USA holen zum Schlag gegen Gaspipeline aus
Nord Stream Schwere Belastungsprobe für deutsch-amerikanische Beziehungen
Berlin/Washington Es ist einer der größten Streitpunkte im deutschamerikanischen Verhältnis: die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Nun greifen die USA zu einem drastischen Instrument, um die Gasleitung aus Russland doch noch zu stoppen oder zumindest zu verzögern. Das US-Repräsentantenhaus hat Sanktionen gegen Firmen im Zusammenhang mit Nord Stream 2 auf den Weg gebracht – in seltener Einigkeit zwischen Demokraten und Republikanern. Das Weiße Haus hat bereits deutlich gemacht, dass Präsident Donald Trump das Gesetzespaket unterzeichnen wird. Trump hat schon vor Monaten gewarnt, Deutschland könnte mit der Pipeline zur „Geisel Russlands“werden. Seine Befürchtung: Wenn Deutschland nicht im russischen Interesse handle, könne künftig einfach der Gashahn zugedreht werden. Auch osteuropäische Länder sind daher gegen das Vorhaben.
In Berlin stößt der ungewöhnliche Vorgang auf Empörung. „Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA“, sagt Außenminister Heiko Maas (SPD). „Eingriffe von außen und Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung lehnen wir grundsätzlich ab.“Das Wirtschaftsministerium in Berlin äußerte „Bedauern“. Eine Sprecherin von Minister Peter Altmaier (CDU) sagte, das Haus beobachte nun genau, wie der US-Senat sich verhalte. Die deutsche Wirtschaft in Russland verurteilte die geplanten Sanktionen als Schlag gegen die Energiesicherheit in Europa und rief die Bundesregierung zu Gegenmaßnahmen auf.
Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bislang wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2100 Kilometer des Doppelstrangs
in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Ob die Sanktionen den Ablauf behindern können, ist unklar. „Wir können uns zu etwaigen Auswirkungen auf unser Projekt nicht äußern“, ließ der Sprecher der Nord Stream 2 AG wissen.
Gelassener reagierte Norbert Röttgen, Außenpolitik-Experte der Union. Er glaubt: „Die Sanktionen dürften erst nach Fertigstellung der Pipeline ihre Wirkung entfalten. Sie sollen also wohl vor allem einen politischen und weniger einen rechtlichen Zweck erfüllen“, sagte Röttgen unserer Redaktion. Die Sanktionen seien Ausdruck der überparteilichen, starken Ablehnung von Nord Stream 2 in den USA. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass die USA sich darum bemühen, ihr eigenes Flüssiggas in Europa zu verkaufen, und deshalb politischen Druck aufbauen. Die USA wurden durch Fracking zu einem der größten GasExporteure. Das amerikanische Flüssiggas (LNG) ist im Vergleich zum russischen Gas teurer.
Die Sanktionen richten sich an Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe, mit denen die Rohre für die Gaspipeline durch die Ostsee verlegt werden. Unter anderem zielt dies auf die italienische Firma Saipem. Auch Turkish Stream – eine russische Pipeline, die durch das Schwarze Meer Gas in die Türkei bringen soll – wäre betroffen. Die Sanktionen sollen auch für Folgeprojekte beider Pipelines gelten. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Bestehende Visa sollen widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen sollen blockiert werden können.
Die Gaspipeline Nord Stream 2 wird je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und von den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. (mit dpa)