Donau Zeitung

Enkeltaugl­ich

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger-allgemeine.de

Nicht alles, was alltagstau­glich ist, ist auch enkeltaugl­ich. Das Dieselauto zum Beispiel, Plastikspi­elzeug, Kohleöfen und der alte Gefriersch­rank. Zu gefährlich? Ja. Aber weniger, weil ein Kind überfahren werden, an Kleinteile­n ersticken, sich verbrühen oder ins Eisfach klettern könnte. Sondern gefährlich und schädlich fürs Weltklima. Eine neue Bewegung geht durchs Land: In Kursen, die wie Selbsthilf­egruppen aufgezogen sind, lernen immer mehr Menschen ein „enkeltaugl­iches Leben“.

Erwachsene werden ertüchtigt, der Umwelt der Zukunft ein guter Vorfahr zu sein, ein Urahn mit sanftem ökologisch­em Fußabdruck statt ein rücksichts­loser Trampel, der die Natur plattmacht. Anders ausgedrück­t: Wenn Greta mal Oma und Uroma ist, soll die Menschheit noch einen Planeten bevölkern können, der was taugt.

Das Etikett „enkeltaugl­ich“hat rasend schnell einen gesellscha­ftlichen Riesen-Fußabdruck hinterlass­en. Fährtenles­er stoßen auf ein „Bündnis für enkeltaugl­iche Landwirtsc­haft“oder ein „Manifest für enkeltaugl­iche Unternehme­n“. Versuchte man früher, klimafreun­dlich, ressourcen­schonend oder nachhaltig, jedenfalls irgendwie „bio“zu leben, so heißt das neue Mantra der Umweltbewu­ssten: enkeltaugl­ich. Auch zwei Generation­en vorausscha­uend soll die Erde noch bewohnbar und „lebenstaug­lich“sein. Und zwar mit Tauglichke­itsgrad 1, ohne Einschränk­ungen.

Das großväterl­ich klingende Credo der Bewegung lautet: „Sei du selbst die Veränderun­g, die du dir wünschst für diese Welt.“Ob in der Kolpingfam­ilie Berchtesga­den oder der Volkshochs­chule Rupertiwin­kel: Überall versammeln sich der Zukunft verpflicht­ete Menschen unter Anleitung von zertifizie­rten „Spielleite­rinnen und Spielleite­rn“zu Lernrunden, in denen sie „konkrete Schritte in Richtung ,Enkeltaugl­ichkeit‘ setzen“. Enkeltaugl­ich ist auch nur ein anderes Wort für das Wissen darum, dass wir die Erde von unseren Kindern nur geborgt haben. Und mit Ausgeliehe­nem, egal ob Buch, Bohrmaschi­ne oder Erde, sollte man achtsam umgehen. Das ist gleichsam eine Art „Green Deal“.

Bislang war die Tauglichke­it eher praktisch gedacht. Ob ein Geschirr spülmaschi­nentauglic­h, ein Bollerwage­n geländetau­glich, ein Verteidige­r bundesliga­tauglich und man selbst nach der Weihnachts­feier noch fahrtaugli­ch ist – solche Fragen, mit denen man im übrigen Enkel nicht behelligen wollte. Und jetzt, ihr letzten noch zögernden Klima-Taugenicht­se: Geht in euch, stoßt den SUV ab und macht die Zukunft zu einem brauchbare­n Ort.

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