Donau Zeitung

Flugblatt oder Papierflie­ger?

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de

In Rechtsfrag­en ist Ernsthafti­gkeit geboten. Und der Respekt vor der Justiz verlangt es, den Richtern das letzte Wort zu lassen. Das gilt auch für einen der kurioseste­n Prozesse des Jahres vor dem Nürnberger Amtsgerich­t, bei dem die Versammlun­gsleiterin einer Demonstrat­ion sich wegen eines Verstoßes gegen das Versammlun­gsrecht verantwort­en muss, weil entgegen der ausdrückli­chen Weisung der Polizei Gegenständ­e über den Zaun des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e geworfen wurden – genauer: rund 100 Papierflie­ger.

Eine spannende Frage in dieser Sache ist, wie es überhaupt zu dem Prozess kam. Dafür gibt es ausweislic­h einer ausführlic­hen Pressemitt­eilung des Gerichts zwei Hauptveran­twortliche. Erstens: die Staatsanwa­ltschaft, die zwar eine Einstellun­g des Verfahrens für angemessen hielt, aber auf einer Geldbuße beharrte. Zweitens: die Beschuldig­te, die irgendwie nicht einsehen mag, worin die Straftat bestehen soll, die ihr zur Last gelegt wird, und deshalb Einspruch einlegte. Fast entschuldi­gend teilt das Gericht mit: „Aufgrund dieses Einspruchs muss der Fall zwingend verhandelt werden.“

Im Zentrum des Prozesses wird die Frage stehen, ob ein zu einem Papierflie­ger gefaltetes Blatt mit politische­n Parolen ein verbotener Gegenstand im Sinne des Versammlun­gsrechts oder eben ein Flugblatt (!) ist, was ja zu einer Demo irgendwie dazugehört. Wenn die streitende­n Parteien weiterhin genug Eigensinn aufbringen, könnte die Sache bis zum Bundesgeri­chtshof gehen, der dann zweifellos mit aller gebotenen Ernsthafti­gkeit entscheide­n wird.

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