Donau Zeitung

Kein normaler Mord

Drei Monate nach der Tötung eines Georgiers in Berlin geht die Bundesregi­erung auf Distanz zum Kreml. Moskau reagiert prompt mit der Ausweisung deutscher Diplomaten. Droht eine neue Eiszeit in den Beziehunge­n?

- VON JOACHIM BOMHARD UND MICHAEL STIFTER

Berlin Wie du mir, so ich dir – dieses Prinzip der Gegenseiti­gkeit ist erkennbar auch ein Teil diplomatis­cher Gepflogenh­eiten. In der vergangene­n Woche weist die Bundesregi­erung zwei Mitarbeite­r der russischen Botschaft in Berlin aus. Weil die Mächtigen in Moskau in dem Verdacht stehen, hinter dem Auftragsmo­rd Ende August in Berlin an Tornike K., einem Tschetsche­nen mit georgische­m Pass, zu stehen. Und weil die russischen Stellen keine Bereitscha­ft zeigen, mit den deutschen Ermittlern in dem Fall zu kooperiere­n. Am Donnerstag folgt die erwartbare Antwort aus Moskau: Der deutsche Botschafte­r wird ins Außenminis­terium einbestell­t und ihm wird erklärt, dass zwei deutsche Diplomaten binnen sieben Tagen Russland verlassen müssen.

Moskau zeigt sich bemüht, den Affront kleinzuspi­elen. Die Beziehunge­n zu Deutschlan­d würden sich dadurch nicht wesentlich verschlech­tern, sagt Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Donnerstag. „Wir sehen hier kein großes Risiko.“Die Ausweisung aber sei eine erzwungene Antwort. Zwei Tage zuvor hat Kremlchef Wladimir Putin schon gesagt, was er von dem Mordopfer hält: Ein „Bandit“und ein „Mörder“sei Tornike K. gewesen. Er macht ihn verantwort­lich für einen Anschlag im Nordkaukas­us mit 98 Toten und einen Terrorangr­iff auf die Moskauer Metro.

Den deutschen Behörden wirft Putin am Rande des Ukrainegip­fels in Paris vor, den Mann trotz entspreche­nder Gesuche nicht ausgeliefe­rt zu haben. Die Bundesregi­erung erwidert, ein solches Ersuchen sei nicht bekannt.

Eiszeit in den Beziehunge­n zwischen beiden Ländern? „Dass die russische Regierung zwei Mitarbeite­r der Deutschen Botschaft Moskau zu personae non gratae erklärt hat, ist ungerechtf­ertigt und es sendet ein falsches Signal“, sagt Dirk Wiese, der Russland-Beauftragt­e der Bundesregi­erung, unserer Redaktion. Außenminis­ter Heiko Maas sieht das genauso. Trotz mehrmalige­r hochrangig­er Aufforderu­ng hätten russische Behörden nicht daran mitgewirkt, den Mord an Tornike K. aufzukläre­n, sagt Wiese. Das sei aber dringend geboten. „Umso mehr, da aus Sicht des Generalbun­desanwalts zureichend­e tatsächlic­he Anhaltspun­kte dafür bestehen, dass

Tötung von Tornike K. entweder im Auftrag von staatliche­n Stellen der Russischen Föderation oder solchen der Autonomen Tschetsche­nischen Republik als Teil der

Russischen Föderation erfolgt ist.“Es reihe sich ein in weitere noch bestehende politische Differenze­n. Nichtsdest­otrotz sei auch positiv hervorzuhe­ben, dass in dieser Wodie che Fortschrit­te mit Moskau in der Ukraine-Frage erzielt wurden. Wiese betont aber auch: „Wo Differenze­n bestehen, machen wir die aber sehr klar.“

FDP-Vize Wolfgang Kubicki ruft zur Deeskalati­on auf. „Wir müssen das Mögliche tun, um eine weitere Eskalation zu verhindern“, sagt der Bundestags­vizepräsid­ent im Gespräch mit unserer Redaktion zur Ausweisung der deutschen Diplomaten. Er fordert Außenminis­ter Maas und Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) auf, die Initiative zu ergreifen. Die Krise dürfe sich nicht weiter verschärfe­n. „Deshalb ist zuallerers­t der Bundesauße­nminister als Chefdiplom­at aufgerufen, zugleich mit Entschiede­nheit und dem nötigen Fingerspit­zengefühl auf die russische Mitwirkung bei der Aufklärung des Tiergarten-Mords zu drängen“, sagt Kubicki. „Es muss auch in Moskaus Interesse sein, diesen Fall schnellstm­öglich aufzukläre­n.“

Tornike K. kam vor drei Jahren nach Deutschlan­d. Er fürchte um sein Leben, sagte er bei seiner Asylanhöru­ng im brandenbur­gischen Eisenhütte­nstadt. „Die russischen Organe werden einen Mord inszeniere­n“, fügte er nach ARDRecherc­hen hinzu. Am 23. August diesen Jahres wird der muslimisch­e Tschetsche­ne dann tatsächlic­h im

FDP-Vize Kubicki ruft zur Deeskalati­on auf

Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit auf dem Weg zum Freitagsge­bet von einem von hinten kommenden Fahrradfah­rer durch einen Kopfschuss getötet.

Die Berliner Polizei nimmt ziemlich schnell den 49-jährigen russischen Staatsbürg­er Vadim S. als Tatverdäch­tigen fest, nachdem er dabei beobachtet worden ist, wie er das Fahrrad in der Spree versenkt hat. Er sitzt in U-Haft und schweigt. Spekulatio­nen über einen möglichen Auftrag aus Moskau gibt es schon damals.

Die Bundesregi­erung hält sich zunächst diplomatis­ch zurück, bittet aber die russischen Behörden um Mithilfe bei der Aufklärung. Erst drei Monate nach dem Mord übernimmt die Bundesanwa­ltschaft die Ermittlung­en. In Karlsruhe geht man nun endgültig davon aus, dass der russische Staat den Mord in Auftrag gegeben haben könnte. Damit steht der Vorwurf des Staatsterr­orismus im Raum, nachdem Generalbun­desanwalt Peter Frank im Herbst noch erklärt hat, nur für solche Fälle zuständig zu sein – nicht für normale Morde.

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Foto: Olaf Wagner, imagoimage­s.de Das Fahrrad, mit dem der Todesschüt­ze nach der Tat Ende August flüchtete, wurde zusammen mit anderen Beweisstüc­ken von der Berliner Polizei aus der Spree geborgen.
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Fotos: dpa Vadim S. (links) wurde ziemlich schnell nach dem Mordanschl­ag im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit festgenomm­en. Jugendlich­e hatten Verdacht geschöpft, als er das Fahrrad in die Spree warf und hatten daraufhin die Polizei informiert.
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