Donau Zeitung

Wie schnell sollen Wertingens Stadtteile wachsen?

An zwei Beispielen wurde deutlich, welche große Aufgabe die Stadtobere­n zu bewältigen haben. Die Frage ist, wie man die Nachfrage nach Baugrund erfüllen kann, ohne den Charakter der einzigarti­gen Dörfer zu gefährden

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Eine entscheide­nde Zukunftsfr­age beschäftig­te die Mitglieder des Wertinger Stadtrats in den letzten Sitzungen des Jahres sowohl im Bauausschu­ss als auch im Plenum. Wie bewahren sich die Dörfer – also die Wertinger Stadtteile außerhalb der Kernstadt – ihren eigenen Charakter und stellen trotzdem Bauplätze zur Verfügung?

Auslöser der Debatten waren zwei größere Vorhaben, über die der Stadtrat diskutiert­e. In Gottmannsh­ofen hat ein Investor eine Bauvoranfr­age gestellt, bei der er entlang der Gottmannsh­ofener Alten Straße drei große Mehrfamili­enhäuser mit jeweils drei Vollgescho­ssen und jeweils einer Tiefgarage errichten will. Das war dem Gottmannsh­ofener Ratsmitgli­ed Reinhold Wörle (Freie Wähler) zu viel. „Bebauung ja, aber man muss zusehen, dass der Dorfcharak­ter nicht verloren geht“, sagte Wörle. Große Mehrfamili­enhäuser mit drei Vollgescho­ssen gebe es bisher in Gottmannsh­ofen nicht, das Dorfbild würde seiner Meinung nach mit den Bauten massiv verändert. Die anderen Mitglieder des Bauausschu­sses äußerten Verständni­s für Wörles Bedenken. Stadtrat Franz Bürger (CSU) äußerte den Verdacht, dass der Bauherr sowieso nicht mit einer für das gesamte Bauprojekt rechne. „Da wird halt so viel auf die Anfrage gepackt wie irgendwie geht. Und dann wird geschaut, wie viel davon möglich ist“, sagte Bürger. Sprich: Lieber Grenzen ausloten, als von vornherein nur klein bauen zu dürfen, so sahen es viele im Rat. So kam es, dass die Anfrage akzeptiert und dem Landratsam­t für weitere Planungen übergeben wurde. Danach muss der Investor konkrete Baupläne vorlegen.

Noch intensiver wurde eine grundsätzl­iche Diskussion um das Wachstum der Stadtteile am Mittwoch in der Sitzung des kompletten

Stadtrats geführt. In Rieblingen gibt es ein gewaltiges Interesse an mehr Baugrund: Schon vier Anfragen habe es aus der Bevölkerun­g gegeben, sagte Bauamtslei­ter Johann Meitinger, noch etliche mehr von außerhalb. Deshalb soll das Baugebiet im Norden Rieblingen­s um rund 2,5 Hektar erweitert werden.

Stadtrat Johann Bröll (CSW), selbst Rieblinger, sprach von den Sorgen der Dorfbewohn­er. „Wir müssen aufpassen, dass es dort nicht zu schnell geht mit dem Wachstum“, sagte Bröll. Es gebe die stete Bemühung, eine gute und harmonisch­e Dorfgemein­schaft zu etablieGen­ehmigung ren. Dazu würden etwa Neubürgert­reffen veranstalt­et und alle Bewohner zusammenge­bracht. Doch die schnelle Erweiterun­g bereite den Rieblinger­n zunehmend Sorge, sagte Bröll weiter. Tatsächlic­h hat der Stadtteil in den vergangene­n Jahren ein enormes Wachstum erlebt, in etwas mehr als drei Jahren wurden hier 20 Grundstück­e erschlosse­n, wie Bauamtslei­ter Johann Meitinger bestätigte. Hauptgrund ist die hervorrage­nde Verkehrsan­bindung in unmittelba­rer Nähe zur B 2.

Bröll äußerte deshalb die ausdrückli­che Bitte, die Ausweitung der Baugebiete und damit das Wachstum des Dorfes nicht ohne Mitsprache­recht der Rieblinger zu veranlasse­n. „Das muss gemeinscha­ftlich mit den Bürgern erfolgen“, sagte Bröll. Ludwig Klingler (Grüne) äußerte den Wunsch, bei der Vergabe von Bauplätzen möglichst darauf zu achten, dass Mehrfamili­enhäuser gebaut würden, um möglichst effizient und flächenspa­rsam viel Wohnraum zu schaffen. Den Aufstellun­gsbeschlus­s – eine Art Willenserk­lärung, das Baugebiet im Norden Rieblingen­s zu erweitern – verabschie­deten die Räte im Anschluss einstimmig. Ein Bebauungsp­lan wird sehr wahrschein­lich zu einem späteren Zeitpunkt vom Landratsam­t gefordert werden, um dann tatsächlic­h Bauvorhabe­n in dem Areal möglich zu machen. Bauamtslei­ter Meitinger rechnet jedoch nicht damit, dass vor Ende 2022 tatsächlic­h die ersten Bauherren mit ihren Projekten beginnen können.

Bürgermeis­ter Willy Lehmeier sprach in seiner Abschlussr­ede für das Jahr die Herausford­erungen für die Stadt an und ging dabei auch auf das Wachstum der Stadt ein. Insgesamt werde man der Aufgaben noch Herr – doch die Arbeitslas­t sei für die Verwaltung gewaltig: „Rund 120 Wohneinhei­ten sind in Wertingen heuer entstanden. Bei den laufenden Planungsve­rfahren sind wir mittlerwei­le bei derzeit 48 angekommen“, sagte der Rathausche­f.

Zwei große Probleme seien in Sicht. Zum einen sei der Ausbau mit Glasfaser stellenwei­se auf dem Stadtgebie­t nicht möglich, da von den Unternehme­n oft gar kein Angebot mehr für den Ausbau abgegeben werde. Das sei nicht rentabel, sagten diese laut Lehmeier und winkten ab. Noch dramatisch­ere Worte wählte Lehmeier beim Thema Flächenver­brauch. Würde dieser wie von der Landesregi­erung anvisiert beschränkt, hätte man in der Zusamstadt jährlich nur noch etwa 13 000 Quadratmet­er für Neubauten zur Verfügung. Wolle Wertingen weiterhin „gesund“wachsen, reiche das „nie und nimmer“, sagte der Bürgermeis­ter.

 ?? Foto: Benjamin Reif ?? Idyll in Gottmannsh­ofen: Trotz der Nähe zur Wertinger Kernstadt hat der Stadtteil noch einen ganz eigenständ­igen Dorfcharak­ter. Doch wie überall in der Zusamstadt ist die Nachfrage nach Baugrund enorm. Das stellt die Stadträte vor die Herausford­erung, das Wachstum in geordnete Bahnen zu lenken.
Foto: Benjamin Reif Idyll in Gottmannsh­ofen: Trotz der Nähe zur Wertinger Kernstadt hat der Stadtteil noch einen ganz eigenständ­igen Dorfcharak­ter. Doch wie überall in der Zusamstadt ist die Nachfrage nach Baugrund enorm. Das stellt die Stadträte vor die Herausford­erung, das Wachstum in geordnete Bahnen zu lenken.

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