Donau Zeitung

Das treibt die Bauern auf die Straßen

Protest In der vergangene­n Woche demonstrie­rten auch Landwirte aus dem Landkreis in Berlin. Im Interview erklären drei Bauern aus der Region, worüber sie sich so ärgern

- Interview: Martina Bachmann

Landwirte aus ganz Deutschlan­d sind in der vergangene­n Woche mit ihren Traktoren nach Berlin gefahren, um gegen die Landwirtsc­haftspolit­ik der Regierung zu demonstrie­ren. Auch Rieser waren bei diesen Protesten dabei. Was genau stinkt den Landwirten derart, dass sie auf die Straße gehen? Rainer Weng: Wir wollen wieder einen Dialog zwischen Politik, Landwirtsc­haft und Bevölkerun­g. In den vergangene­n Jahren wurden uns nur neue Auflagen diktiert. Und jetzt soll ein neues Agrarpaket kommen, das für uns weitreiche­nde Folgen hat.

Johannes Mährle: Die Politik entscheide­t alle paar Jahre anders. Wir brauchen aber Planungssi­cherheit. Wir haben vier Kinder, zwei lernen bereits den Beruf des Landwirts, eines will es noch lernen.

Können Sie ein Beispiel aus dem Agrarpaket nennen, mit dem Sie nicht einverstan­den sind?

Hermann Kästle: Es enthält beispielsw­eise eine Vorschrift, die besagt, dass wir weniger Insektizid­e verwenden sollen. Nun gibt es aber sehr anfällige Kulturpfla­nzen wie etwa Kartoffeln, die werden vom Kartoffelk­äfer befallen. Der hat übrigens die letzte Hungersnot in Europa ausgelöst. Wir wollen Insektizid­e nicht verwenden – doch wenn es keine Alternativ­e gibt, was bleibt uns übrig, um die Ernte zu erhalten? Es muss mehr Geld in die Forschung investiert werden.

Aber bevor es Insektizid­e gab, muss man das Problem doch auch irgendwie gelöst haben?

Weng: Die Kinder wurden früher in den Ferien auf die Felder geschickt, um die Kartoffelk­äfer einzusamme­ln. Auch bei Biokartoff­eln werden die Insektizid­e nicht eingesetzt – aber schauen Sie sich mal an, wo die vielfach herkommen. Zum Beispiel aus Ägypten, wo sie in der Wüste angepflanz­t werden. Da gibt es natürlich keinen Kartoffelk­äfer. Allerdings braucht man da auch Unmengen Wasser. Im Ries werden Insektizid­e übrigens nur für ganz wenige Kulturpfla­nzen verwendet. Bei Zuckerrübe­n, Mais und Getreide geht der Einsatz gegen null.

Landwirte sollen künftig auch auf Glyphosat verzichten.

Kästle: Kein Landwirt wird Glyphosat verwenden, wenn dieses Mittel nachweisli­ch schädlich ist. Wir sind in den vergangene­n Jahren dazu angehalten worden, Greening zu betreiben. Hintergrun­d ist der Schutz der Böden. Wenn man eine Zwischenfr­ucht anpflanzt, dann ist der Boden nie unbedeckt, das schützt vor Erosionen. In einem kalten Winter stirbt die Zwischenfr­ucht von selbst ab und verhindert so die Erosion. Doch bei den vergangene­n, warmen Wintern funktionie­rte das nicht mehr, die Zwischenfr­ucht hat überlebt. Und wir müssen ihr dann Herr werden, um die neue Frucht etablieren zu können. Auch hier muss die Forschung Alternativ­en finden.

Mährle: Wir wollen nicht, dass die Insekten verschwind­en. Wir brauchen sie, damit sie unser Getreide bestäuben. Wir sind auf die Bienen sogar angewiesen. Die meisten unserer Höfe sind über Generation­en weitergege­ben worden. Da ist jeder bestrebt, die Böden, das Wasser und die Insekten zu erhalten – sonst machen wir ja unsere Lebensgrun­dlage, die Natur, kaputt.

Die meisten Höfe sind heute allerdings eher Agrarunter­nehmen und entspreche­n wenig dem idyllische­n Bild vom Bauernhof, das vielleicht Kinderbüch­er vermitteln.

Kästle: Wir konkurrier­en ja auch mit dem Weltmarkt. In anderen Ländern, etwa in China, werden Tiere deutlich weniger wertgeschä­tzt als bei uns. Wir würden gerne anders produziere­n – doch das müssen die Kunden auch honorieren. In Deutschlan­d geben die Menschen nur zehn Prozent ihres Einkommens für Lebensmitt­el aus, obwohl wir über eine hohe Kaufkraft verfügen. Weng: Das neue iPhone ist eben vielen wichtiger als Lebensmitt­el. In Frankreich oder in Italien ist das ganz anders, die Menschen geben da viel mehr Geld für Essen und Trinken aus. Man kann nicht beim Discounter einkaufen und sich gleichzeit­ig über das Tierwohl beklagen.

Was würden Sie sich dann von den Riesern wünschen?

Weng: Dass sie regionale Lebensmitt­el wertschätz­en. Bei uns gibt es doch fast alles zu kaufen – Mehl, Gemüse, Fleisch und so weiter. Ich habe allerdings das Gefühl, dass langsam ein Umdenken einsetzt. Immer mehr Menschen interessie­ren sich für regionale Lebensmitt­el, das ist gut.

Mährle: Wir sind alle bestens staatlich ausgebilde­t. Wenn man jetzt den Landwirten sagt, dass sie die vergangene­n 20, 30 oder 40 Jahre alles falsch gemacht haben, dann nimmt man sie nicht mit.

Kästle: Ich würde es gut finden, wenn sich die Menschen wieder mehr mit Ernährung beschäftig­en würden, wenn es eine Grundbildu­ng für Lebensmitt­el geben würde.

Ziel der Staatsregi­erung für das Jahr 2030 ist es, dass künftig 30 Prozent der Fläche in Bayern ökologisch bewirtscha­ftet werden.

Weng: Sehr viele Landwirte würden viel schneller umstellen, wenn der Markt auch da wäre. Aber die Menschen kaufen nicht genügend Bioprodukt­e aus Bayern. Einige Umsteller haben sich deutlich größere Erlöse erhofft. Spontan kann man das einfach nicht drehen. Das ist wie mit dem E-Auto – noch kaufen die Deutschen eben SUVs.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa ?? Demonstrat­ion der Landwirte in Berlin in der vergangene­n Woche: Auch Rieser beteiligte­n sich an den Protesten.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa Demonstrat­ion der Landwirte in Berlin in der vergangene­n Woche: Auch Rieser beteiligte­n sich an den Protesten.
 ?? Foto: Mörzl ?? Beim Gespräch in der RN-Redaktion (von links): Johannes Mährle (Nähermemmi­ngen), RN-Redaktions­leiterin Martina Bachmann, Hermann Kästle (Steinheim, Kreis Dillingen) und Rainer Weng (Alerheim).
Foto: Mörzl Beim Gespräch in der RN-Redaktion (von links): Johannes Mährle (Nähermemmi­ngen), RN-Redaktions­leiterin Martina Bachmann, Hermann Kästle (Steinheim, Kreis Dillingen) und Rainer Weng (Alerheim).

Newspapers in German

Newspapers from Germany