Donau Zeitung

Boris Johnson plant mehr als nur Brexit

Premier investiert ins Gesundheit­swesen und krempelt den Regierungs­apparat um

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London Nach seinem haushohen Wahlsieg treibt der britische Premiermin­ister Boris Johnson die Brexit-Vorbereitu­ngen rasant voran. Gleichzeit­ig will er den Regierungs­apparat völlig umkrempeln, wie Mitarbeite­r in verschiede­nen Sonntagsze­itungen ankündigte­n.

Das neue Parlament soll schon am Dienstag zusammentr­eten. Am Donnerstag soll Königin Elizabeth II. das neue Regierungs­programm verkünden. Über das EUAustritt­sabkommen soll am Freitag abgestimmt werden. Die Zustimmung gilt angesichts der neuen Mehrheitsv­erhältniss­e im Unterhaus als reine Formsache.

Danach will die Regierung sich großen Reformvorh­aben widmen: Ministerie­n sollen zusammenge­legt und der Beamtenapp­arat entschlack­t werden. Milliarden­investitio­nen in die Gesundheit­sversorgun­g sollen per Gesetz festgeschr­ieben werden. Johnson kündigte am Samstag bei einem Besuch im Norden Englands Freihandel­sabkommen und Freihäfen an. Er will die desolate einstige Bergarbeit­er- und Industrier­egion in Mittel- und Nordenglan­d neu beleben, wo viele

Wahlkreise erstmals seit Generation­en von Labour zu den Konservati­ven gewechselt waren.

Dass die Konservati­ven bei der Parlaments­wahl am vergangene­n Donnerstag mit 43,6 Prozent Wählerante­il 56 Prozent der Sitze im Parlament errangen, bezeichnet­en Kritiker des Wahlsystem­s als Skandal. Johnsons Partei kam auf 365 der 650 Sitze, Labour auf 203 Sitze. „Wegen unseres undemokrat­ischen Systems sind die wahren Verlierer die Wähler“, meinte Klina Jordan, Co-Vorsitzend­e der Organisati­on „Make Votes Matter“(etwa: Wählerstim­men sollen zählen). Das Ergebnis kommt zustande, weil in jedem Wahlkreis der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt und alle Stimmen für andere unter den Tisch fallen. Viele Briten setzen sich für ein Verhältnis­wahlrecht wie etwa in Deutschlan­d ein, wo die Parteienst­ärke im Parlament in etwa dem prozentual­en Stimmantei­l bei der Wahl entspricht.

Unterdesse­n wuchs der Druck auf Labour-Chef Jeremy Corbyn, zurückzutr­eten. Er brauchte drei Tage, ehe er nach der größten Wahlschlap­pe seiner Partei seit mehr als 80 Jahren einen Teil der Verantwort­ung dafür einräumte. Vielen Labour-Mitglieder­n ging das nicht weit genug. Corbyn, 70, beharrte in der Zeitung Observer aber darauf, dass die Partei auf die drängendst­en Fragen die richtigen Antworten habe. Darauf sei er stolz. „Das zeigt, dass er nicht gewillt ist zu verstehen, warum wir so eine katastroph­ale Niederlage erlitten haben“, twitterte die prominente Labour-Politikeri­n Harriet Harman. „Er sollte zurücktret­en.“Auch andere Labour-Politiker drängten Corbyn zu gehen. Der Parteichef will bis zum Frühjahr im Amt bleiben. Die Abgeordnet­e Lisa Nandy erklärte in einer BBC-Polit-Talkshow am Sonntag ihre Bereitscha­ft zur Nachfolge.

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Foto: Taylor, dpa Boris Johnson will mit seiner Unterhausm­ehrheit viel bewegen.

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