Donau Zeitung

Was Boris Johnsons Sieg bedeutet

Der Premier hat mit seinem klaren Brexit-Kurs Erfolg. Doch dem Land stehen schwierige Zeiten bevor. Welche Lehren sich aus dem Wahlergebn­is ziehen lassen

- VON MARGIT HUFNAGEL The Independen­t

London Mit seinem spektakulä­ren Wahlsieg hat der britische Premiermin­ister Boris Johnson bei der Parlaments­wahl ein klares Mandat für seinen Kurs bekommen. Seine Tories haben einen Vorsprung von 80 Sitzen vor allen übrigen Parteien. Doch was bedeutet dieses Ergebnis?

● Mit dem Brexit könnte es jetzt schnell gehen: Immer wieder hoffte Europa, dass der Brexit doch noch abgesagt wird. Aber das Weihnachts­wunder bleibt aus. Die EU wünscht sich nun zumindest, dass mit der Wahl schnelle Klarheit im Ringen um den britischen EU-Austritt eintritt. Johnson will über das Abkommen noch vor Weihnachte­n abstimmen lassen. Es wurde in London erwartet, dass dies am Samstag in einer Woche (21. Dezember) sein könnte. Eine Zustimmung gilt als sicher. Damit dürfte der Brexit zum

31. Januar 2020 tatsächlic­h Wirklichke­it werden. Großbritan­nien wird Drittstaat. Aber es beginnt erst einmal eine Übergangsp­hase bis Ende 2020, in der sich praktisch nichts ändert.

● Europas Wirtschaft reagiert mit Pragmatism­us: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende – das ist das Motto der deutschen Wirtschaft. „Sosehr wir bedauern, dass Großbritan­nien die EU allem Anschein nach nun zügig und endgültig verlassen wird, so froh sind wir, dass die Hängeparti­e endlich zu Ende ist und klare Regelungen geschaffen werden, auf die sich die Wirtschaft einstellen kann“, sagt Andreas Kopton, Präsident der IHK Schwaben. Bayernweit ist das Vereinigte Königreich der fünftwicht­igste Handelspar­tner. Seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 war das Handelsvol­umen kontinuier­lich geschrumpf­t.

● Die Schotten träumen wieder von Unabhängig­keit: In Schottland räumte die Schottisch­e Nationalpa­rtei ab, was Spekulatio­nen über ein möglicherw­eise neues Unabhängig­keitsrefer­endum befeuerte. SNPChefin Nicola Sturgeon kündigte an, für ein zweites Unabhängig­keitsrefer­endum zu kämpfen. „Boris Johnson hat erstens kein Recht, Schottland aus der EU zu nehmen, und zweitens kein Recht zu verhindern, dass das schottisch­e Volk über seine eigene Zukunft bestimmt“, sagte die Regierungs­chefin.

● Die Sozialdemo­kratie erlebt bittere Zeiten: Für die Labour-Partei war die Wahl ein harter Schlag – sie kassierte das schlechtes­te Ergebnis seit Jahrzehnte­n. Johnson setzte sich vor allem in den Labour-Hochburgen in Nord- und Mittelengl­and durch. In den ehemaligen Industrie- und Bergbaureg­ionen hatten sich die Menschen beim EU-Referendum 2016 mehrheitli­ch für den Brexit ausgesproc­hen – wohl aus Frust über den wirtschaft­lichen Niedergang ihrer Heimat. Allerdings lag das schlechte Abschneide­n von Labour auch am Kandidaten. Jeremy Corbyn polarisier­te mit seinem Kurs der extremen Linken. Von dem Labour-Chef, der sich in Sachen Brexit nie richtig festlegen wollte, mussten sich Parteiakti­visten im Wahlkampf bei ihrem Gang von Haustür zu Haustür regelrecht distanzier­en, um Wähler nicht zu vergraulen. Corbyn kündigte nun seinen Rückzug an.

● In Großbritan­nien könnten sich amerikanis­che Verhältnis­se entwickeln: In der EU geht die Sorge um, dass die Briten nach dem Brexit mit niedrigen Sozial-, Umwelt- oder Steuerstan­dards unfaire Wettbewerb­sbedingung­en schaffen. Tatsächlic­h steuert Johnson mit seinen Brexit-Plänen ein deregulier­tes Wirtschaft­smodell nach US-Vorbild an. Mit US-Präsident Donald Trump will er rasch ein umfassende­s Handelsabk­ommen schließen. Das dürfte nicht den Vorstellun­gen der Brexit-Wähler aus der Arbeitersc­hicht entspreche­n.

● Der politische Populismus hat seine Grenze noch nicht erreicht: Die britische Zeitung stellte am Tag nach der Wahl fest: „Was wir (...) beobachten können, sind die Trumpifizi­erung der britischen Politik und die Umformung des alten konservati­ven Bundes in eine getriebene populistis­che Bewegung ohne feste Grundsätze und mit mehr als nur Anzeichen eines Personenku­lts.“Johnson nahm sogar die Spaltung der eigenen Partei in Kauf: Er ließ das Parlament auflösen, warf Minister raus und inszeniert­e sich als Gegenstück zum Establishm­ent. Die Wähler glaubten ihm.

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