Verleger spionierte unter Zwang
Bericht analysiert Stasi-Arbeit
Berlin Nach Bekanntwerden der Stasi-Vergangenheit des Berliner Verlegers Holger Friedrich nehmen unabhängige Experten an, dass er „überwiegend Offenkundiges“berichtet hatte. In einem Fall führten die Informationen aber zur strafrechtlichen Belehrung eines anderen, schreiben die Ex-Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, und Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk in einem Brief an die Chefredakteure von Berliner Zeitung und Berliner Kurier.
Der Brief wurde nun mit der Analyse der Experten veröffentlicht. Die Experten waren von der Redaktion gebeten worden, bei der Sichtung der Stasi-Papiere zu helfen. Die Chefredakteure kündigten eine „adäquate Aufarbeitung der DDR-Geschichte“in „eigener Sache“an. Friedrichs Informationen trugen den Experten zufolge keinen „politisch-ideologischen Charakter“. Aussagen zulasten Dritter finden sich laut Birthler und Kowalczuk nicht in den Papieren.
Friedrichs Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi dauerte demnach von Juni bis August 1988. „Neben dem Umstand, wie Holger Friedrich zum IM gepresst wurde, ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen, dass es nur wenige Treffen als IM gab, dass diese unter der besonderen Situation in der Armee-Einheit zustande kamen (...)“, heißt es in der Bewertung. Außerdem habe Friedrich die Zusammenarbeit, als ein neuer Führungsoffizier für ihn tätig wurde, beendet und betont, dass er diese nie freiwillig eingegangen wäre.
Im Herbst hatte das Unternehmerehepaar Silke und Holger Friedrich den Berliner Verlag von der DuMont-Mediengruppe übernommen. Nach Recherchen der Welt am Sonntag war Mitte November bekannt geworden, dass Friedrich in der DDR Mitarbeiter der Staatssicherheit war. Friedrich habe sämtliche an ihn herausgegebene Unterlagen für eine Überprüfung zur Verfügung gestellt, so die Experten. In der Rückschau wird beschrieben, wie es zur Kooperation Friedrichs mit der Stasi kam. Ein zentrales Beispiel: Als Soldat der Nationalen Volksarmee (NVA) habe er sich einem Dokument vom Ministerium für Staatssicherheit zufolge von einem Standort unerlaubt entfernt. Daraufhin sei sein Schrank in der Kaserne geöffnet worden. Briefe hätten nahegelegt, dass er eine negative Einstellung zur NVA und zur DDR besitze, wie die Experten die Meinung eines Stasi-Funktionärs wiedergeben. Auch Fluchtabsichten seien Friedrich unterstellt worden. Seine IM-Tätigkeit erfolgte demnach unter dem Druck, „ansonsten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden“.