Donau Zeitung

Der Mann, der den Sonderling gab

90 Prozent aller Angebote, die er bekomme, seien „immer diese verdrückte­n Typen“, hat Gerd Baltus mal gesagt. Der Schauspiel­er gehörte zu den meistbesch­äftigten im deutschen Fernsehen. Jetzt ist er mit 87 gestorben

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Hamburg Er galt als stiller Star und als Schauspiel­er mit einem Abo auf Sonderling­e: Gerd Baltus gehörte bei TV-Produktion­en oft dann zur bevorzugte­n Besetzung, wenn es um die Darstellun­g schwierige­r Individual­isten, ewiger Verlierer oder psychopath­ischer Figuren ging. Vor allem Serienmach­er engagierte­n den Schauspiel­er, der am Freitag im Alter von 87 Jahren in Hamburg starb. Ob Buchhalter oder Bösewicht – Baltus war eine Zeit lang einer der meistbesch­äftigten Schauspiel­er des deutschen Fernsehens. Mit seiner markanten Stimme hauchte er auch vielen Hörspielfi­guren Leben ein.

Gleich am Anfang seiner Arbeit vor der Kamera stand ein Preis: Als bester Nachwuchss­chauspiele­r erhielt er 1965 den Bundesfilm­preis für seine Rolle als Leutnant Beckerath in „Wälsungenb­lut“, der Verfilmung

der gleichnami­gen Thomas-Mann-Novelle. Da hatte Baltus die 30 schon überschrit­ten, reichlich Erfahrunge­n an Bühnen gesammelt und war noch Ensemblemi­tglied der

Münchner Kammerspie­le. Dabei hatte der Vater, ein Kaufmann, eine andere Laufbahn für ihn geplant: erst Abitur, dann Jura-Studium. Doch nach vier Semestern zog es den jungen Mann zum Theater.

Ohne Schauspiel­ausbildung gelang ihm 1953 ein Engagement am Hamburger Schauspiel­haus, dem er später unter Gustaf Gründgens bis 1956 angehörte. Es folgten das Bonner Theater und die Münchner Kammerspie­le, wo ihm in Max Frischs „Andorra“der Durchbruch gelang. Unter August Everding spielte er 1972 im Münchner Residenzth­eater neben Volksschau­spieler Heinz Rühmann in Harold Pinters „Der Hausmeiste­r“.

Ab Mitte der 70er konzentrie­rte Baltus sich komplett aufs Fernsehen. In der Serie „Der Kommissar“etwa hatte er bis dahin mitgewirkt, viele weitere sollten folgen: „PS – Geschichte­n ums Auto“, „Lorentz & Söhne“, „Derrick“, „Mit Leib und Seele“, „Ein Bayer auf Rügen“, „Unser Lehrer Doktor Specht“oder „Zwei Männer am Herd“sind nur einige Beispiele. Dazu immer wieder „Tatort“. Und zuletzt in „In aller Freundscha­ft“und „Danni Lowinski“.

Der große und stämmige Mime – gern etwas behäbig und verrückt wirkend – war gefragt. Aus seinem Sonderling-Image versuchte er stets auszubrech­en: „Also ich habe immer die Mühe, dass 90 Prozent aller Angebote, die ich bekomme, immer diese verdrückte­n Typen sind, und wenn einer mit diesen anderen 10 Prozent kommt, greife ich immer sofort zu, damit ich auch mal was anderes spiele.“Mit „verdrückte­n Typen“habe Baltus die leicht verklemmte­n, schwierige­n Sonderling­e gemeint, sagte seine Frau Brigitte dazu. Und dass er privat ganz anders gewesen sei – sehr beliebt bei den Kollegen und unglaublic­h witzig.

Baltus’ eigener Anspruch: „Ein Schauspiel­er darf nicht glatt sein, sondern muss manchmal bewusst Unzulängli­chkeiten in die Darstellun­g einer Person einbauen, um glaubwürdi­g zu wirken.“Die Liebe zu seinem Fach gab er Sohn Philipp mit: Auch dieser ist Schauspiel­er und Sprecher. Beide waren 2011 etwa in der Komödie „Der Mann, der alles kann“zu sehen. Privat bevorzugte Baltus Zurückgezo­genheit. „Er war einer der wenigen Schauspiel­er, die nie in einer Talkshow oder auf dem roten Teppich waren“, sagte seine Ehefrau. Er habe es nicht gemocht, wenn Schauspiel­er sich so produziert­en.

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Foto: Steffen, dpa Mehr als nur der Verdächtig­e im Freitagskr­imi: Gerd Baltus kannte man aus vielen TV-Produktion­en.

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