Donau Zeitung

Mit ihrem Buch will sie Kindern helfen

Anna-Maria Böswald hat ihre Zwillinge nach der Geburt sterben sehen. Nicht nur für sie und ihren Mann war das ein Trauma. Auch der Sohn litt. Daraufhin schrieb sie ein Kinderbuch

- VON INA MARKS

Tapfheim Wahrschein­lich wird man einen Schicksals­schlag, wie ihn Anna-Maria Böswald erlebt hat, nie verwinden. Man kann nur lernen, mit ihm zu leben. Die 35-Jährige aus Tapfheim hat vor über drei Jahren ihre Zwillinge verloren. Sie starben kurz nach der Geburt im Augsburger Josefinum in ihren Armen.

Nicht nur für Böswald und ihren Mann war die Erfahrung traumatisc­h, sondern auch für den Sohn. Er hatte sich auf seine Geschwiste­r gefreut. Deshalb hat Böswald ein Buch geschriebe­n. „Trotzdem großer Bruder“heißt das bunt illustrier­te Werk. Es richtet sich an Geschwiste­r von „Sternenkin­dern“. Kindern also, die keine

Chance auf das Leben hatten. Aus eigener Erfahrung weiß AnnaMaria Böswald, dass Geschwiste­r in solchen Momenten des

Schmerzes und der Trauer zu kurz kommen können. Auch sie leiden unter dem Verlust. Das beobachtet­e sie an ihrem Sohn, der acht Jahre alt wird. „Für meinen Mann und mich war es wichtig, uns von unseren verstorben­en Kindern zu verabschie­den, um das in unser Leben zu integriere­n.“Diese Chance habe ihr Sohn nicht gehabt: „Wir wussten damals nicht, ob wir ihm seine Brüder zeigen sollten.“. Ihr privates Umfeld habe abgeraten: „Der Junge bekomme einen Schock fürs Leben“, habe es geheißen. Ihr Sohn, damals vier, konnte mit dem Tod freilich nichts anfangen. Er wusste nur, dass seine BrüLudlu der im Bauch der Mutter sind, plötzlich aber nicht mehr da waren. Für betroffene Geschwiste­rkinder sei so ein Schicksal schwierig, weiß jetzt die gelernte Erzieherin und Ergotherap­eutin. „Sie merken, dass ihre Eltern sich verändern, traurig sind und die Menschen um einen herum so komisch schauen“, erklärt Böswald die Perspektiv­e ihres Sohnes. „Warum durften sie nicht leben?“habe er seine Mutter immer wieder gefragt.

Auch Wut und Vorwürfe hätten sich bei dem Kleinen darunter gemischt. Böswald sagt, sie sei mit Worten nicht mehr weiter gekommen. „Ich suchte nach Büchern und Filmen, die diese Problemati­k aufgreifen.“Zwar habe es viele Kinderbüch­er über Tod und Trauer allgemein gegeben, aber nicht speziell zum Thema Sternenkin­der. So kam die 35-Jährige auf die Idee, selber eines zu schreiben. In „Trotzdem großer Bruder“geht es um Katerkind Ludlu, das sich auf die Suche nach seinem Geschwiste­rchen in den Sternenhim­mel begibt. Denn zu Hause ist nichts mehr, wie es zuvor war. Alle sind schrecklic­h traurig und die Eltern bemerken ihn gar nicht mehr. Von seiner Mutter weiß der kleine Kater, dass das Geschwiste­rchen jetzt als kleines Sternchen im Himmel lebt. Also macht sich Ludlu auf die Reise… Ludlu gibt es wirklich.

– so heißt ein Stofftier von Böswalds Sohn. Ohne Ludlu habe er nicht einschlafe­n können, er fand Trost bei ihm. So entstand die Geschichte. Zuspruch erhielt Böswald von Freunden, die von der Erzählung angetan waren. Sie ermunterte­n die Mutter, das Skript an einen Verlag zu schicken.

Böswald hatte zwar keine große Hoffnung, versuchte aber ihr Glück – und landete einen Treffer. Der österreich­ische Verlag „Edition Riedenburg“wollte ihre Geschichte haben.

Die Illustrati­onen fertigte Böswald selbst an, auch wenn sie so etwas zuvor noch nie gemacht hatte, wie sie zugibt. Das Buch ist in der Kinderbuch­reihe Mikromakro erschienen. Es beinhaltet auch Seiten, auf denen Eltern und Kinder aktiv mitgestalt­en können. Die Autorin ging das Buch mit ihrem Sohn durch. „Es hat bei ihm einen großen Effekt gehabt.“

Letztendli­ch habe es ihnen beiden geholfen. Böswald hat unlängst zudem ihre Ausbildung zu einer sogenannte­n „Sternenkin­dbegleiter­in“abgeschlos­sen. Jetzt kann sie Eltern beistehen, die ein ähnliches Schicksal erleiden müssen.

O„Trotzdem großer Bruder“ist erschienen bei „Edition Riedenburg“und sowohl online als auch über den Buchhandel für 14,95 Euro erhältlich.

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Foto: Böswald Anna-Maria Böswald hat nach ihrem Schicksals­schlag das Buch „Trotzdem großer Bruder“geschriebe­n.

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