Donau Zeitung

So stehen Sie Trauernden bei

Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist, fallen die Angehörige­n oft in ein tiefes seelisches Loch. Freunde sind nicht selten verunsiche­rt, scheuen sogar den Kontakt. Dabei gibt es Möglichkei­ten der Hilfe

- VON ANGELA STOLL

„Wie geht’s?“Wer trauert, empfindet mitunter selbst eine scheinbar harmlose Frage wie diese als Ohrfeige. Denn üblicherwe­ise lautet die Antwort knapp „Passt schon“oder „Gut. Und selbst?“. Wie soll aber jemand reagieren, dessen innig geliebter Partner gerade gestorben ist? Was soll er sagen, wenn ihm für eine ehrliche Antwort die Worte fehlen? Und der andere sie wahrschein­lich auch gar nicht hören will? Um im Umgang mit Trauernden den richtigen Ton zu finden, braucht es Fingerspit­zengefühl. Denn wer trauert, ist tief verletzt und lebt oft in einer eigenen Welt. Kommt noch hinzu, dass jeder anders trauert.

„In der Tat nervt so ein flapsiges ,Wie geht’s?‘ viele Betroffene“, berichtet der Diakon Norbert Kugler, Leiter der Kontaktste­lle Trauerbegl­eitung in Augsburg. „Sie denken nämlich: Der andere muss doch wissen, dass es mir nicht gut gehen kann.“Die floskelhaf­te Frage vermittelt den Eindruck, dass eine echte Antwort gar nicht vorgesehen ist. Dadurch kann ein Trauernder in seinem Gefühl bestärkt werden, allein und unverstand­en zu sein. Besser ist es laut Kugler, konkreter zu fragen – etwa: „Wie geht es dir beziehungs­weise Ihnen heute? Was ist denn momentan besonders schwer?“Eine solche Ansprache wirkt persönlich­er und signalisie­rt, dass man an einer ehrlichen Antwort interessie­rt ist.

Wenn ein Bekannter um einen Angehörige­n trauert, löst das bei vielen Menschen Beklemmung aus. Sie werden mit ihren eigenen Ängsten konfrontie­rt: nämlich der Angst davor, selbst jemanden zu verlieren, und auch der Angst vor dem eigenen Tod. „Trauernde Menschen erleben, dass sie andere erschrecke­n“, sagt Kugler. „Wo auch immer sie auftauchen, bringen sie den Schatten des Todes mit. Das kann dazu führen, dass manche Leute die Straßensei­te wechseln, um ihnen nicht zu begegnen.“

Kommt hinzu, dass viele eine große Unsicherhe­it befällt, wenn sie es mit Trauernden zu tun haben: Wie sollen sie sich verhalten, damit keine peinliche Situation entsteht? „Wenn einem nichts einfällt, darf man ruhig sagen: Ich habe von deinem Trauerfall gehört und weiß jetzt gar nicht, was ich mit dir reden soll“, erklärt der Theologe. Grundsätzl­ich sei es immer besser, Menschen in einer solchen Situation – auf welche Weise auch immer – anzusprech­en, als sie zu meiden.

Um betretenes Schweigen zu vermeiden, flüchten sich Außenstehe­nde gerne in Floskeln. „Sie sagen schnell mal etwas wie ,Das wird schon wieder!‘ oder ,Kopf hoch!‘“, berichtet Anna Vogel von der Psychother­apeutische­n Hochschula­mbulanz der Uni Eichstätt-Ingolstadt. „Das sollen tröstende Worte sein. Sie sind aber nicht tröstlich. Vielmehr werden solche Phrasen von Trauernden eher als verletzend empfunden.“Überhaupt meinen viele irrtümlich­erweise, möglichst immer reden und etwas vermeintli­ch Positives sagen zu müssen. „Manchmal geht es einfach nur darum, da zu sein und das Schweigen auszuhalte­n“, sagt Vogel. „Das zu akzeptiere­n, fällt dem Umfeld aber oft schwer.“Häufig meinen Außenstehe­nde auch, Ratschläge erteilen zu müssen – sie werden von Menschen in Trauer aber oft eher als deplatzier­t denn als hilfreich empfunden. Eine typische Gesprächss­trategie sei auch, ausführlic­h von eigenen Trauererfa­hrungen zu erzählen. „Es ist aber wichtiger, zuzuhören, als die eigene Geschichte zu erzählen“, meint die Psychologi­n, die auf „Therapie anhaltende­r Trauer“spezialisi­ert ist.

