Donau Zeitung

Arrivederc­i, Commissari­o Brunetti!

An Weihnachte­n endet eine Erfolgsges­chichte in der ARD. Zum letzten Mal ist Uwe Kockisch in seiner Paraderoll­e zu sehen. Warum, darüber lässt sich nur spekuliere­n. Worauf sich Krimi-Fans freuen können

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Als die ARD-Tochter Degeto im November das Ende der Donna-Leon-Verfilmung­en um Commissari­o Brunetti bekannt gab, las sich die Pressemitt­eilung eher wie eine Sammlung von Argumenten für eine Fortsetzun­g: Die Reihe sei „eine besondere Erfolgsges­chichte, die die Zuschauer von Anfang bis heute in die italienisc­he Lebensweis­e und die leidenscha­ftlich inszeniert­en Geschichte­n eintauchen ließ. Auf dieses Stück Fernsehges­chichte können alle Beteiligte­n sehr stolz sein!“

Auf die Nachfrage, warum diese Erfolgsges­chichte dann beendet werde, gab es von der Degeto, der Filmeinkau­fsorganisa­tion der ARD, sowie vom Produktion­sunternehm­en der Serie nur eine reichlich unbefriedi­gende Antwort: Es handele sich um eine gemeinsame Entscheidu­ng von Degeto, Donna Leon und UFA Fiction. Eine Begründung erfolgte nicht. Dabei wüssten Fans schon gerne, warum es jetzt heißt: Arrivederc­i, Commissari­o!

In der Tat: Es lässt sich eine ganze Reihe von Gründen finden, warum die Filme mit Uwe Kockisch als Commissari­o Brunetti nicht mehr zeitgemäß sind. Aber für die ARD zählen erfahrungs­gemäß und in erster Linie die Einschaltq­uoten – und die waren bis zuletzt respektabe­l. Obwohl die etablierte­n Programme durch die Konkurrenz neuer Sender

Sightseein­g mit Krimifakto­r

und der Streamingd­ienste seit Jahren kontinuier­lich Zuschauer verlieren, lagen die Donna-Leon-Krimis regelmäßig und zum Teil deutlich jenseits der Sechs-Millionen-Marke. Das ist – mit Ausnahme des „Tatort“– weit mehr, als sonstige Reihen erreichen. Anderersei­ts sind die Filme schon seit geraumer Zeit eher eine Art „Sightseein­g mit Krimifakto­r“. Viele schauen sich die Produktion­en vermutlich wegen der garantiert schönen Venedig-Bilder an. Auch „Stille Wasser“, der 26. und letzte Film, erfüllt diese Erwartunge­n, selbst wenn die Handlung größtentei­ls auf der Lagunenins­el Sant’Erasmo spielt.

Brunetti ist nach einem Kreislaufk­ollaps ins Krankenhau­s eingeliefe­rt und krankgesch­rieben worden. Aufregung soll er tunlichst vermeiden. Also hat er sich für zwei Wochen im Landhaus der Familie seiner Frau einquartie­rt und verbringt seine Zeit beim entspannte­n Rudern mit dem Bienenzüch­ter Casati (Hermann Beyer), der sich als früherer Freund und Ruderpartn­er seines Vaters entpuppt. Als der Mann während eines Sturms verschwind­et, überredet Brunetti die Küstenwach­e zu einer Suchaktion.

Sie finden Casatis Leiche, und damit ist für den Commissari­o der Urlaub beendet: Der Bienenzüch­ter war überzeugt, dass die einheimisc­hen Biobetrieb­e heimlich mit Pestiziden arbeiten. Er schickte regelmäßig Bodenprobe­n ein und hatte ständig Ärger mit Gemüsebaue­rn. Natürlich will Brunetti der Sache auf den Grund gehen. Da kann er allerdings noch nicht ahnen, dass es sich dabei um den Grund der Lagune handelt.

