Der CDU-Funktionär und die Neonazis
Vergangenheit eines Kreispolitikers führt zu nächster Krise der Kenia-Koalition
Magdeburg Als „Koalition der Vernunft“bezeichnet die CDU in Sachsen-Anhalt das Bündnis mit SPD und Grünen gern. Mit anderen Worten: Es gab nun mal keine andere Mehrheit – ohne die „extremen Ränder“, wie die CDU Linke und AfD nennt, die auf den Oppositionsbänken im Magdeburger Landtag sitzen. Doch nun befindet sich die Koalition von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erneut im Krisenmodus.
Dieses Mal geht es um einen CDU-Kreisvorstand aus AnhaltBitterfeld. Robert Möritz hat eingeräumt, vor acht Jahren als Ordner bei einer Neonazi-Demo gearbeitet zu haben. Aus dem Verein Uniter, der wegen extremistischer Bestrebungen auf dem Radar der Behörden ist, trat er laut CDU erst am Wochenende nach tagelangen Schlagzeilen aus. Und Möritz hat eine sogenannte Schwarze Sonne auf den Arm tätowiert – eine auch bei Neonazis beliebte Figur aus mehreren Hakenkreuzen.
Der Kreisvorstand der CDU Anhalt-Bitterfeld, in dem Möritz Beisitzer ist, stärkte ihm trotz allem den Rücken. Am Freitag beschloss das Gremium ohne Gegenstimme, auf einen Ausschluss aus dem Vorstand oder gar aus der Partei zu verzichten
– ein Freispruch erster Güte. Möritz habe angegeben, zum Zeitpunkt der Neonazi-Demonstration 19 Jahre alt gewesen zu sein. Politisch nicht gefestigt habe er sich mit Sympathisanten der rechten Szene umgeben. Aus „falsch verstandener Loyalität“sei er der Bitte dieser Leute nachgekommen, die Demo zu begleiten. Das sei ein Fehler gewesen.
Der Entschluss des CDU–Kreisvorstands sorgte bundesweit für Kritik: bei Sozialdemokraten, Grünen, Linken – aber auch in der Union.
Die Spitze der Landes-CDU meldete sich erst, als die Grünen in Bezug auf das Tattoo von Möritz fragten, für wie viele Hakenkreuze Platz in der CDU sei.
Der Generalsekretär der LandesCDU, Sven Schulze, forderte nach Telefonaten mit allen Kreisvorsitzenden wütend eine Entschuldigung und drohte mit dem Ende der Koalition. Auch Grüne und SPD dachten laut darüber nach, wie vernünftig die Zusammenarbeit überhaupt noch ist. Aus CDU-Parteikreisen war zu vernehmen, dass die konservative Basis am Regierungswillen der Grünen zweifelt und es satt habe, sich ständig gegen Extremismus-Vorwürfe zu wehren.
Dabei kommen Vorwürfe auch von Parteifreunden. „Ich verfolge das Geschehen in Sachsen-Anhalt mit einer gewissen Sprachlosigkeit“, sagte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz. „Den Parteifreunden in Sachsen-Anhalt empfehle ich das Lesen von Geschichtsbüchern und Verfassungsschutzberichten.“Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin
Karin Prien schrieb auf Twitter: „Es darf nicht der Hauch eines Zweifels bestehen bleiben, dass die Brandmauer steht, und zwar ohne Wenn und Aber und ab sofort.“
Es ist nicht das erste Mal, dass die Abgrenzung der Regierungsvertreter in Sachsen-Anhalt von den politischen Rändern im Fokus steht. In der Vergangenheit ging es beispielsweise um die aus CDU-Sicht mangelhafte Abgrenzung nach links des Grünen-Innenexperten Sebastian Striegel, der unter anderem weiterhin kleine Anfragen an die Regierung mit der Oppositionspolitikerin Henriette Quade von der Linken schrieb.
Und immer wieder gibt es auch wegen der ungeklärten roten Linie der CDU nach Rechtsaußen Streit: Vor zwei Jahren stimmten große Teile der CDU gegen ihre Koalitionspartner und mit der AfD für die Einsetzung einer Enquetekommission gegen Linksextremismus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sah sich gezwungen, ihre Parteikollegen öffentlich zu rügen: „Das entspricht nicht meiner Vorstellung von nicht zusammenarbeiten.“Aus Sicht von SPD und Grünen ist die Abgrenzung einzelner CDU-Abgeordneter nach Rechtsaußen löchrig bis nicht vorhanden.
Er war erst 19 und hatte angeblich keine Ahnung