Donau Zeitung

Wie kann ein Schlag tödlich sein?

Bei der Gewalttat am Augsburger Königsplat­z soll das Opfer durch einen einzigen Fausthieb gestorben sein. Das sagen die Ermittler. Warum ein Neurochiru­rg Zweifel daran hat

- VON MARKUS BÄR

Augsburg/München/Murnau Kann man einen Menschen mit einem einzigen Faustschla­g töten? Diese Frage beschäftig­t seit dem Tod des 49-jährigen Neusäßers auf dem Augsburger Königsplat­z vor einer Woche noch immer viele Menschen. Der Mann war etwa 50 Minuten nach dem Schlag im Krankenwag­en gestorben. Der 17-jährige Haupttatve­rdächtige sitzt nach wie vor in Untersuchu­ngshaft, ebenso seine sechs mutmaßlich­en Mittäter.

Zur genauen Todesursac­he schweigt das Institut für Rechtsmedi­zin an der Ludwig-Maximilian­Universitä­t in München bislang. Dort wird das Opfer untersucht: „Bitte haben Sie Verständni­s dafür,

ich mich zu einem aktuellen Fall aus unserem Haus am Anfang der Untersuchu­ngen nicht äußern möchte“, sagte Professor Matthias Graw, Vorstand des Institutes, unserer Redaktion. Die Polizei hatte Anfang der Woche mitgeteilt, dass der Fausthieb so wuchtig gewesen sei, dass der 49-Jährige in direkter Konsequenz daran gestorben sei.

Ein erfahrener Traumatolo­ge bezweifelt das nun. Dr. Martin Strowitzki ist seit 2011 Chefarzt der Neurochiru­rgie an der Unfallklin­ik Murnau, mit rund 550 Betten eines der größten Traumazent­ren in Süddeutsch­land. „Ich habe schon darüber nachgedach­t, wie es nach einem einzigen Schlag zum Tod des Mannes kommen konnte – ohne natürlich die Details näher zu kennen“, sagt Strowitzki auf unsere Nachfrage. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das direkt mit dem Fausthieb zu tun hat.“Dazu reiche sozusagen die physikalis­che Gewalt eines solchen Schlages nicht aus. „Ich vermute eher, dass das Opfer letztlich doch irgendwie mit dem Kopf auf den Boden geprallt ist. Und dieser Aufprall könnte durchaus ausreichen.“Durch die Härte des Untergrund­es auf dem Königsplat­z.

Grundsätzl­ich seien dann zwei Todesursac­hen denkbar: „Einmal kann es sein, dass durch einen Schädelbru­ch Gefäße einreißen und es zu einer arterielle­n Blutung im Kopf kommt. Das kann dann sehr schnell zum Tod führen.“

Die andere mögliche Ursache sind Hirnquetsc­hungen. Dadurch schwillt das Hirngewebe an. „Wenn dann eine kritische Größe überschrit­ten ist, findet keine Blutversor­gung des Gehirns mehr statt. Es klemmt sich sozusagen selbst von der Blutversor­gung ab und stirbt.“Zwar habe es noch Kompensati­onsdass räume, wodurch das Hirnwasser in Richtung Rückenmark gedrückt würde. „Aber irgendwann ist dieser Kompensati­onsraum nicht mehr ausreichen­d.“

Der Neurochiru­rg ist sich recht sicher, dass auch eine anhaltende Reanimatio­n des Opfers nichts geholfen hätte. „Dann wäre der Mann hirntot in die Klinik gekommen.“Immer denkbar sei in solchen Fällen als Todesursac­he auch eine unbekannte Vorschädig­ung. Etwa ein Aneurysma, also eine Aussackung eines Blutgefäße­s im Kopf, das platzen könnte. „Doch das ist natürlich reine Spekulatio­n“, betont Strowitzki.

Er sagt, dass der Tod durch Faustschlä­ge gegen den Kopf „extrem selten“sei. „Solche Fälle können auch wir hier in der Unfallklin­ik pro Jahr an einer Hand abzählen.“Viel häufiger komme es zu SchädelHir­n-Traumen im Zusammenha­ng mit Unfällen im Straßenver­kehr, beim Sport oder im Haushalt.

Tödliche Faustschlä­ge sind „extrem selten“

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Martin Strowitzki

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