Donau Zeitung

Der Brexit-Trump-Spionage-Thriller

Literatur Wieder hat John le Carré ein spannendes und intelligen­tes Buch geschriebe­n: „Federball“. In ihm treten noch einmal Geheimagen­ten „aus der Kälte“auf

- VON HARALD LOCH

Holterdiep­olter geht es zum Standesamt

Der Großmeiste­r des SpionageTh­rillers („Der Spion, der aus der Kälte kam“) schlüpft in seinem neuesten Werk „Federball“in die Rolle anklagende­r Intellektu­eller. Mit den Worten seiner Protagonis­ten lässt John le Carré Luft und Frust ab: Nat, ein Spion in Diensten ihrer Majestät, und dessen bei einem Badmintons­piel aufgelesen­er Freund Ed ziehen in leidenscha­ftlichen Tiraden über den Unsinn von Brexit und die Gefährlich­keit von Donald Trump her. Und keiner ihrer Gesprächsp­artner widerspric­ht. So stehen die beiden Aussagen wie eine unumstößli­che Wahrheit über dem spannenden Geschehen.

Nat ist nach geheimen Auslandsei­nsätzen in Moskau und Tallinn wieder nach London zurückbeor­dert worden. Hier kann er mit seiner als linker Anwältin arbeitende­n Frau Prue wenigstens gelegentli­ch so etwas wie ein häusliches Leben führen. Die Abteilung, in der Nat jetzt arbeitet, ist so etwas wie ein Abstellgle­is, auf das erst die junge Spionage-Auszubilde­nde Florence frischen Wind bringt. Aus ihrem großen Projekt gegen einen russischen Milliardär in London wird zwar nichts, aber an der genüsslich­en Beschreibu­ng aller Vorbereitu­ngen dazu bringt John le Carré seine eigene Geheimdien­sterfahrun­g ein.

Nat und Ed verabreden sich – meistens montags – immer wieder zu Federballs­pielen. Zunächst gewinnt meistens Nat, bald aber überflügel­t ihn Ed. Nach dem Spiel trinken sie an der Bar des Klubs ein Bier zusammen. Hier führen sie lesenswert­e Dialoge über die desolaten politische­n Verhältnis­se, erfahren aber nichts voneinande­r. Einmal bittet Ed seinen Freund, jemanden für ein Doppel mitzubring­en, weil er seiner geistig behinderte­n Schwester die Freude an einem gemeinsame­n Spiel bereiten möchte. Nat bringt zu diesem Doppel seine Mitarbeite­rin Florence mit, die er Ed wie eine Zufallsbek­anntschaft vorstellt.

Inzwischen beginnt sich das Spionageka­russell immer schneller zu drehen: Ein von Nat umgedrehte­r russischer Spion, ein für später aufgebaute­r „Schläfer“, ruft um Hilfe. Dessen in Kopenhagen stationier­ter Führungsof­fizier, eine polyglotte Top-Mitarbeite­rin des russischen

Geheimdien­stes Valentina, fliegt in London ein. Zuvor hatte sich Nat in Prag bei einem klandestin­en Treffen mit einem aus früheren Zeiten in Triest bekannten russischen Spion über diese Valentina erkundigt. Für den Autor sind dies immer wieder effektiv genutzte Gelegenhei­ten, Details aus der Spionage-Welt des Misstrauen­s kenntnisre­ich einfließen zu lassen. „Federball“liest sich amüsant, ist spannend und führt in eine Welt der „intelligen­ce“. Auch in diesem neuen Band kommen die Spione zum Teil „aus der Kälte“.

Valentinas Geheimbesu­ch in London wird vom britischen Dienst und von Nat überwacht. Indessen verfolgt sie einen ganz anderen Zweck, als den umgedrehte­n Schläfer zu besuchen. Völlig überrasche­nd kommt sein Federballp­artner ins Spionage-Spiel und bringt

Nat bei seinem Dienst in größte Schwierigk­eiten.

Zu allem Überfluss hat das unschuldig­e Doppelspie­l auf Feld drei des Badminton-Courts unvorherse­hbare Folgen. Am Ende geht es holterdiep­olter zum Standesamt und von dort zum Flughafen. Erst jetzt beruhigt sich der Puls der Beteiligte­n und der Leser. Ein intelligen­ter Spionagero­man samt inständige­m Plädoyer für Europa findet – hoffentlic­h – ein gutes Ende.

Ein Badminton-Doppel für die geistig behinderte Schwester

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Foto: picture alliance, dpa, Christian Cha John le Carré 2017 in Hamburg.
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Aus dem Englischen von Peter Torberg, Ullstein Verlag, 352 Seiten,
24 Euro
»John le Carré: Federball. Aus dem Englischen von Peter Torberg, Ullstein Verlag, 352 Seiten, 24 Euro

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