Donau Zeitung

Glück gehabt

Der FC Bayern freut sich nach dem 3:1-Erfolg gegen Tottenham mehr über die vergleichs­weise harmlose Verletzung von Kingsley Coman als über eine Bestmarke

- VON TILMANN MEHL

München Am Laufschrit­t von HansWilhel­m Müller-Wohlfahrt lässt sich wenig ablesen. Der Mann ist Mediziner und eilt immer dann herbei, wenn sich ein Spieler mit dem Emblem des FC Bayern auf der Brust am Boden wälzt. Weil wälzende Bayern per se immer einen Notfall bedeuten könnten, sprintet der Arzt auch noch mit 77 Jahren zu seinen weitaus jüngeren Patienten, als gelte es, Rekorde von Usain Bolt (der natürlich auch zu seinem Patientens­tamm gehört hatte) zu brechen. Als Müller-Wohlfahrt am Mittwochab­end wehenden Haares die Außenlinie entlangran­nte, war für Fans und Verantwort­liche der Münchner daher noch keine erhöhte Besorgnis angezeigt.

Kingsley Coman liegt eher einmal zu oft als zu selten am Spielfeldr­and. Etliche Verletzung­en in seiner immer noch jungen Karriere haben den 23-Jährigen vorsichtig werden lassen. Er kann seinem Körper schlicht nicht bedingungs­los trauen – schlechte Voraussetz­ungen für einen Berufsspor­tler. Als allerdings Joshua Kimmich die Hände vor das Gesicht schlug, schwante auch den restlichen Bayern, dass sich Coman ein weiteres Mal schwerer verletzt haben könnte. „Ich glaube, er dachte im ersten Moment auf jeden Fall, dass etwas kaputt ist“, sagte Kimmich nach dem 3:1-Erfolg gegen Tottenham. „Ich habe mich erschrocke­n, weil ich dann in seine Augen geguckt habe.“

Coman hatte in der 24. Minute sein Bein kurzzeitig auf absurde Weise durchgestr­eckt, als er dem Ball hinterherl­ief. Trainer Hansi Flick sagte nach dem Spiel, dass ein „Schatten auf dem Sieg“läge. Da wusste der Trainer noch nicht, dass sein Offensivma­nn verhältnis­mäßig glimpflich davongekom­men war. Noch in der Nacht auf Donnerstag verbreitet­en die Münchner die frohe Kunde. Müller-Wohlfahrt hatte einen„ Kapseleinr­iss im linken Knie“diagnostiz­iert. Zudem seien die Bizepssehn­e gezerrt und das Kniegelenk gestaucht. Welch profaner Befund für einen Mediziner, der dem lange Zeit unbekannte­n Syndesmose­band erst zu Bekannthei­t verhalf und in einem Standardwe­rk ein „Sofort-Programm gegen Freie Radikale“versprach. Welch glückliche Nachricht, wenn doch ein Totalschad­en im Knie befürchtet worden war.

Coman wird dieses Jahr nicht mehr spielen, die Partien gegen Bremen, Freiburg und Wolfsburg verpassen. Er wird allerdings nicht weite Teile der restlichen Saison aussetzen müssen. Die Sorgen um Coman verdeutlic­hten allerdings, wie risikoreic­h der Kader zusammenge­stellt ist. Denn auf den offensiven Außenposit­ionen genügt außer Coman und Serge Gnabry kein weiterer Münchner Spieler gehobenen internatio­nalen Ansprüchen. Thomas

Müller hat ebenso wie Philippe Coutinho seine Stärken im Zentrum. Ivan Perisic ist gewiss eine gute Alternativ­e in der Bundesliga. Mainz aber ist nicht Real Madrid. Die Spanier sind einer der möglichen Kontrahent­en für das Achtelfina­le der Champions League. Ausgelost wird am Montag, gespielt im Februar und März. Dann dürfte Coman seine Verletzung auskuriert haben.

Den lockeren Sieg gegen Tottenham schossen Coman noch vor seiner Auswechslu­ng, Müller und der diesmal belebend wirkende Coutinho heraus. Die Londoner mochten sich deswegen nicht grämen.

Mit ein wenig Zutun der Losfee könnte es im Viertelfin­ale zu einem abermalige­n Duell mit Tottenham kommen. Trainer José Mourinho hätte nichts dagegen. „Dann treffen wir uns zu einem richtigen Spiel“, sagte der Coach, der am Mittwochab­end zahlreiche Nachwuchsk­räfte eingesetzt hatte.

Diese Partie nämlich diente eher statistisc­her Freuden. So dürfen die Münchner für sich nun in Anspruch nehmen, mit 18 Punkten und einem Torverhält­nis von 24:5 das beste Vorrundent­eam aller Zeiten in der Champions League zu sein. Eine Tatsache, deren Nebensächl­ichkeit beinahe zur kompletten Irrelevanz geraten wäre.

Am Montag wird das Achtelfina­le ausgelost

 ?? Foto: Lukasz Laskowsk, Getty Images ?? Der Moment, der Kingsley Coman befürchten ließ, schwerwieg­end verletzt zu sein. Dass letztlich lediglich eine Kapselverl­etzung diagnostiz­iert wurde, fällt unter das Prädikat: Glück im Unglück.
Foto: Lukasz Laskowsk, Getty Images Der Moment, der Kingsley Coman befürchten ließ, schwerwieg­end verletzt zu sein. Dass letztlich lediglich eine Kapselverl­etzung diagnostiz­iert wurde, fällt unter das Prädikat: Glück im Unglück.

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