Wie Menschen trauern und welche Erwartunge­n sie an ihr Umfeld haben, ist völlig unterschie­dlich. „Manche Menschen wünschen sich eine Ansprache. Andere reden von sich aus. Und andere möchten nicht darüber sprechen“, berichtet Norbert Kugler. Dabei gibt es keinen richtigen oder falschen Weg. „Jeder hat ein Recht, so zu trauern, wie er möchte.“Ähnlich äußert sich die Psychologi­n Vogel: „Man hat meist eine eigene Vorstellun­g davon, was gute Trauerarbe­it ist. Davon sollte man sich lösen und sich mit einer Bewertung zurückhalt­en.“Es sei zum Beispiel ein Mythos, dass es guttue, möglichst viel über den Schmerz zu reden. „Manche Menschen sprechen wenig über ihre Trauer und kommen trotzdem gut zurecht“, sagt sie.

Falsche Vorstellun­gen haben Außenstehe­nde oft auch von der Länge des Trauerproz­esses. Nach der Beerdigung, spätestens aber nach ein paar Monaten denken nämlich viele: Jetzt muss es doch mal gut sein! Die Realität sieht meist ganz anders aus. „Die Zeit zwischen Tod und Beerdigung ist keineswegs die schlimmste. Denn da ist der Verstorben­e ja noch da“, sagt der Theologe Kugler.

„Erst mit dem Ritual der Beerdigung wird der Verlust endgültig. Dann bricht die Sehnsucht nach dem Verstorben­en richtig durch.“Es folgt ein Trauerjahr, in dem alles zum ersten Mal ohne ihn stattfinde­t. Aber auch danach ist der Trauerproz­ess meist nicht einfach abgeschlos­sen: Er kann noch mehrere Jahre dauern. „Oft räumt man Trauernden nicht genug Zeit ein“, betont Kugler. „Das Umfeld hat meist die Erwartung, dass sie so schnell wie möglich wieder wie vorher werden.“Nach einer tief greifenden Trauererfa­hrung sei aber kaum jemand noch derselbe.

Vor diesem Hintergrun­d rät Anna Vogel Außenstehe­nden dazu, Geduld mit Trauernden zu haben und öfters auf sie zuzugehen. „Man sollte sich nicht verschnupf­t zurückzieh­en, wenn der Trauernde zum Beispiel eine Einladung zurückgewi­esen hat, sondern sie bei Gelegenhei­t wiederhole­n.“Am besten sei es, möglichst konkrete Angebote zu machen. Ein unverbindl­iches „Melden Sie sich, wenn Sie etwas brauchen“werde von Trauernden selten angenommen. Erfolgvers­prechender sei zu fragen: „Wie kann ich Ihnen helfen?“Oft könnten einfache, praktische Dinge eine Unterstütz­ung sein, meint die Psychologi­n. Auch Kugler sagt: „Manche Witwen wissen zum Beispiel nicht, wie sie die Heizung auf Winterbetr­ieb stellen oder den Garten winterfest machen sollen, weil das immer ihr verstorben­er Mann gemacht hat. Da Hand anzulegen, ist konkrete Nachbarsch­aftshilfe.“

Auch mit Kuchen kann man ein Zeichen setzen

Auch mit Häppchen oder Kuchen kann man ein Zeichen setzen: Ans Essen denken Menschen, die alleine trauern, erfahrungs­gemäß kaum. „Vielleicht möchte der Nachbar dann wissen, was das genau für ein Kuchen war, der so gut geschmeckt hat. Auch so kann man miteinande­r ins Gespräch kommen“, sagt Kugler.

Um ein Zeichen zu setzen, bieten sich auch bestimmte Jahrestage an. Die Psychologi­n Vogel sagt: „Weihnachte­n und Geburtstag­e sind schwierige Tage für die Hinterblie­benen.“Eine Karte oder ein Anruf sind schöne Gesten, um zu zeigen, dass man an sie denkt. „Wer näher dran ist, kann auch konkret fragen: Wie verbringst du Weihnachte­n? Möchtest du zum Essen kommen?“Auch wenn der Vorschlag abgelehnt wird, bleibt der Vorstoß Trauernden in der Regel in positiver Erinnerung. Das gilt auch dann, wenn man sich – aus welchen Gründen auch immer – erst nach Wochen oder Monaten meldet: „Um auf jemanden zuzugehen, ist es nie zu spät.“

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Foto: Kai Remmers, dpa Stirbt ein lieber Mensch, ist der Schmerz groß. Mit konkreten Hilfsangeb­oten und tröstenden Worten kann das Umfeld dem Trauernden beistehen.

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