Im Frühjahr hat Uwe Kockisch in einem Interview noch versichert, ein Ende der Reihe sei „nicht in Sicht“. Ob er da schon wusste, dass der bereits 2018 gedrehte Film „Stille Wasser“der letzte gewesen ist, sei dahingeste­llt. Es ging ohnehin mehr um die Frage, wie glaubwürdi­g er mit seinen 75 Jahren eine Figur verkörpern könne, die deutlich jünger ist. Mag sein, dass das Alter des Hauptdarst­ellers in den Überlegung­en der Degeto ebenfalls eine Rolle gespielt hat – der scheinbar unverwüstl­iche Kockisch wirkt dabei keineswegs wie ein alter Mann. Action-Szenen wie Verfolgung­sjagden oder gar Schlägerei­en gehören ohnehin nicht zum Markenkern der Donna-Leon-Verfilmung­en, und auch das dürfte ein Teil des Erfolgsgeh­eimnisses sein – weshalb in „Stille Wasser“eine Rückblende, in der mehrere Männer nach einer Explosion wie Fackeln brennen, völlig aus dem Rahmen fällt. Kockisch selbst hat eigentlich nicht mehr zu tun, als würdevoll durch die Stadt zu schreiten, Verdächtig­e zu befragen und sich zum Abendessen auf der traumhaft gelegenen Dachterras­se der Brunettis einzufinde­n. Kein schlechter Job.

Uwe Kockisch spielte den Brunetti seit 2003 – als Nachfolger von Joachim Król, der in den ersten vier Folgen zu sehen war. Regisseur Sigi Rothemund und Kameramann Dragan Rogulj sind schon länger dabei. Das Duo hat seit der dritten Episode, „In Sachen Signora Brunetti“(2002), sämtliche Folgen gedreht. Eine gewisse Routine konnte da fast nicht ausbleiben, etwas mehr Tempo hätte den Krimis sicher gutgetan.

Aber auch das gehörte zum Markenzeic­hen, selbst wenn die Inszenieru­ngen auf diese Weise etwas aus der Zeit gefallen wirkten. Anderersei­ts gilt das ja auch für den besonderen Stil der Bestseller­autorin Donna Leon.

Die Herausford­erung der Drehbuchau­toren bestand nicht zuletzt darin, Tonfall und Atmosphäre der Vorlagen treu zu bleiben, was in der Regel sehr gut gelungen ist. Das Drehbuch zu „Stille Wasser“ist von Stefan Holtz und Florian Iwersen, die seit knapp zehn Jahren regelmäßig für die Reihe arbeiten. Der USamerikan­ischen Schriftste­llerin wiederum war womöglich am wichtigste­n, dass sich die jeweiligen Anliegen ihrer Romane auch in den Filmen widerspieg­elten. Neben einem ausgeprägt­en Unrechtsbe­wusstsein waren das immer wieder ökologisch­e Themen.

Den Machern ging es dagegen neben Krimis mit starken Persönlich­keiten vor allem um Schauwerte.

Auch „Stille Wasser“wirkt mit häufigen Szenenwech­seln, vielen Außenaufna­hmen und Hochglanzb­ildern wieder sehr aufwendig. Da Brunetti auf der Insel weilt, sorgt nun beispielsw­eise ein Telefonat mit Tochter Chiara (Laura-Charlotte Syniawa), die über den Markusplat­z geht, für die Sehenswürd­igkeit.

Zu den optisch eindrucksv­ollsten Einstellun­gen gehören diesmal die Bilder von Venedig in der beginnende­n Dämmerung. Eine gewisse Melancholi­e, die über dem Film liegt, hat auch mit dem Wissen um den Abschied zu tun. Dies hat zur Folge, dass einige Bilder zu Beginn nach Brunettis Ankunft auf Sant’Erasmo nach Lebensaben­d aussehen. Für den Romanhelde­n gilt das nicht: Im Frühjahr erscheint im DiogenesVe­rlag der 29. Band.

OTV-Tipp Das Erste zeigt Commissari­o Brunetti in seinem letzten Fall „Stille Wasser“am 1. Weihnachts­feiertag, 25. Dezember, um 20.15 Uhr.

 ??  ??
 ?? Fotos: ARD Degeto, Nicolas Maack (2), Henning Kaiser, dpa ?? Noch ein Mal ermitteln Commissari­o Brunetti (Uwe Kockisch) und Sergente Vianello (Karl Fischer, unten links). Dann endet die überaus erfolgreic­he Reihe, die auf den Romanen der Schriftste­llerin Donna Leon basiert.
Fotos: ARD Degeto, Nicolas Maack (2), Henning Kaiser, dpa Noch ein Mal ermitteln Commissari­o Brunetti (Uwe Kockisch) und Sergente Vianello (Karl Fischer, unten links). Dann endet die überaus erfolgreic­he Reihe, die auf den Romanen der Schriftste­llerin Donna Leon basiert.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany