Altmaier bei Kohleausstieg in Verzug
Während die Koalition nach viel Kritik an den Klimabeschlüssen gemeinsam mit den Ländern Nachbesserungen erreicht, bleibt sie bei der Abschaltung alter Kraftwerke hinter ihrem Plan
Berlin Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) steht an der Seitenlinie. Während die Regierung im Verbund mit den Ländern eine Blockade des Klimaschutzgesetzes durch einen Kompromiss mit den Grünen verhindert, kann Altmaier nicht liefern.
Sein seit Monaten erwartetes Gesetz über die Abschaltung alter Stein- und Braunkohlekraftwerke kommt in diesem Jahr nicht mehr ins Kabinett, wenn bis Mittwoch kein Weihnachtswunder geschieht. Das Gleiche gilt für die hart umstrittenen Regeln für Windräder. Der Minister sieht nicht gut aus.
Bei den Energieversorgern schüttelt man den Kopf, warum Altmaier es nicht hinbekommt, den Sack zu schließen. Die Unternehmen RWE, die Lausitzer Leag und der Versorger Uniper aus Düsseldorf würden Altmaier öffentlich nicht rügen, schließlich wollen sie von ihm Entschädigungen für ihre Kraftwerke. „Dass er nicht in die Gänge kommt, ist schon schwach. Die Mitarbeiter gehen verunsichert in das Weihnachtsfest“, heißt es aber aus einem der Konzerne. Darüber hinaus belassen es die Unternehmen dabei, die Chefin ihres Branchenverbandes BDEW sprechen zu lassen. Der Wirtschaft würden immer wieder Steine in den Weg gelegt – beim Kohleausstieg, dem Ausbau der Windenergie und der Kraft-Wärme-Kopplung, beklagt Kerstin Andreae. Die frühere Grünen-Politikerin warnt die Bundesregierung ausdrücklich davor, die Kraftwerke ohne Kompensation abzustellen. Für diesen Fall haben die Stromerzeuger angekündigt, sich vor Gericht dagegen zu wehren. Ein jahrelanger Rechtsstreit droht.
Altmaier muss den fast ein Jahr alten Kohlekompromiss in Gesetzesform bringen. Darauf hatte sich die Kohlekommission nach monatelangen Verhandlungen verständigt. Der Einigung hatten auch die vom Ende des Braunkohleabbaus betroffenen Unternehmen, die Länder und die Umweltverbände unter großen Schmerzen zugestimmt. Ein gesamtgesellschaftlicher Ausgleich war erreicht.
Doch weil der zuständige Minister bisher den Sack nicht zubinden konnte, droht der Kompromiss sauer zu werden. Denn mit jeder Verschiebung nach hinten machen einzelne Parteien neue Forderungen auf. Derzeit stellt sich Sachsen-Anhalt in den Weg. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) befürchtet, dass eines seiner Kraftwerke eher dichtgemacht wird, weil Nordrhein-Westfalen ein neues Steinkohlekraftwerk (Datteln IV) in Betrieb nehmen will. „Es droht ein
Bruch des Kohlekompromisses“, warnte Haseloff jüngst. Hinzu kommt, dass die Betreiber von Steinkohlekraftwerken nicht mit Brotkrumen abgespeist werden wollen, die von der Braunkohle übrig bleiben. Es geht also um das liebe Geld, für das der Finanzminister seinem Kabinettskollegen Altmaier keinen Blankoscheck ausstellen will.
Seine härtesten Widersacher sitzen aber nicht in den Ländern und im Finanzministerium, sondern in den eigenen Reihen. In der Unionsfraktion haben über zwei Dutzend Wirtschafts-, Energie- und Kommunalpolitiker in einem Schreiben an den Minister klargestellt, dass sie auf strengen Abstandsvorgaben für Windräder bestehen. In den Wahlkreisen machen gut organisierte Bürgerinitiativen Stimmung gegen Windräder, die zu nah an Siedlungen gebaut werden sollen. Der geplante Abstand von 1000 Metern zu Wohnhäusern war Altmaiers Zugeständnis an die Abgeordneten von CDU und CSU. Doch es brachte den Koalitionspartner gegen ihn auf. Keinesfalls will die SPD Vorschriften mittragen, die den Ausbau der Windkraft an Land zum Stillstand bringen würden.
Schon heute werden kaum noch neue Windräder aufgestellt, weil der Widerstand vor Ort groß ist. Größere Abstände würden die potenziellen Flächen deutlich beschneiden. Eine Studie des Umweltbundesamtes spricht von bis zu 40 Prozent. Derweil müssten hierzulande eigentlich deutlich mehr Windräder aufgestellt werden. Schon 2030 sollen 65 Prozent des Stroms aus grünen Quellen kommen. Die Energiewende ist Altmaiers zentrale Aufgabe. Bisher hat er die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt.
Haseloff fürchtet Bruch des Kohlekompromisses