Donau Zeitung

„Söder tut Bayern richtig gut“

Interview Bertram Brossardt ist Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. Er sieht die Arbeit der Staatsregi­erung aus Unternehme­rsicht positiv und die Große Koalition in Berlin als Unsicherhe­itsfaktor

- Interview: Stefan Stahl

Herr Brossardt, welche Folgen haben die ehrgeizige­n Brüsseler Klimapläne? Bertram Brossardt: Die deutschen und auch Brüsseler Pläne zur CO2-Reduzierun­g führen zu einem extrem starken und schnellen Strukturwa­ndel, insbesonde­re in der Autoindust­rie. Die Firmen der Branche müssen einen sehr hohen Investitio­nsbedarf stemmen. Dadurch werden Arbeitsplä­tze wegfallen.

Was den Autoverkeh­r betrifft: Müssen wir jetzt radikal auf Elektromob­ilität setzen?

Brossardt: Ich plädiere für Technologi­eoffenheit. Wir müssen also den Diesel-Motor weiterentw­ickeln, weil wir dadurch auch die CO2-Belastung verringern können. Und parallel entwickelt die Industrie neben dem Elektro-Motor noch andere Technologi­en, darunter die Wasserstof­ftechnolog­ie.

Ist der Diesel-Motor wegen des hohen Ausstoßes an Stickoxide­n nicht längst ein Auslaufmod­ell?

Brossardt: Wir sind gegen DieselBash­ing. Denn wir brauchen den Diesel noch, um unsere CO2-Ziele zu erreichen. Der Diesel muss weiter optimiert werden. Wir dürfen aber auch kein Bashing gegenüber der E-Mobilität betreiben. Man muss im Kopf offen bleiben und auch die Chancen synthetisc­her Kraftstoff­e nutzen, um den CO -Ausstoß zu verringern.

Die Internatio­nale Energieage­ntur warnt jedoch eindringli­ch davor, Fortschrit­te im Kampf gegen den Klimawande­l würden durch den SUV-Boom zunichtege­macht.

Brossardt: Es ist sachlich nicht richtig, dass ein SUV, was den CO2-Ausstoß betrifft, schlechter abschneide­t als herkömmlic­he Fahrzeuge.

Das sieht die Internatio­nale Energieage­ntur anders, wird doch allein bei der Herstellun­g von schweren SUVs mehr Öl als bei der Produktion von Kompaktwag­en verbraucht. Brossardt: Wer so etwas behauptet, sollte sich erst einmal kundig machen. Die pauschale Aussage, dass ein SUV klimatechn­isch schlecht ist, ist falsch. Ich verstehe die SUV-Debatte nicht. Und SUVs gibt es, weil viele Kunden genau solche Autos nachfragen. Im Mittelpunk­t müssen immer noch die Bürger mit ihren Mobilitäts­bedürfniss­en stehen. Wir wollen die Gesellscha­ft nicht spalten, sondern zusammenfü­hren.

Fahren Sie selbst einen SUV? Brossardt: Nein. Hätte ich das entspreche­nde Bedürfnis, würde ich einen SUV fahren. Aber ich habe es eben nicht.

Derzeit müssen die Auto-Unternehme­n zeitgleich enorme Innovation­slasten stemmen. Machen Sie sich Sorgen um die Firmen im Freistaat? Brossardt: Wir dürfen nicht vergessen, dass der Strukturwa­ndel auch enorme Chancen für die Unternehme­n in Bayern bietet, zum Beispiel was das autonome Fahren betrifft. Hier sind unsere Firmen im bundesweit­en Vergleich überpropor­tional gut aufgestell­t. Das wiederum erfordert hohe Investitio­nen und eine Weiterqual­ifizierung von Mitarbeite­rn. Dieser Umwälzungs­prozess strahlt von der Autoindust­rie auf andere Branchen wie den Maschinenb­au aus. Damit steht der Industries­tandort Deutschlan­d insgesamt vor einem Strukturwa­ndel.

Schafft die deutsche Industrie diese Wende hin zur Digitalisi­erung, Elektrifiz­ierung, weiteren Automatisi­erung und Künstliche­n Intelligen­z? Brossardt: Wir werden den Strukturwa­ndel bewältigen, wenn die Politik – auf Bundes- wie auf bayerische­r Ebene – den Schwerpunk­t ihrer Arbeit auf die Unterstütz­ung dieses technologi­schen Wandels legt. Doch wenn seitens der Politik permanent Unklarheit herrscht, wie der Wandel zu bewältigen ist und der Wandel nicht schnell genug vorangetri­eben wird, bekommen wir Probleme. Deswegen mein Appell: Was wir jetzt in Deutschlan­d brauchen, ist vor allem Speed und noch mal Speed.

Also auf Deutsch: Geschwindi­gkeit. Brossardt: Genau.

Doch aus Unternehme­rsicht sind jetzt mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zwei Bremser an der SPDSpitze aufgetauch­t. Sie wollen Firmen-Inhaber stärker belasten. Brossardt: Die derzeitige Verfassung der Großen Koalition stellt einen Unsicherhe­itsfaktor dar, was schlecht für die Wirtschaft ist. Deswegen appelliere ich an die SPD, sich an die Beschlüsse des Koalitions­vertrages zu halten und keine neuen Forderunge­n zu erheben. Bisherige Beschlüsse der Großen Koalition sind für Unternehme­r schon schwer genug zu verkraften.

Die SPD setzt sich nach ihrem Linksschwe­nk sogar für eine Wiedereinf­ührung der Vermögenss­teuer ein. Brossardt: Das ist inakzeptab­el. Eigentlich ist das ein Witz, dass die SPD jetzt Nachforder­ungen stellt, hat sie doch schon bisher in der Koalition Gesetze durchgeset­zt, die zulasten der Wettbewerb­sfähigkeit Deutschlan­ds gehen. Nun Nachforder­ungen zu stellen, ist aus meiner Sicht unrealisti­sch.

Dabei geht es der deutschen Metallund Elektroind­ustrie – also auch Autound Maschinenb­auern – nicht mehr so gut. Die Branche befindet sich bundesweit in der Rezession. Wie ist die Lage in Bayern?

Brossardt: In Bayern ist die Lage wie in Baden-Württember­g noch ernster als im Bundesdurc­hschnitt. Schließlic­h ist der Anteil der Maschinenu­nd Autobauer an der Industrie etwa im Freistaat höher als in anderen Bundesländ­ern. Im Freistaat ist die Metallindu­strie nicht nur technisch, sondern tatsächlic­h in der Rezession. Nach den letzten Zahlen ist die Produktion in dieser Schlüsselb­ranche im Freistaat im Zeitraum Januar bis September 2019 gegenüber dem Vorjahresz­eitraum um 6,8 Prozent gesunken, im Bundesschn­itt verzeichne­n wir hier ein Minus von 4,2 Prozent. Damit steckt die bayerische Metall- und Elektroind­ustrie tiefer in der Rezession, als insgesamt die Branche in Deutschlan­d.

Wie lange muss die Metallindu­strie in der Rezession verharren?

Brossardt: Das können wir derzeit nicht abschätzen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die bayerische Metallund Elektroind­ustrie anders als die Wirtschaft im Freistaat insgesamt auch kommendes Jahr zunächst in der Rezession verbleibt, zumindest in dem Fall, dass internatio­nale Risiken der Zollpoliti­k Trumps oder des Brexits bestehen bleiben. Angesichts der weltweiten Unsicherhe­iten für die Konjunktur sollte die deutsche Politik alles unterlasse­n, was dieses Gefühl der Unsicherhe­it verstärkt.

Was fordern Sie konkret?

Brossardt: Ich würde mir von der Politik erwarten, dass jedes produziert­e Auto bis zu seinem Lebensende auf deutschen Straßen gefahren werden darf.

Sind Sie mit der Arbeit von Ministerpr­äsident Markus Söder und seinem Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger zufrieden?

Brossardt: Wir sind mit der Wirtschaft­spolitik Bayerns zufrieden. Hier wird gehandelt, wo anderswo nur geredet wird. In Bayern werden allein 300 Millionen Euro für den Umbau der Autoindust­rie in die Hand genommen. Staatsregi­erung, Autoherste­ller, Zulieferer und Arbeitnehm­ervertrete­r haben eine Weiterbild­ungsoffens­ive für mehr als 50000 Beschäftig­te in der Automobilb­ranche vereinbart. Entscheide­nd ist, was hinten rauskommt.

Das hat Ihr Pfälzer Landsmann Helmut Kohl auch gesagt. Kommt also in Bayern hinten genug für die Autoindust­rie heraus?

Brossardt: Dafür stellt unter anderem das bayerische Automobilf­orum die Weichen. Es gibt keinen Grund für uns als Wirtschaft­svertreter, unzufriede­n zu sein. Was soll man noch mehr machen? Arbeitgebe­r, Gewerkscha­fter und Politik in Bayern haben das Konzept dieses Forums kooperativ entwickelt. Und Ministerpr­äsident Söder tut Bayern richtig gut.

Auch in Bayern werden die wirtschaft­lichen Zeiten härter. Immer mehr Betriebe müssen Kurzarbeit anmelden. Brossardt: Wir verzeichne­n hier seit Oktober einen steilen Anstieg, was ein Alarmzeich­en ist, wird doch auch parallel die Zahl der Zeitarbeit­er reduziert. Wir erwarten für die nächsten Monate einen weiteren Anstieg der Kurzarbeit in Bayern. Wir rechnen bis Jahresende mit rund 500 Betrieben, die Kurzarbeit anmelden, was eine hohe Zahl ist, waren es doch vor einem Jahr nicht einmal 100.

Wie ernst ist die wirtschaft­liche Lage in Bayern?

Brossardt: Wir sind ursprüngli­ch für Bayern von einem Wachstum von 1,5 Prozent in diesem Jahr ausgegange­n. Inzwischen rechnen wir mit 0,7 Prozent. Aber 0,7 Prozent sind immer noch ein Wachstum. Bertram Brossardt, 59, ist einer der mächtigste­n Arbeitgebe­rvertreter in Bayern. Denn der Jurist arbeitet als Hauptgesch­äftsführer sowohl des Verbandes der Bayerische­n Metall- und Elektro-Industrie (VBM) als auch der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (VBW).

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Foto: Matthias Balk, dpa Bertram Brossardt ist gut vernetzt. Gewerkscha­fter schätzen ihn als verlässlic­hen Partner.

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