„Söder tut Bayern richtig gut“
Interview Bertram Brossardt ist Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Er sieht die Arbeit der Staatsregierung aus Unternehmersicht positiv und die Große Koalition in Berlin als Unsicherheitsfaktor
Herr Brossardt, welche Folgen haben die ehrgeizigen Brüsseler Klimapläne? Bertram Brossardt: Die deutschen und auch Brüsseler Pläne zur CO2-Reduzierung führen zu einem extrem starken und schnellen Strukturwandel, insbesondere in der Autoindustrie. Die Firmen der Branche müssen einen sehr hohen Investitionsbedarf stemmen. Dadurch werden Arbeitsplätze wegfallen.
Was den Autoverkehr betrifft: Müssen wir jetzt radikal auf Elektromobilität setzen?
Brossardt: Ich plädiere für Technologieoffenheit. Wir müssen also den Diesel-Motor weiterentwickeln, weil wir dadurch auch die CO2-Belastung verringern können. Und parallel entwickelt die Industrie neben dem Elektro-Motor noch andere Technologien, darunter die Wasserstofftechnologie.
Ist der Diesel-Motor wegen des hohen Ausstoßes an Stickoxiden nicht längst ein Auslaufmodell?
Brossardt: Wir sind gegen DieselBashing. Denn wir brauchen den Diesel noch, um unsere CO2-Ziele zu erreichen. Der Diesel muss weiter optimiert werden. Wir dürfen aber auch kein Bashing gegenüber der E-Mobilität betreiben. Man muss im Kopf offen bleiben und auch die Chancen synthetischer Kraftstoffe nutzen, um den CO -Ausstoß zu verringern.
Die Internationale Energieagentur warnt jedoch eindringlich davor, Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel würden durch den SUV-Boom zunichtegemacht.
Brossardt: Es ist sachlich nicht richtig, dass ein SUV, was den CO2-Ausstoß betrifft, schlechter abschneidet als herkömmliche Fahrzeuge.
Das sieht die Internationale Energieagentur anders, wird doch allein bei der Herstellung von schweren SUVs mehr Öl als bei der Produktion von Kompaktwagen verbraucht. Brossardt: Wer so etwas behauptet, sollte sich erst einmal kundig machen. Die pauschale Aussage, dass ein SUV klimatechnisch schlecht ist, ist falsch. Ich verstehe die SUV-Debatte nicht. Und SUVs gibt es, weil viele Kunden genau solche Autos nachfragen. Im Mittelpunkt müssen immer noch die Bürger mit ihren Mobilitätsbedürfnissen stehen. Wir wollen die Gesellschaft nicht spalten, sondern zusammenführen.
Fahren Sie selbst einen SUV? Brossardt: Nein. Hätte ich das entsprechende Bedürfnis, würde ich einen SUV fahren. Aber ich habe es eben nicht.
Derzeit müssen die Auto-Unternehmen zeitgleich enorme Innovationslasten stemmen. Machen Sie sich Sorgen um die Firmen im Freistaat? Brossardt: Wir dürfen nicht vergessen, dass der Strukturwandel auch enorme Chancen für die Unternehmen in Bayern bietet, zum Beispiel was das autonome Fahren betrifft. Hier sind unsere Firmen im bundesweiten Vergleich überproportional gut aufgestellt. Das wiederum erfordert hohe Investitionen und eine Weiterqualifizierung von Mitarbeitern. Dieser Umwälzungsprozess strahlt von der Autoindustrie auf andere Branchen wie den Maschinenbau aus. Damit steht der Industriestandort Deutschland insgesamt vor einem Strukturwandel.
Schafft die deutsche Industrie diese Wende hin zur Digitalisierung, Elektrifizierung, weiteren Automatisierung und Künstlichen Intelligenz? Brossardt: Wir werden den Strukturwandel bewältigen, wenn die Politik – auf Bundes- wie auf bayerischer Ebene – den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Unterstützung dieses technologischen Wandels legt. Doch wenn seitens der Politik permanent Unklarheit herrscht, wie der Wandel zu bewältigen ist und der Wandel nicht schnell genug vorangetrieben wird, bekommen wir Probleme. Deswegen mein Appell: Was wir jetzt in Deutschland brauchen, ist vor allem Speed und noch mal Speed.
Also auf Deutsch: Geschwindigkeit. Brossardt: Genau.
Doch aus Unternehmersicht sind jetzt mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zwei Bremser an der SPDSpitze aufgetaucht. Sie wollen Firmen-Inhaber stärker belasten. Brossardt: Die derzeitige Verfassung der Großen Koalition stellt einen Unsicherheitsfaktor dar, was schlecht für die Wirtschaft ist. Deswegen appelliere ich an die SPD, sich an die Beschlüsse des Koalitionsvertrages zu halten und keine neuen Forderungen zu erheben. Bisherige Beschlüsse der Großen Koalition sind für Unternehmer schon schwer genug zu verkraften.
