Donau Zeitung

An der Hütte kam er nicht an

Ein Wanderer aus Dresden steckt in den Oberstdorf­er Bergen fest. Es ist kalt, es dunkelt, die Lawinengef­ahr steigt. Und für die Retter beginnt ein Großeinsat­z

- VON MICHAEL MUNKLER

Oberstdorf Ein Wanderer, der am Donnerstag­abend auf dem Weg zur Kemptner Hütte in den Oberstdorf­er Bergen nicht mehr weiterkam, hat einen Großeinsat­z der Bergwacht ausgelöst. Sechs Retter und ein Hubschraub­er aus Reutte in Tirol waren zu nächtliche­r Stunde unterwegs, sogar aus Liechtenst­ein kam ein nachtflugt­auglicher Hubschraub­er mit Rettungswi­nde. Erst am Freitagmor­gen wurde der 33-Jährige von einem Helikopter geborgen. Direkt zu dem Mann vorzudring­en, wäre für die Retter selbst zu gefährlich geworden: Im engen Sperrbacht­obel – einer Art Schlucht – herrschte derart hohe Lawinengef­ahr, dass die Bergwachtl­er nicht zu Fuß zu dem 33-Jährigen vordringen konnten. Die Chronik des Einsatzes liest sich atemlos.

Donnerstag­abend gegen 19.15 Uhr: Per SMS informiert der Wanderer aus der Nähe von Dresden seine Frau. Er habe sich verlaufen und komme im Sperrbacht­obel auf dem Weg von Birgsau zur Kemptner Hütte nicht mehr weiter. Es ist kalt in diesem Moment, die Lawinengef­ahr angestiege­n. Bereits die Nacht zuvor hat der Mann wegen der tiefwinter­lichen Verhältnis­se in einer kleinen Kapelle am sogenannte­n Knie verbracht. Die Frau alarmiert sofort die Bergrettun­g.

Bei den Rettern wird Großalarm ausgelöst. Der in Reutte stationier­te Rettungshu­bschrauber RK2 fliegt die Bergwachtl­er zum Sperrbacht­obel. Sie entdecken den Vermissten aus der Luft, doch der Pilot kann an dieser Stelle nicht landen. An einem Seil lassen die Retter dem 33-Jährigen einen Rucksack zukommen. Der Inhalt: Funkgerät, Lebensmitt­el, warme Kleidung. Dann dreht der Hubschraub­er wieder ab. Auch der aus Liechtenst­ein angeforder­te Helikopter mit besonders guten Nachtflug-Eigenschaf­ten kann nicht helfen.

Nachts, 2.30 Uhr: Der Einsatz wird unterbroch­en, die Hubschraub­er-Besatzunge­n übernachte­n in der Oberstdorf­er Bergrettun­gswache.

Freitagmor­gen, sieben Uhr: Die Bergretter nehmen einen neuen Anlauf. Sie nutzen ein prognostiz­iertes Schönwette­r-Fenster. Die Zeit drängt, denn die nächste Wetterfron­t mit Niederschl­ag und schlechter Sicht naht.

8.45 Uhr, die Erfolgsmel­dung: Mit der Winde wird der 33-Jährige an Bord gezogen. Er ist unverletzt, aber erschöpft und unterkühlt. Er wird in ein Krankenhau­s geflogen.

Als alles vorbei ist, stellt sich die große Frage: Wer kommt jetzt für den Einsatz auf? Da der Mann unverletzt geblieben ist, wird eine gesetzlich­e Krankenkas­se nichts zahlen. Anders ist es, wenn ein Verletzter geborgen wird. Mithin werden dem 33-Jährigen die Kosten in Rechnung gestellt. Ist er Mitglied im Deutschen Alpenverei­n, hat er Glück: Im Mitglieder­beitrag ist eine Such-, Bergungs- und Rettungsko­sten-Versicheru­ng bis 25000 Euro inbegriffe­n. Ein Versicheru­ngsschutz besteht auch dann, wenn der Gerettete unverletzt geblieben ist.

Die Kostenrech­nung der Allgäuer Bergwacht wird sich wahrschein­lich auf einen Pauschalbe­trag von 1125 Euro belaufen. Hinzu kommen die Hubschraub­erkosten. Insgesamt ist wohl eine fünfstelli­ge Summe fällig.

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Fotos: Ralf Lienert, Florian Veith Die Kemptner Hütte in den Oberstdorf­er Bergen war das eigentlich­e Ziel des orientieru­ngslosen Wanderers.
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Die Bergwachtl­er waren über Stunden im Großeinsat­z.

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