Das Krippen-Einmaleins
Johanna Reiter aus Pfaffenhofen baut in unglaublicher Vielfalt die Geschichten von der Geburt Christi nach. Dabei haben jede Szene und jede Figur ihre Bedeutung
Buttenwiesen Warum? – Diese Frage kann man Johanna Reiter ´zigmal stellen. Wie ein Kind staunt der Betrachter über ihre unglaublich reichhaltige Krippen-Wunderwelt. Spannende Geschichten tun sich da auf, jedes Werk von ihr ist wie ein Bilderbuch oder Lehrheft aus dem Krippen-Einmaleins. Maria, Josef und das Kind, Ochs und Esel dahinter im Stall, darüber der Engelsgruß und ein paar Hirten und Schafe, die sich um die Szene tummeln. – Das herkömmliche Bild der Weihnachtskrippe, festgezurrt in Regeln und Vorstellungen, ist längst überholt. Die Krippenbaumeisterin Johanna Reiter kennt die überlieferten Vorgaben alle, die Bedeutung jeder einzelnen Figur.
Doch auch beim Krippenbau ändert sich die Welt zusehends. Das „himmlische Paar“wird in vielen Szenen des täglichen Lebens dargestellt und so lebendig und greifbar. Die Gottesmutter, die in alten Darstellungen meist ehrfürchtig vor dem Kind kniet, wird heute gezeigt als junge Frau, die sich auch mal an ihren Josef schmiegt, oder als Mutter, die ihr Kind stillt. Und Josef ist nicht mehr nur der etwas ältere Herr, der streng seine Familie bewacht, sondern er lässt sich herab zum Kind, mit dem er spielt und für das er die Täubchen heranlockt. Die „Heilige Familie“rückt dem Betrachter nahe, es wird für ihn greifbar, dass Gott Mensch geworden ist, wie es das christliche Weihnachtsfest symbolisiert.
Als Johanna Reiter – die Pfaffenhofenerin ist die Vorsitzende des Krippenvereins Mertingen – vor sieben Jahren in Wörgl und Innsbruck ihre Meisterprüfung ablegte, lernte sie viel über die Symbolik der Krippe. „Eigentlich ist jedes Detail von Bedeutung,“erklärt sie, nichts sei dem Zufall überlassen. Der Stall von Bethlehem, in dem Jesus zur Welt kam, wird meist als alter, ärmlicher Stadel mit verwitterten Brettern gebaut. Oder die Geburt spielt sich in einer bröckelnden Ruine ab. „Das ist nicht Romantik“, sagt Johanna Reiter, „das bedeutet den Niedergang der antiken, heidnischen Welt. Die Ruinen sind das Alte Testament. Jetzt beginnt eine neue Zeit mit der Geburt Christi.“In fast jeder Krippe gibt es eine Brücke. Auch sie stellt den Übergang in eine andere Epoche dar. Und der idyllische Brunnen, aus dem eine Magd Wasser schöpft oder die Schafe trinken? Er verdeutlicht den Zugang zum Inneren der Erde und zu den Quellen des Lebens. Der Zaun hingegen, der in jeder Krippe zu finden ist, gilt als schützende Begrenzung und Schwelle zwischen Erde und Paradies, zwischen gestern und morgen und verdeutlicht Realität und Krippenwelt. Auch und Esel dürfen nicht fehlen. Der Ochse wird laut Johanna Reiter auch „Patron des Stalles“genannt, steht hinter Josef auf der rechten Seite und symbolisiert das Judentum. Der Esel steht auf der linken Seite hinter Maria und ist Zeichen für das Heidentum.
Und es gibt einen sogenannten „inneren Kreis“der Krippe. Zu seinen Figuren zählen die Heilige Familie mit Ochs und Esel, Engel, die Heiligen Drei Könige und drei Urhirten, denen der Erzengel Gabriel die Frohe Botschaft der Geburt Jesu überbrachte. Im „äußeren Kreis“einer Krippe zeigen sich verschiedene Darstellungen. Sie bringen Berufe, Lebensfreude, Krankheit, Armut und Reichtum zum Ausdruck.
Johanna Reiter lehrt in vielen Kursen in Mertingen jedes Jahr den Krippenbau. Sie gibt allen Teilnehmern das „Krippen-Einmaleins“mit auf den Weg. Neben aller Symbolik sind aber dem Krippenbau keine Grenzen gesetzt. „Wir müssen auch unsere jetzige Welt darstellen“, sagt Johanna Reiter. Jeder baue seine eigenen Gedanken in die Krippe ein. So erklärt es sich, dass in Johanna Reiters Krippen manchmal der Ochse fehlt und durch eine Kuh ersetzt wird: „Das Jesuskind braucht Milch“, hat sie ganz praktische Gedanken. Und sie findet es oft reizvoll, wenn der Esel zur Stalltür heraus schaut und von gackernden Hühnern umringt wird. Auch vom Material her verändert sich der moOchs derne Krippenbau. Neben traditionellem Holz wird Hartschaum oder Styrodur verwendet, das sich leicht verarbeiten lässt. Auch Glas ist erlaubt: Eine Krippe mit gläsernen Figuren steht in ihrem Haus in Pfaffenhofen unter einer Glasglocke – reizvolles Beispiel einer modernen Krippengestaltung.
OKrippenausstellung In Mertingen zeigt Johanna Reiter eine vielfältige Krippenwelt, die in ihren Kursen gefertigt wurde. In der Grundschule, Ostergasse 23, werden vom 29. Dezember bis 1. Januar, 80 selbst gestaltete Krippen ausgestellt. Vom 3. Januar bis 2. Februar öffnet Johanna Reiter ihr Privathaus mit einer Krippenschau. Anmeldungen unter Telefon 08274/256.