuckkugeln, das ist das Staunen über die kleine Welt der Krippen. Die Weihnachtszeit ist ein Fest der Sinne. Eine Serie spürt ihnen nach. Heute das Schmecken.
Glühwein muss sein. „Er ist ein hochemotionales Produkt, getrunken in einer hochemotionalen Zeit“, sagt Jürgen Kunzmann. Seine Kellerei in Dasing (Kreis Aichach-Friedberg) stößt pro Tag bis zu 60 000 Liter aromatisierter Getränke aus. Er muss wissen, wie Weihnachten schmeckt. Zimt, Nelken, Vanille, Anis, Muskatnuss, Zitronat und Orangeat gibt er in den Wein, damit er in die Jahreszeit passt. In diesen Wochen seien „die Sinne geschärft“– also besonders genussfähig.
Wichtigster Geschmacksträger ist natürlich der Wein, ein qualitätvoller bitteschön, denn, so Kunzmann, „aus einem schlechten Wein kann kein guter Glühwein werden“. Also keine Fehlfarben, keine Fehltöne, nicht zu säurebetont. Dornfelder, Merlot und Burgunder bieten sich an, mit Südtiroler Vernatsch wird’s nichts. Dasselbe gilt für Weißweine, die inzwischen schon 40 Prozent des abgesetzten Glühweins ausmachen – weil sie als leichter verträglich gelten. Der Riesling sei zu eigenwillig. Im Hause Kunzmann wird natürlich ständig experimentiert, was am besten harmoniert. Jede Rebsorte will ihre eigene Gewürzmischung.
Aber will man’s zu Weihnachten nicht auch süß und zuckrig – in Zeiten, wo der Zucker seinen guten Ruf verliert? Jürgen Kunzmann hat auf den Trend reagiert – auch wenn er ihn nach wie vor für einen wesentlichen Geschmacksträger hält. Zwei Sorten Glühwein hat er im Angebot, wo die Süße nur aus dem eigenen Traubenmost stammt.
Süß und fruchtig, dabei nahrhaft – so schmeckt das Hutzelbrot. Nur in der Weihnachtszeit wird es gebacken. Und Bäckermeister Hans Reißler aus Weißenhorn sagt: „Das macht eine Mordsarbeit.“Kein Wunder bei den vielen Zutaten, die Reißler verwendet: getrocknete Birnen (die „Hutzeln“), Rosinen in Rum, Feigen, Datteln, getrocknete Aprikosen in Rum, Dörrpflaumen,
Haselnüsse, Zitronat und Orangeat. Nur aufs Gespür will er sich bei der Mixtur nicht verlassen. „Alles wird genau abgewogen nach dem überlieferten Rezept, das wir immer wieder verfeinert und verbessert haben“, erzählt der Bäckermeister, der in fünfter Generation den Betrieb in Weißenhorn führt. Für den abgerundeten, weihnachtlichen Geschmack dürfen natürlich die Gewürze Zimt, Koriander, ein kleines bisschen Nelken „und Rum“nicht fehlen. Den Rum braucht’s übrigens nicht nur für ein kräftiges Aroma, sondern auch dafür, dass das feuchte Früchtebrot länger haltbar bleibt. Aber nach dem Christfest bleibt eh nichts mehr übrig. In alten Zeiten hat in Bayern sogar das Vieh etwas vom Hutzelbrot abbekommen.
Hans-Jürgen Knorr, Bäckermeister bei der Bäckerei Konditorei Wolf in Augsburg, nennt sie „die himmlischen Gewürze“. Er meint damit eine Duftnote, die nur der Weihnachtszeit vorbehalten ist und von denen er sagt, dass sie seine Christstollen unverwechselbar machen. Ein ganzes Bouquet würziger Aromen ist darin enthalten, etwa Zimt, Kardamom, Nelken, Vanille, Ingwer, Muskatnuss, Piment. Bis zu zehn Gewürze mischt Knorr nach Hausrezept. Alles seien naturreine Produkte, auch die Vanille, „die gehandelt wird wie Gold“. Geröstete Mandeln, Zitronat, Rosinen und Rum gehören auch dazu. Knorr stellt die Stollen aus Hefeteig mit eigenem „Dampfl“aus Naturhefe, Milch und Mehl her – und mit viel Butter, die macht ihn saftig, haltbar und aromatisch. Zuletzt sei es die Ruhe, die den Christstollen zum Geschmackserlebnis macht. Drei Tage liege er nach dem Backen, werde mit Butter eingepinselt, gezuckert und zuletzt mit Puderzucker bestäubt.