Prima Klima
Nach dem Gerangel der letzten Wochen reißen sich Union und SPD am Riemen – und einigen sich mit den Grünen auf einen guten Kompromiss
Ob die Weihnachtszeit daran schuld ist, soll dahingestellt sein. Fest steht aber: So viel Koalitionsfrieden wie zu Beginn dieser Woche war zuletzt selten bei Schwarz und Rot. Beide Seiten haben sich zusammen mit den Grünen auf ein finales Klimapaket geeinigt, was umso bemerkenswerter ist, weil die Gemengelage äußerst kompliziert war. Es musste nicht nur die an sich schon komplexe Materie mit CO2-Bepreisung, Gebäudesanierung und Pendlerpauschale geeint werden. Darüber hinaus ging es noch darum, die Interessen von Bund und Ländern unter einen Hut zu bekommen.
Heraus kamen, kurz zusammengefasst, eine Erhöhung des Einstiegspreises bei der CO2-Abgabe von zehn auf 25 Euro pro Tonne sowie im Gegenzug Entlastungen durch eine Senkung der Ökostrom-Umlage und eine stärkere Anhebung der Pendlerpauschale. Erreicht wurde das durch einen kreativen Kniff: Die beteiligten Parteien einigten sich darauf, zuerst eine informelle Runde abzuhalten und mit deren Ergebnis dann in die formellen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu gehen. So versammelte sich am Sonntagabend in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern eine illustre Runde, um „vollkommen aggressivfrei“zu verhandeln, wie es ein Teilnehmer ausdrückte. Es ging dabei zu wie auf einem Viehmarkt.
Die Grünen, vertreten durch Winfried Kretschmann und Anton Hofreiter, wollten dem Vernehmen nach zunächst die Erhöhung der Pendlerpauschale nicht mittragen. Zum Ende des Treffens gegen zwei Uhr morgens waren sie dann doch dazu bereit, weil Union und SPD einem höheren CO2-Preis nachgaben. Die Grünen hatten zwar 40 Euro gefordert und gingen dann auf 35 Euro runter, am Ende waren es besagte 25 Euro – aber egal. Wichtig ist, dass am Ende etwas auf dem
Zettel stand, das dem Klimaschutz hilft, weil beim CO2-Preis diejenigen profitieren, die weniger von dem Treibhausgas produzieren. Und das die Bürgerinnen und Bürger über die Pendlerpauschale und den Strompreis finanziell entlastet.
Die Koalition hat damit nicht nur bewiesen, dass sie auch unter Volllast handlungsfähig ist und die Arbeit erledigen kann, für die sie gewählt wurde. Sie hat es auch geschafft, nach dem desaströs ergebnislosen Klimagipfel von Madrid ein beruhigendes Signal in der aufgeheizten Klimadebatte zu setzen. Unter Mithilfe der Grünen, deren Kompromissbereitschaft von Stärke zeugt und der Fähigkeit, in Zukunft wieder Regierungsverantwortung im Bund zu übernehmen.
Vor allem auf dem Land mit viel Strecke und wenig öffentlichen Verkehrsmitteln werden die Vorgaben
des Klimapakets mit Argwohn beobachtet. Wird das Benzin teurer – zehn Euro CO2-Preis bedeuten drei Cent mehr pro Liter –, trifft das vor allem die Menschen in der Fläche, die viel fahren müssen. Es bedeutet auch, dass sich Wähler angesichts höherer Belastungen im Zweifel der AfD zuwenden, die kostenfreien Umweltschutz verspricht oder den Klimawandel gleich ganz leugnet. Nicht umsonst drängten mit Manuela Schwesig und Stephan Weil zwei Ministerpräsidenten aus den Flächenländern Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen auf spürbare Kompensation. Die beiden SPD-Politiker wollen nicht, dass sich die AfD mit ihren bequemen Unwahrheiten gegen die in Teilen zunächst unbequeme Wahrheit durchsetzt.
Was auch zählt: Ohne Klimapaket hätte es auch die billigeren Zugtickets nicht gegeben, das wäre der Koalition wieder als Versagen vorgeworfen worden. So gibt es zum Jahresende versöhnliche Nachrichten von der Regierungsfront – und die hören wir immer gerne. Nicht nur zur Weihnachtszeit.
Auf dem Land sitzt die Skepsis tief