Die SPD setzt sich nach ihrem Linksschwenk sogar für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer ein. Brossardt: Das ist inakzeptabel. Eigentlich ist das ein Witz, dass die SPD jetzt Nachforderungen stellt, hat sie doch schon bisher in der Koalition Gesetze durchgesetzt, die zulasten der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gehen. Nun Nachforderungen zu stellen, ist aus meiner Sicht unrealistisch.
Dabei geht es der deutschen Metallund Elektroindustrie – also auch Autound Maschinenbauern – nicht mehr so gut. Die Branche befindet sich bundesweit in der Rezession. Wie ist die Lage in Bayern?
Brossardt: In Bayern ist die Lage wie in Baden-Württemberg noch ernster als im Bundesdurchschnitt. Schließlich ist der Anteil der Maschinenund Autobauer an der Industrie etwa im Freistaat höher als in anderen Bundesländern. Im Freistaat ist die Metallindustrie nicht nur technisch, sondern tatsächlich in der Rezession. Nach den letzten Zahlen ist die Produktion in dieser Schlüsselbranche im Freistaat im Zeitraum Januar bis September 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,8 Prozent gesunken, im Bundesschnitt verzeichnen wir hier ein Minus von 4,2 Prozent. Damit steckt die bayerische Metall- und Elektroindustrie tiefer in der Rezession, als insgesamt die Branche in Deutschland.
Wie lange muss die Metallindustrie in der Rezession verharren?
Brossardt: Das können wir derzeit nicht abschätzen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die bayerische Metallund Elektroindustrie anders als die Wirtschaft im Freistaat insgesamt auch kommendes Jahr zunächst in der Rezession verbleibt, zumindest in dem Fall, dass internationale Risiken der Zollpolitik Trumps oder des Brexits bestehen bleiben. Angesichts der weltweiten Unsicherheiten für die Konjunktur sollte die deutsche Politik alles unterlassen, was dieses Gefühl der Unsicherheit verstärkt.
Was fordern Sie konkret?
Brossardt: Ich würde mir von der Politik erwarten, dass jedes produzierte Auto bis zu seinem Lebensende auf deutschen Straßen gefahren werden darf.
Sind Sie mit der Arbeit von Ministerpräsident Markus Söder und seinem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zufrieden?
Brossardt: Wir sind mit der Wirtschaftspolitik Bayerns zufrieden. Hier wird gehandelt, wo anderswo nur geredet wird. In Bayern werden allein 300 Millionen Euro für den Umbau der Autoindustrie in die Hand genommen. Staatsregierung, Autohersteller, Zulieferer und Arbeitnehmervertreter haben eine Weiterbildungsoffensive für mehr als 50000 Beschäftigte in der Automobilbranche vereinbart. Entscheidend ist, was hinten rauskommt.
Das hat Ihr Pfälzer Landsmann Helmut Kohl auch gesagt. Kommt also in Bayern hinten genug für die Autoindustrie heraus?
Brossardt: Dafür stellt unter anderem das bayerische Automobilforum die Weichen. Es gibt keinen Grund für uns als Wirtschaftsvertreter, unzufrieden zu sein. Was soll man noch mehr machen? Arbeitgeber, Gewerkschafter und Politik in Bayern haben das Konzept dieses Forums kooperativ entwickelt. Und Ministerpräsident Söder tut Bayern richtig gut.
Auch in Bayern werden die wirtschaftlichen Zeiten härter. Immer mehr Betriebe müssen Kurzarbeit anmelden. Brossardt: Wir verzeichnen hier seit Oktober einen steilen Anstieg, was ein Alarmzeichen ist, wird doch auch parallel die Zahl der Zeitarbeiter reduziert. Wir erwarten für die nächsten Monate einen weiteren Anstieg der Kurzarbeit in Bayern. Wir rechnen bis Jahresende mit rund 500 Betrieben, die Kurzarbeit anmelden, was eine hohe Zahl ist, waren es doch vor einem Jahr nicht einmal 100.
Wie ernst ist die wirtschaftliche Lage in Bayern?
Brossardt: Wir sind ursprünglich für Bayern von einem Wachstum von 1,5 Prozent in diesem Jahr ausgegangen. Inzwischen rechnen wir mit 0,7 Prozent. Aber 0,7 Prozent sind immer noch ein Wachstum. Bertram Brossardt, 59, ist einer der mächtigsten Arbeitgebervertreter in Bayern. Denn der Jurist arbeitet als Hauptgeschäftsführer sowohl des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (VBM) als auch der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW).