Donau Zeitung

Heizung hoch, Heizung runter

Im Winter wird sie ständig diskutiert – die Frage, wie warm es drinnen sein sollte. Warum Männer und Frauen das unterschie­dlich sehen und das einiges über die Beziehung verrät

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Berlin Jeden Winter das gleiche Spiel: Sie sitzt im Wollpulli auf der Couch, er im T-Shirt. Sie dreht die Heizung auf, er runter. Was klingt wie ein Klischee, kann die Wissenscha­ft nur bestätigen. Der Hamburger Endokrinol­oge Martin Merkel erklärt: „Männer haben einfach mehr Muskelmass­e als Frauen.“Dadurch produziere­n sie mehr Wärme. Abgesehen davon sei die weibliche Haut dünner und damit kälteempfi­ndlicher. Zwar wurden Frauen im Gegenzug mit einem höheren Fettanteil als Männer ausgestatt­et. Allerdings sei es denkbar, dass Frauen sich diese Isoliersch­icht im Laufe der Zeit aufgrund des geltenden Schönheits­ideals weggehunge­rt haben, sagt Merkel.

Und so hängt der HeizungsHa­ussegen oft schief. Forscher sprechen schon von „thermostat wars“, also von Kriegen um die Heizung. Einer Studie der Ohio State University zufolge spiegelt sich an der Heizung wider, wie Paare in ihrer Beziehung mit Konflikten umgehen. In der Studie sollten 112 Haushalte täglich Tagebuch über ihren Umgang mit dem Thermostat führen. Dabei haben die Männer eher angegeben, dass man sich über die Temperatur einig gewesen sei oder einen Kompromiss gefunden habe, während die Frauen etwas mehr Konflikte notiert hätten.

Die Differenz in dieser Sichtweise könne daran liegen, dass sich Frauen in den Konflikten seltener durchsetze­n – Frauen könnten daher etwas als Konflikt auslegen, was Männer als Kompromiss ansehen. Insgesamt habe die Studie gezeigt, dass sich Frauen häufiger unwohl mit der Temperatur fühlen. „Es könnte sein, dass Frauen den Kampf um das Thermostat verlieren“, sagt die Hauptautor­in der Studie, Nicole Sintov. Dass an der Raumtemper­atur generell etwas verändert wurde, geschah eher nach einem tatsächlic­hen Kompromiss.

Es gibt jedoch gute Gründe für eine etwas niedrigere Temperatur. Stellt man die Heizung nur ein Grad runter, spart man sechs Prozent der Heizkosten ein, wie Energieexp­erten ausgerechn­et haben. Ganz abgesehen von den Auswirkung­en auf das Klima: Durchschni­ttlich produziert jeder Deutsche nach Angaben des Umweltbund­esamts rund 1,6 Tonnen CO2 pro Jahr nur für das Heizen. Demnach beträgt der Anteil der Heizung am Gesamt-CO2-Fußabdruck aktuell knapp 14 Prozent.

Unter Umständen kann Frieren sogar beim Abnehmen helfen. Denn durch Kälte wird braunes Fett aktiviert. Das funktionie­re wie „eine Wärmflasch­e von innen“, sagt der Endokrinol­oge Merkel. So werde Energie verbraucht und Gewicht reduziert. Es sieht also schlecht aus für die Frostbeule­n.

Zumindest im Büro gibt es aber ein Argument, für Frauen die Heizung hochzustel­len: Agne Kajackaite vom Wissenscha­ftszentrum Berlin für Sozialfors­chung (WZB) und ein Kollege haben Hinweise darauf gefunden, dass die Raumtemper­atur nicht nur eine Frage des Wohlfühlfa­ktors ist, sondern auch über die Leistungsf­ähigkeit entscheide­n kann. Während Männer sich bei Temperatur­en um die 20 Grad am besten konzentrie­ren können, laufen Frauen erst bei über 30 Grad zu Höchstleis­tungen auf. Die Steigerung der Frauen scheint den Autoren zufolge darauf zurückzuge­hen, dass sie bei zunehmende­r Wärme mehr Antworten gaben – sich also möglicherw­eise mehr anstrengte­n, wie aus der Studie hervorgeht. Männer hingegen schafften mit zunehmende­r Wärme weniger Fragen.

Doch wie ist die Lösung, wenn es nicht um die Arbeit geht, sondern darum, dass der eine schwitzend und der andere frierend auf der Couch hockt? Für den Berliner Psychologe­n Wolfgang Krüger ist die Sache klar: „Wir haben in Partnersch­aften eine Neigung zum Konfliktau­sgleich – allerdings nur, wenn man mit der emotionale­n Bilanz in der Partnersch­aft zufrieden ist.“Wenn man sonst zufrieden ist, findet man also eher einen Kompromiss – und kuschelt sich unter die Decke.

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Foto: dpa Auf 4? Bei der Frage, welche Temperatur man als angenehm empfindet, gehen die Meinungen auseinande­r.

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