Geschwister Freitag feiern eine Premiere
Früher stand Selina im Kinderwagen an der Schanze, als der Vater sprang. Nun startet die 18-Jährige gemeinsam mit ihrem Bruder Richard in Klingenthal
Klingenthal Selina Freitag wurde nicht nur das besondere Talent, sondern auch eine riesige Faszination für den Sport in die Wiege gelegt. Der Vater Holger war Skispringer, der größere Bruder Richard auf dem besten Weg zum Profi, wie sollte es da bei ihr anders laufen? „Ich war sogar schon im Kinderwagen an der Schanze und habe das Springen dann immer verschlafen. Angefangen zu springen habe ich mit sechs Jahren auf einer Drei-Meter-Schanze“, erzählt die 18 Jahre junge Selina Freitag.
Im Kinderwagen gemütlich zuschauen, was die Besten der Welt zeigen? Diese Perspektive wird das Skisprung-Talent an diesem Wochenende nicht mehr haben, denn Selina Freitag gehört jetzt selbst zur Elite. Unweit der Heimat in Klingenthal wartet nun eine ganz besondere Premiere auf die Freitags: Erstmals treten Männer und Frauen beim gleichen Skisprung-Weltcup in Deutschland an. „Die Mädels haben sehr gut darauf hingearbeitet. Was lange währt, wird endlich gut. Ich finde es fein, dass es ein bisschen zusammenwächst“, sagt Bruder Richard.
Anders als im Biathlon oder im Langlauf sind gemeinsame Weltcups für Männer und Frauen beim
Skispringen noch immer nicht Standard. Im Hintergrund arbeiten allerdings die Funktionäre an einer Lösung. Insbesondere der deutsche Frauen-Bundestrainer Andreas Bauer aus Oberstdorf bemüht sich, dass die Frauen auch bei dem prestigeträchtigsten Wettbewerb, der Vierschanzen-Tournee, zusammen mit den Männern starten. Die Gespräche laufen seit Jahren, doch noch ist man nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen.
Umso mehr freuen sich die Freitag-Geschwister, die deutsche Premiere unmittelbar vor der Haustür zu erleben. „Es sind schon ein paar von der Familie dabei und auch viele Freunde. Die Region ist sport- und skisprungfanatisch. Da kommen sicher einige“, sagt der ehemalige Gesamtweltcup-Zweite Freitag voraus. Seine zehn Jahre jüngere Schwester steckt zwar noch in den Anfängen ihrer Karriere und war früher als Baby, Kind und Jugendliche gespannte Zuschauerin, doch inzwischen kann Richard nach eigener Aussage auch etwas von Selina lernen. „Was man wiedererkennen kann, ist die Leichtigkeit. Sie ist das erste Jahr so richtig mit dabei. Als Leistungssportler ist man oft ein bisschen am Zweifeln, da kann man sich die Leichtigkeit bei jüngeren Athleten wieder anschauen“, sagt er. Beide erzählen, dass Papa Holger als früherer Weltcup-Sieger die Begeisterung richtig ausgelöst habe. „Das hat uns einfach gefallen von Anfang an. Der Papa hat es vorgemacht und jetzt versuchen wir, es ihm nachzumachen. Wenn wir zu Hause sind, zeige ich ihm auch Videos oder er sagt mir Tipps, wie er
Papa Holger hat die Begeisterung entfacht
das früher gemacht hat. Er ist auf jeden Fall immer noch dabei“, sagt Selina Freitag.
Ihr Weg war dann vorgezeichnet. Sportschule, Internat und dann der Wechsel nach Oberstdorf, um den Sprung in den Kader zu schaffen und sich von den ganz großen Schanzen zu stürzen. Bei Bruder Richard schaut sie sich gerne etwas von dessen Technik ab, um „auf der Schanze nicht so nervös zu sein“. Geht es nach Selina Freitag, springen die beiden Geschwister bald nicht nur am gleichen Ort, sondern irgendwann auch im gleichen Team. „Klasse wäre auch, wenn wir im Weltcup öfter mal Mixed-Springen hätten“, sagt sie.